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KULTUR : Rolle rückwärts

Der Bau des Einheitsdenkmals ist gestoppt. Jetzt ist eine Diskussion um die Gestaltung der Flächen um das Berliner Stadtschloss entbrannt

05.12.2016
2023-08-30T12:30:11.7200Z
3 Min

Der Bundestagsbeschluss vom 9. November 2007 war eindeutig: "Die Bundesrepublik Deutschland errichtet in Erinnerung an die friedliche Revolution im Herbst 1989 und an die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands ein Denkmal der Freiheit und Einheit Deutschlands (...)." Die Bundesregierung wurde im verabschiedeten Antrag von CDU/CSU, SPD und FDP (16/6925) aufgefordert, gemeinsam mit dem Senat von Berlin ein geeigneten Standort "in der Mitte" der Hauptstadt zu finden. Ein Jahr nach dem Parlamentsbeschluss bestätigte der Bundestag das Vorhaben erneut, indem das Denkmal in die Gedenkstättenkonzeption des Bundes (16/9875) aufnahm.

Doch rund zehn Jahre nach den beiden Parlamentsbeschlüssen ist ihre Umsetzung durch zwei Entscheidungen des Haushaltsausschusses in weite Ferne gerückt. Bereits im April dieses Jahres sperrten die Haushälter des Bundestages die Gelder für den Bau des Einheitsdenkmals auf dem Berliner Schlossplatz zwischen Spree und dem Humboldt-Forum mit seiner rekonstruierten Fassade des zerstörten Stadtschlosses. Dort, wo sich einst das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal stand, sollte der Entwurf für das Denkmal realisiert werden: Die begehbare Wippenkonstruktion "Bürger in Bewegung" von Milla & Partner und der Choreographin Sasha Waltz hatte den Wettbewerb für die Gestaltung des Einheitsdenkmals im April 2011 für sich entschieden.

Der Haushaltsausschuss begründete seine Entscheidung mit den Kosten des Projektes. Diese seien von den ursprünglich veranschlagten elf Millionen auf 15 Millionen angewachsen. Der Kulturausschuss beharrte allerdings noch Anfang November darauf, dass die Entscheidung der Haushälter die Bundestagsbeschlüsse nicht aushebeln könnten. Schließlich handele es sich dabei nicht allein um eine fiskalpolitische Frage, sondern auch um eine kulturpolitische. In diesem Sinne hatte sich zuvor auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) im Ältestenrat geäußert. Der Kulturausschuss beschloss, die Denkmal-Frage in einem öffentlichen Fachgespräch erneut auf die Agenda zu heben. Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) trat für eine öffentliche Debatte ein. Dabei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass eine Mehrheit der Deutschen das Brandenburger Tor als das eigentliche Symbol für die Deutsche Einheit ansehe.

Mit der Verabschiedung des Bundeshaushaltes 2017 nahm die Diskussion erneut eine überraschende Wendung. Der Haushaltsausschuss bewilligte während seiner Verhandlungen 18,5 Millionen Euro für einen Wiederaufbau der Kolonnaden, die einst das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal umgaben. Also genau auf jenem Areal, auf dem eigentlich das Einheitsdenkmal entstehen sollte. Veranschlagt wurden die Mittel diesmal nicht im Kulturhaushalt, sondern im Bauetat als Zuweisung an das Land Berlin. Maßgeblich federführend bei dieser Entscheidung waren die Haushaltspolitiker der Koalition Rüdiger Kruse (CDU) und Johannes Kahrs (SPD).

Bei der Opposition stieß die Entscheidung auf Empörung. Die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sigrid Hupach, monierte "die Missachtung des Kulturausschusses". Es würden Tatsachen ohne öffentliche Debatte geschaffen. Auch Hupachs Kollegin von Bündnis 90/Die Grünen hielt mit ihrem Ärger nicht hinter dem Berg. Die Koalition trete die Bundestagsbeschlüsse mit Füßen und betreibe "Politik nach Gutsherrenart", schimpfte Ulle Schauws.

Die angesprochenen Koalitionsfraktionen hüllten sich weitgehend in Schweigen. Der kulturpolitische Sprecher der Unionsfraktion Marco Wanderwitz (CDU) verlor kein Wort über das Denkmal. Lediglich die SPD-Kulturpolitikerin Hiltrud Lotze legte ein klares Bekenntnis für die Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmal ab. Die Mittel dafür müssten im nächsten Haushalt wieder eingestellt werden.

Doch die Haushälter haben offenbar andere Pläne. Sie bewilligten nicht nur Geld für den Wiederaufbau der Kolonnaden. Weitere zehn Millionen sollen in die Sanierung des Neptunbrunnens vor dem Roten Rathaus und dessen Verlegung an seinen alten Standort vor das Humboldt-Forum fließen. Und nocheinmal 62 Millionen Euro sollen für den Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie in unmittelbarer Nähe bereitgestellt werden.

Die angestrebte bauliche Neugestaltung des Areals um das Humboldt-Forums ist jedoch nur mit Zustimmung Berlins zu bewerkstelligen. Die designierte neue Berliner Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) erteilte einem Umzug des Neptunbrunnens bereits eine Absage.