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Vermittlungsausschuss : Schwieriges Erbe

Der Kompromiss zur Erbschaftsteuer macht nicht überall Freude

26.09.2016
2023-08-30T12:30:08.7200Z
3 Min

Die Positionen lagen weit auseinander. Der Druck war riesig. Aber kurz vor einem weiteren Richterspruch aus Karlsruhe haben sich die Vertreter von Bundestag und Bundesrat im Vermittlungsausschuss in der vergangenen Woche doch noch auf einen Kompromiss zur Neuregelung der Erbschaftsteuer verständigt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die letzte Erbschaftsteuerreform wegen zu großer Entlastung der Betriebs-erben verworfen und dem Gesetzgeber aufgetragen, bis Juni dieses Jahres eine Lösung zu finden. Andernfalls, so hatte das Gericht durchblicken lassen, werde es bis Ende September sich der Sache selbst wieder annehmen. Ein Scheitern "wäre die größte Blamage für die Politik überhaupt gewesen", befand Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der die jetzt gefundene Regelung für verfassungskonform hält.

Auch nach der im Vermittlungsausschuss gefundenen Lösung bleibt ein steuerfreier Übergang eines Betriebes auf die nächste Generation möglich. Für einen Steuererlass von 85 Prozent muss der Betrieb fünf Jahre von den Erben erhalten werden, zur vollständigen Erlass der Steuer sieben Jahre. Außerdem müssen Grenzen bei den Lohnsummen eingehalten werden. Diese Lohnsummenklausel müssen jetzt Betriebe ab fünf Beschäftigte einhalten (bisher 20). Erben großer Betriebsvermögen über 26 Millionen Euro haben die Wahl: Entweder legen sie ihr Privatvermögen offen, und dieses wird zu 50 Prozent zur Bezahlung der Steuer herangezogen. Oder der Erbe entscheidet sich für einen Abschlag: Wenn ein Betrieb beispielsweise sieben Jahre gehalten und die Lohnsummengrenze eingehalten wird, würde die Verschonung 100 Prozent betragen. Aber ab 26,75 Millionen Euro Vermögen verringert sich die Steuerfreiheit auf 99 Prozent und dann in weiteren Schritten. Aber ab 90 Millionen Euro gibt es keinen Steuerrabatt mehr.

Die Bewertung von Unternehmen erfolgt meist über den Jahresgewinn mit einem zinsabhängigen Faktor. Der Faktor wurde jetzt auf 13,75 festgelegt. Steuerstundungen bleiben möglich, aber nur noch für sieben statt zehn Jahre. Ab dem zweiten Jahr müssen Zinsen gezahlt werden.

Zufrieden zeigte sich die Unionsseite nach Abschluss der Verhandlungen: "Unternehmen werden auch künftig nicht in ihrem Bestand gefährdet", erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion, Ralph Brinkhaus (CDU). Die flächendeckenden Steuererhöhungen, für die Grüne und Linke hätten sorgen wollen, seien abgewendet worden. Die Handschrift der Union sei klar erkennbar. Auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer zeigte sich "sehr zufrieden."

Ziele erreicht Etwas anders fiel die Bewertung des Koalitionspartners SPD aus: "Die CSU hat sich mit ihrer trotzigen Blockadehaltung nicht durchsetzen können", erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht. Die Ziele der Sozialdemokraten seien erreicht worden: "Erhalt von Arbeitsplätzen, erhöhtes Steueraufkommen, weiterhin keine Schlupflöcher und wohl auch Verfassungsmäßigkeit."

Zufrieden zeigte sich auf der Länderseite auch der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann: Es handele sich "um einen guten Kompromiss für unsere Familienunternehmen". Allerdings geht Kretschmann damit auf Gegenkurs zur Grünen-Bundestagsfraktion. Deren Vertreter lehnten den Kompromiss im Vermittlungsausschuss ebenso ab wie die Linksfraktion. Ländervertreter der Linken haben ebenfalls starke Bedenken: "Das hat mit Steuergerechtigkeit nichts zu tun", sagte etwa der brandenburgische Finanzminister Christian Görke.

Im Bundestag dürfte die Zustimmung zu dem Vermittlungsergebnis am kommenden Donnerstag sicher sein. Wie es im Bundesrat weitergeht, ist noch offen. Die Große Koalition hat derzeit 20 Stimmen in der Länderkammer. 35 wären zur Annahme des Kompromisses notwendig. Auch die sechs Stimmen des grün-schwarz regierten Landes Baden-Württemberg reichen noch nicht. Die Zustimmung aus dem rot-grünen Lager ist noch unklar: "Das werden wir in Ruhe miteinander besprechen", sagte etwa die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die mit den Grünen regiert. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsididentin Malu Dreyer, die mit Grünen und der FDP koaliert, sagte: "Wir sind jetzt in der Diskussion." Ihr Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) sagte, eine Klage vor dem Verfassungsgericht reiche, um den Kompromiss wie ein Kartenhaus zusammenfallen zu lassen. Professor Holger Kahle, Steuerexperte an der Universität Hohenheim, erwartet, dass sich das Verfassungsgericht erneut mit dem Thema beschäftigen muss, weil es zu viele Gestaltungsspielräume und Unregelmäßigkeiten gebe. In diesem Fall wäre die Politik wieder bei Null angekommen.