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ATOMENERGIE : Teures Problem für die Ewigkeit

Bernward Janzings kritische Analyse von Aufstieg und Niedergang

19.12.2016
2023-08-30T12:30:12.7200Z
2 Min

Es sind keine erbaulichen Aussichten, mit denen Bernward Janzing seine Leser entlässt. Eindringlich legt der Freiburger Fachjournalist für Energiepolitik dar, dass der Beschluss zum Atomausstieg keineswegs einen Schlussstrich unter die Kernenergie in Deutschland markiert. Zum einen wird die Entsorgung des hochradioaktiven Mülls noch Generationen zu schaffen machen. Schwer zu widerlegen sein dürften zum anderen die Kalkulationen des Autors über die immensen Kosten der Kernkraft, die bereits von den Bürgern gestemmt worden sind und die wegen der Verwahrung des Strahlenabfalls künftig auf die Steuerzahler zukommen werden.

Die Atomenergie war, wie Janzing vorrechnet, schon immer teuer, sofern man die enormen staatlichen Fördergelder berücksichtigt. Zudem wird nach den Prognosen des Verfassers der Rückbau der Reaktoren erheblich länger dauern als angenommen und wesentlich teurer werden. Beispielsweise wurden in Stade und Rheinsberg Kontaminationen im Sockel des Reaktorgebäudes und im Boden ermittelt, die es gar nicht geben dürfte. Vor allem aber weiß niemand, wie hoch die "Ewigkeitskosten" für die Endlagerung des Nuklearmülls sein werden. Janzing ist mit guten Gründen überzeugt, dass die Rückstellungen der Konzerne in Höhe von 40 Milliarden Euro für die Abwicklung des Atomausstiegs niemals reichen werden und deshalb der Staat gefordert sein wird. Die Betreiber würden "Profit auf Kosten der Allgemeinheit" erzielen, lautet das Verdikt des Buches.

Als Kritiker der Kernkraft ergreift Janzing Partei - freilich nicht in Form eines Pamphlets, sondern als fundierte Auseinandersetzung. So gehören zur Schilderung der Geschichte der Atomkraft von der Euphorie der 1950er Jahre bis zum Ausstieg auch zahlreiche Faktenchecks: Etwa mit Daten über den Aufschwung der erneuerbaren Energien, deren Leistungsfähigkeit einst von der Nuklearbranche kleingerechnet worden war.

Nach Janzings Analysen ist die Atomindustrie nicht zuletzt an sich selbst gescheitert, besonders an den Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima. Aber natürlich haben auch die Massenproteste in Wyhl, Brokdorf, Wackersdorf, Gorleben und anderswo den Ausstieg vorangetrieben.

Die üppig bebilderte Darstellung der Historie der Kernenergie bietet auch viel leichten Lesestoff und ruft manch Vergessenes in Erinnerung. Wer kennt noch den Bürgerrechtler Jens Pflugbeil, der in der Wendezeit den DDR-Nuklearsektor abwickelte? Und wem ist noch die dänische Studentin Anne Lund ein Begriff, die 1975 am Küchentisch eine rote Sonne auf gelbem Grund mit dem Spruch "Atomkraft? Nein danke!" zeichnete, später das Logo der Widerständler?

Vor 70 Jahren kursierte die Mär, die Kernenergie werde so billig sein, dass sich die Installierung von Stromzählern nicht mehr lohne. Auf dem Wappen von Gundremmingen ist noch heute ein Atomkraft-Symbol zu sehen. Aus der Ära der Atom-Euphorie in den USA stammt das Modell eines flotten Autos, das einmal mit einer "Tankfüllung" Uran 8.000 Kilometer schaffen sollte. Janzings Buch ist auch eine Fundgrube für seltsame Phantasien einer merkwürdigen Epoche.