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GRUNDRECHTE : Glaubensfragen

Der Regierungsbericht zur Lage der Religionsfreiheit stößt im Bundestag auf ein geteiltes Echo

26.09.2016
2023-08-30T12:30:07.7200Z
4 Min

Die Formulierung, die die Vereinten Nationen 1948 im Pariser Palais de Chaillot gefunden haben, klingt bestechend einfach - und doch fällt es immer noch an vielen Orten der Welt so unglaublich schwer, sie umzusetzen: "Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit", heißt es im Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Das Recht umfasst laut UN-Charta die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln und "die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden".

In immer mehr Staaten auf der Welt wird dieses universelle Menschenrecht "prinzipiell rechtlich abgesichert" - das sagte Maria Böhmer (CDU), Staatsministerin im Auswärtigen Amt, als sie vergangenen Freitag im Bundestagsplenum den ersten "Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit" (18/8740) vorstellte. Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten einen solchen Bericht im vergangenen Jahr eingefordert (18/5206). Böhmer fuhr sodann allerdings fort: "Die Wirklichkeit sieht oft dramatisch anders aus." Millionen von Menschen würden weltweit Tag für Tag in ihrer Religions- und Weltanschauungsfreiheit eingeschränkt. "Viele werden verfolgt, gedemütigt und kommen zu Tode. Religion wird missbraucht, um Unterdrückung, Gewalt und Unrecht zu legitimieren, wie wir es in erschreckender Weise im Irak oder in Syrien erleben", sagte Böhmer. Schwache Staatlichkeit, Korruption und schwierige wirtschaftliche Bedingungen seien der Nährboden für den mangelnden Schutz von Religionsgemeinschaften.

Christenverfolgung Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) bezeichnete das Recht auf Religionsfreiheit als "das wohl wichtigste Menschenrecht überhaupt". Es seien bis heute vor allem islamische Staaten oder Länder, in denen Muslime in der Mehrheit sind, wo etwa ein Religionswechsel mit Strafen bedroht werde. Kritisch merkte Kauder an, dass der Bericht der Bundesregierung vom klassischen Muster der Länderberichte abweiche. Das führe dazu, dass man mühsam zusammentragen müsse, wie die Bundesregierung Verfolgungssituationen in einzelnen Regionen einschätzt. So skizziere der Bericht im Falle Pakistans mit den dort geltenden Blasphemie-Gesetzen nur, dass muslimische Minderheiten verfolgt werden, verliere aber kein Wort über die Verfolgung von Christen. Dass der Bericht somit den Fall der wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilten Pakistani Asia Bibi nicht erwähne, sei "nicht akzeptabel", sagte Kauder. Er wies außerdem darauf hin, dass Christen die größte verfolgte Gruppe weltweit seien.

Diesen letzten Hinweis bezeichnete Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) als wenig hilfreich und "zum Teil auch banal" Christen stellten weltweit die größte religiöse Gruppe und seien demnach der Zahl nach auch am stärksten von religiöser Verfolgung betroffen. "Der Wettbewerb um die Frage, welche Minderheit auf dieser Welt am stärksten religiös verfolgt ist, bringt uns nicht weiter", sagte Beck. Überdies höre man uns im weltweiten Dialog nur zu, "wenn wir für das Prinzip der Religionsfreiheit streiten" und nicht, wenn der Eindruck entstehe, dass man sich nur um die eigenen Glaubensbrüder und -schwestern kümmere - "zumal das auch nicht besonders christlich wäre". In einem Punkt unterstützte Beck jedoch Kauders Kritik: Der an sich "gute Bericht" bleibe hinter seinen Möglichkeiten zurück. Wenn man die Chance nutzen wolle, außen- und entwicklungspolitisch bei Fehlentwicklungen gegenzusteuern, brauche man Hinweise "länder- und regionenscharf".

Burka und Kopftuch Gregor Gysi (Die Linke) lenkte den Blick auf ein Reizthema: Es gebe eine immer stärkere Diskreditierung von Menschen islamischen Glaubens hierzulande und in Europa. "Das widerspricht klar dem Stand unserer demokratischen und kulturellen Zivilisation." So trete die "Alternative für Deutschland" mit dem Anspruch auf, "dass der gesamte Islam nicht zu Deutschland gehöre" - ein klarer Bruch mit dem im Grundgesetz garantierten Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Mit Blick auf die Diskussion um ein Burka-Verbot sagte Gysi: "Wenn es nicht unbedingt nötig ist, sollte sich der Staat nicht in Kleiderfragen seiner Bürgerinnen und Bürger einmischen." Mädchen und Frauen seien aber zu schützen, wenn sie gegen ihren Willen zum Tragen solcher Bekleidungsstücke gezwungen würden. Es dürfe außerdem Einschränkungen geben, für Lehrerinnen etwa oder Richterinnen, sagte Gysi. "Das Notwendige müssen wir regeln und ansonsten die Freiheit der Menschen, einschließlich der Religions- und Glaubensfreiheit sowie des Rechts auf Freiheit von der Religion, achten."

Frank Schwabe (SPD) nannte den Bericht "hochinteressant", weil er Religionsfreiheit nicht isoliert von der Menschenrechtslage betrachte und auch einen Einblick gebe, wie das Recht auf Religionsfreiheit mit anderen Grundrechten wie der Meinungsfreiheit kollidieren könne. Der Bericht zeige außerdem, dass es im Kern häufig gar nicht um religiöse Auseinandersetzungen gehe: "Vielmehr geht es oft um machtpolitische Auseinandersetzungen. Ländern werden religiöse Konflikte geradezu aufgedrückt." Schwabe sprach zudem von "hochkritischen" Debatten hierzulande zur größten religiösen Minderheit der Muslime. "In Deutschland gibt es zum Glück das Grund- und Menschenrecht auf Religionsfreiheit." Dazu gehöre dann aber auch, klarzustellen, dass alle Menschen das Recht haben, Gotteshäuser zu bauen. "Dazu gehören auch Moscheen, und das sind dann Moscheen mit Minaretten", sagte Schwabe. Und auch einer anderen viel diskutierten Forderung dieser Tage erteilte Schwabe eine klare Absage: Eine Einführung von "Quoten für Flüchtlinge nach religiöser Zugehörigkeit" sei mit der Religionsfreiheit in diesem Land überhaupt nicht vereinbar: "Da wundere ich mich über manche aktuelle Debatte."