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Reform : Ping-Pong zwischen den Kammern

Italiens Senat soll kleiner werden und Macht an das Abgeordnetenhaus abgeben

28.11.2016
2023-08-30T12:30:10.7200Z
2 Min

Mehr als 60 Nachkriegsregierungen hatte Italien schon, das Land ist berüchtigt für häufige Krisen. Nun stimmen die Italiener in einem Referendum über die umfangreichste Reform der politischen Institutionen seit 70 Jahren ab. Die Verfassungsänderung soll mehr politische Stabilität und Effizienz schaffen.

Bisher hat Italien ein so genanntes perfektes Zweikammer-System, das in Europa einzigartig ist. Mit 945 Abgeordneten ist das Parlament eines der größten und teuersten. Abgeordnetenhaus (630 Mitglieder) und Senat (315) haben fast identische Kompetenzen. Vom Vertrauen beider Kammern hängt das Überleben einer Regierung ab, obwohl in beiden häufig unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse herrschen.

Gesetze müssen von beiden Häusern in identischer Form verabschiedet werden. Ändert der Senat ein Wort in einem vom Abgeordnetenhaus abgesegneten Entwurf, so wandert dieser zurück. Daraus entwickelt sich oft ein Art Ping-Pong. Es kann Monate bis Jahre dauern, bis ein Gesetz durchkommt - falls nicht die Opposition blockiert oder zwischendurch die Regierung wechselt.

Das parlamentarische System war nach dem Zweiten Weltkrieg als Garant gegen ein neues Erstarken von Faschismus und Diktaturen verankert worden. Seine Nachteile zeigten sich rasch. Seit den 1980er Jahren wurde eine Reform diskutiert. Einen neuen Anstoß gab die Krise nach der Parlamentswahl 2013, als das Mitte-Links-Bündnis als Wahlsieger zwar eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus hatte, aber keine im Senat. Es entstand ein Patt. Erst nach zwei Monaten gelang eine Regierungsbildung.

Mit der Reform werden nun 47 von 139 Verfassungsartikeln geändert. Der Senat wird verkleinert, entmachtet und zu einer Repräsentanz der 20 Regionen Italiens. Seine Mitglieder, Regionalräte und Bürgermeister, werden nicht mehr von den Bürgern bei der Parlamentswahl bestimmt, sondern aus den Regionen entsandt. Wie sie ausgewählt werden, ist noch unklar. Es gibt nur noch 100 Senatoren, sie erhalten keine gesonderten Bezüge. Nur das Abgeordnetenhaus spricht der Regierung noch das Vertrauen aus. Der Senat ist für wenige Themen wie Europafragen, Minderheitenschutz und Verfassungsänderungen zuständig.

Neu geregelt werden auch die Kompetenzen von Zentralstaat und Regionen, die sich bisher teils überschneiden. Für Fiskus, Transport und Infrastruktur soll allein Rom zuständig sein. Wenn es um "strategische" Interessen geht, kann der Zentralstaat regionale Beschlüsse aushebeln.

Insgesamt stärkt die Reform die Exekutive und den Regierungschef. Die Gegner bezeichnen sie aber wegen der unklaren Zusammensetzung des Senats als schlecht gemacht und argumentieren, man hätte die zweite Kammer abschaffen sollen. Andere sehen die Demokratie in Gefahr, weil die Kontrollfunktion des Parlaments geschwächt werde. Sie befürchten, dass im Zusammenspiel mit dem geänderten Wahlrecht autoritäre Strömungen die Macht übernehmen könnten. Das "Italicum" genannte Gesetz soll klare Mehrheiten schaffen und sieht deshalb vor, dass der Wahlsieger durch eine Prämie automatisch 55 Prozent der Sitze im Abgeordnetenhaus erhält.