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nachrichten : Mit positiven Botschaften punkten

Neue journalistische Konzepte setzen auf Hintergründe und Lösungsvorschläge statt Schwarzmalerei

29.08.2016
2023-08-30T12:30:06.7200Z
3 Min

Journalisten lernen in der Ausbildung kritische Distanz und Skepsis. Sie sollen Situationen, Entwicklungen, Regeln, Personen oder Institutionen hinterfragen und, falls ein Problem deutlich wird, dieses pointiert darstellen. Die Zuspitzung verfolgt das Ziel, mögliche Missstände klar aufzuzeigen. Daraus entsteht eine Flut an schlechten Nachrichten, die aufs Gemüt schlagen können, zumal der nachrichtliche Dauerregen mit dem Internetangebot weder zeitliche noch thematische Grenzen kennt.

Reißerische Überschriften, maßlose Übertreibungen, einseitige Darstellungen und falsche Behauptungen können dazu beitragen, dass Menschen sich deprimiert und unsicher fühlen. Gerade in Zeiten mit vielen Terroranschlägen oder anderen größeren Krisen sind diese Folgewirkungen nicht zu unterschätzen. Nach Ansicht der Psychologin Elisabeth Raffauf, die auch als Beraterin für die Nachrichtenredaktion des Kinderkanals (KIKA/logo) arbeitet, führt die Präsentation schlechter Nachrichten aber nicht per se dazu, dass Menschen depressiv werden. Jedoch könne die Anhäufung schlechter Nachrichten bei Menschen, die ohnehin depressiv seien oder zu Depressionen neigten, eine Verstärkung bewirken. Auch könnten sich Menschen mit traumatischen Erfahrungen bei bestimmten Nachrichten zurückversetzt fühlen in ihre persönliche Krisenzeit, so beispielsweise frühere Anschlagsopfer.

Weil die nachrichtliche Berichterstattung in der Tendenz negativ ist, gibt es schon länger Überlegungen, positive Nachrichten gezielt dagegen zu setzen. Die Konzeptidee lautet Konstruktiver Journalismus und stammt aus Skandinavien. Jüngstes Beispiel ist die deutsche online-Plattform "Perspective Daily", die ihren Lesern und Investoren verspricht, nicht nur Probleme aufzuzeigen, sondern gleich auch Lösungsmöglichkeiten anzubieten. In einer Selbstdarstellung auf Youtube beklagen die Initiatoren: "Überall auf der Welt gibt es Fortschritte, aber wir erfahren wenig darüber. Denn reißerische Schlagzeilen bringen mehr Aufmerksamkeit." Und weiter: "Viele von uns werden pessimistisch und zynisch, statt sich für die Lösungen der Herausforderungen einzusetzen."

Die Macher werben mit Fakten, Hintergründen und Vorschlägen. So stehe im Zentrum der journalistischen Fragestellung: "Wie kann es weitergehen? Wie kann es besser werden?" Mit Wohlfühl-Nachrichten habe das freilich nichts zu tun. Studien hätten gezeigt, dass Texte, in denen verschiedene Lösungen diskutiert werden, "zu mehr Interesse führen, positive Emotionen erzeugen und eine erhöhte Handlungsbereitschaft generieren können". Kritiker bezweifeln allerdings, dass mit diesem Konzept der Nachrichtenjournalismus wirklich sinnvoll weiterentwickelt werden kann. Die ersten Berichte von "Perspective Daily" fielen nach Ansicht von Medienbeobachtern eher klassisch und wenig innovativ, mitunter bemüht aus. Zudem beinhaltet auch der herkömmliche Journalismus natürlich "gute Nachrichten" und auch Ideen, wie gesellschaftliche Probleme gelöst werden könnten.

Die Psychologin Raffauf kann das Bedürfnis nach guten Nachrichten nachvollziehen. "Es tut natürlich unserer Seele gut, etwas Positives zu hören. Man kann aber nicht alles positiv verpacken, weil so das Leben eben nicht ist." Ihrer Ansicht nach sollten Aufbereitung und Einordnung von Nachrichten verbessert werden. Dabei sollten die Nachrichten auch besser erklärt werden. Das wirke beruhigend und habe sich bei den sehr gut gemachten Kindernachrichten bewährt. Generell sei es sinnvoll, sich mehr Zeit zu nehmen, um darüber nachzudenken, wie Nachrichten präsentiert werden sollten, um die Botschaften nicht zu dramatisieren. Denn letztlich müssten schlechte Nachrichten in den Medien aus persönlicher Sicht stets relativiert werden. So sei die ohnehin geringe Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, noch höher, als Opfer eines Amoklaufs zu werden.