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gesundheit i : Viele Bausteine

Kommunen sollen Pflege-Initiativen ergreifen

26.09.2016
2023-08-30T12:30:07.7200Z
3 Min

Die große Pflegereform, an der nun schon seit Jahren intensiv gearbeitet wird, ist inzwischen eine ausgesprochen komplexe Konstruktion. Mehrere große Gesetzesvorhaben, die mit Pflege direkt oder indirekt zusammenhängen, sind seit Beginn dieser Wahlperiode im Bundestag verabschiedet worden: Leistungsverbesserungen in der Breite machten den Anfang (Pflegestärkungsgesetz I), es folgte ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff samt Begutachtungsverfahren (PSG II), die im kommenden Jahr wirksam werden. Für die Pflegeberufe ist eine Neuordnung vorgesehen mit dem Ziel, die Arbeit mit Alten und Kranken aufzuwerten. Diese Vorlage befindet sich in der parlamentarischen Beratung. Mit dem Hospiz- und Palliativgesetz sowie der Krankenhausreform sind weitere Vorhaben mit Bezug zur Pflege bereits Gesetz.

Kommunen gefordert In der vergangenen Woche stand erstmals das dritte Pflegestärkungsgesetz (PSG III) (18/9518) auf der Tagesordnung, eine Vorlage, die inhaltlich etwas sperrig daherkommt, aber doch an einer entscheidenden Stelle ansetzt: der Pflegebetreuung und -beratung in den Kommunen. Fachleute aus der Pflegepraxis sehen angesichts der vielen neuen Regelungen die umfassende Beratung als eines der wichtigsten Aufgaben an. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erhofft sich eine "Beratung aus einer Hand", was freilich leichter gefordert als umgesetzt ist. Mit dem PSG III soll die kommunale Steuerungs- und Planungskompetenz für die regionale Pflegestruktur gestärkt werden. Konkret sollen Kommunen für fünf Jahre das Recht bekommen, aus eigener Initiative Pflegestützpunkte einzurichten. Darüber hinaus sollen in bis zu 60 Kreisen oder kreisfreien Städten für die Dauer von fünf Jahren als Modellprojekte Beratungsstellen eingerichtet werden. Den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen soll so eine umfassende Beratung gewährt werden, auch etwa über Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe oder auch Altenhilfe. Dem Entwurf zufolge soll auch im Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII/Sozialhilfe) der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden, um sicherzustellen, dass finanziell Bedürftige im Pflegefall angemessen versorgt werden. Schließlich sollen Abgrenzungsfragen zwischen Leistungen der Eingliederungshilfe für Behinderte und der Pflegeversicherung beziehungsweise Hilfe zur Pflege geregelt werden.

Nach der Aufdeckung von Betrugsfällen bei Pflegediensten soll schließlich die häusliche Krankenpflege stärker kontrolliert werden. Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erhält dazu ein systematisches Prüfrecht.

Redner von Union und SPD machten in der Debatte deutlich, mit welchem Aufwand die Pflege aufgewertet wird. Gesundheits-Staatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) sprach mit Blick auf das PSG III von einem "letzten Baustein, um das Ganze abzurunden". Heike Baehrens (SPD) sagte, in der Pflege würden ganz neue Maßstäbe gesetzt. Erwin Rüddel (CDU) fügte hinzu, es handele sich um die größte finanzielle Veränderung, die es jemals in der Sozialversicherung gegeben habe. Elisabeth Scharfenberg (Grüne) erwiderte, es sei zwar viel gemacht worden in der Pflege, Veränderungen seien aber nicht notwendigerweise auch Verbesserungen. Die Koalition werde an den Verbesserungen gemessen. Die Opposition sieht die Pflege finanziell nicht ausreichend untersetzt und fürchtet, dass sozial Schwache schlecht versorgt werden könnten. Pia Zimmermann (Linke) warnte vor einer "Zwei-Klassen-Pflege". So werde die Pflege nach wie vor nicht am tatsächlichen Bedarf und den individuellen Wünschen orientiert, sondern bleibe marktwirtschaftlich organisiert. Wer Hilfe zur Pflege benötige, werde künftig noch mehr auf Wohlwollen angewiesen sein. Dass Beratungsstellen nur in 60 von über 11.000 Kommunen in Deutschland entstehen sollen, sei unverständlich. Scharfenberg mahnte, Pflege sei individuell, dazu brauche es Fallmanager, und die Kommunen müssten stärker gefördert werden, um die dortigen Möglichkeiten effektiver zu nutzen. Erich Irlstorfer (CSU) hielt dagegen, alle seien sich doch im Grunde einig, dass es um Verbesserungen für die zu Pflegenden und ihre Angehörigen gehe. Die 60 Modellkommunen seien nur der Anfang. Was die Schnittstelle zur Eingliederungshilfe angehe, komme es vor allem darauf an, den bürokratischen Aufwand für Betroffene in Grenzen zu halten. Mechthild Rawert (SPD) sagte, die Kommunen seien nun aufgefordert, sich in der Pflegevernetzung stark zu machen. Angestrebt werde eine "erstklassige Pflegeinfrastruktur" für alle mit einer Verzahnung von ambulanten und stationären Angeboten sowie einer wohnortnahen Versorgung.

Union und SPD machten auch klar, dass Betrug in der Pflege scharf geahndet werden soll. Rüddel sagte, wer Leistungen beziehe, müsse Qualitätsprüfungen und Kontrollen akzeptieren. Baehrens fügte hinzu, die wenigen Betrüger dürften nicht die ganze Branche mit 13.000 Pflegediensten in Misskredit bringen und müssten ihre Zulassung verlieren.