Piwik Webtracking Image

NSA-AFFÄRE : General außer Gefecht

Ein ehemaliger BND-Abteilungsleiter kann den Abgeordneten nicht weiterhelfen

19.12.2016
2023-08-30T12:30:12.7200Z
3 Min

Es gibt Fragen, die Zeugen verstummen lassen. "Wer trägt die Verantwortung für BND-Selektoren, die sich gegen deutsche und europäische Interessen richten?" Was sagt man dazu als ehemaliger Abteilungsleiter des Bundesnachrichtendienstes (BND)?

Hartmut Pauland verfiel am vergangenen Donnerstag zunächst in brütendes Schweigen, bevor er sich zu einem Erklärungsversuch aufraffte: "Ich tue mich da ein bisschen schwer mit, weil Sie automatisch unterstellen, dass gegen deutsche Interessen verstoßen wurde." Indes: "Die uns bekannten deutschen Interessen" seien stets berücksichtigt worden, versicherte Pauland der Linken Martina Renner.

Der heute 61-Jährige ist ein gestandener Brigadegeneral der Bundeswehr. Von Anfang 2012 bis Oktober 2015 stand er an der Spitze der Abteilung Technische Aufklärung (TA), die beim BND das Abhör- und Überwachungsgeschäft organisiert. Wenn einer in der Lage sein sollte, über den Einsatz von Suchmerkmalen, sogenannten Selektoren, auch politisch bedenklichen, in der strategischen Fernmeldeaufklärung Auskunft zu geben, dann er.

Doch für den 1. Untersuchungsausschuss (NSA) erwies sich Pauland wieder als einer jener Zeugen, mit denen die Abgeordneten eher frustrierende Stunden verbringen mussten. Er war ja, wie er dem Ausschuss erläuterte, als Abteilungsleiter mit Selektoren überhaupt nicht befasst. Das sei die Zuständigkeit der Sachbearbeiter gewesen: "Bei mir ist auch nie ein Selektor über den Tisch gelaufen in den drei Jahren. Man ist nicht Teil eines Prozesses."

Zudem war der General in dem Zeitraum, der den Ausschuss interessierte, Spätsommer und Herbst 2013, außer Gefecht. Bereits ab Juni habe er sich kaum noch um seine Abteilung kümmern können. Damals habe "die Snowden-Geschichte den Tagesablauf auf den Kopf gestellt. Man konnte nur noch Fragen beantworten, Stellungnahmen schreiben, in alten Unterlagen nachsuchen." Pauland wurde Mitglied einer Arbeitsgruppe, die beim Bundesinnenminister angesiedelt war und die Reaktionen auf Edward Snowdens Enthüllungen zu koordinieren hatte: "Am Ende des Prozesses stand mein Schlaganfall Ende August." Erst zwei Monate später sei er mit stark reduzierten Arbeitszeiten wieder im Dienst gewesen und habe im November 2013 noch einen einwöchigen Erholungsurlaub nehmen müssen.

In diesen Wochen wurden beim BND zunächst einige zehntausend Selektoren der amerikanischen National Security Agency (NSA) mit Bezug auf Ziele in EU- und Nato-Ländern entdeckt und es kam ans Licht, dass auch die eigene Behörde solch politisch fragwürdige Suchmerkmale eingesetzt hatte. Mit dem Thema befasst war Paulands Unterabteilungsleiter D.B. Dieser nahm am 28. Oktober 2013 den Anruf des damaligen BND-Präsidenten Gerhard Schindler entgegen, der die Anweisung übermittelte, die Bespitzelung "befreundeter" Ziele unverzüglich einzustellen.

Also nochmals die Frage: Wer war dafür verantwortlich, dass es überhaupt soweit kommen konnte? Die Erklärung, die Pauland schließlich anbot, lautete: Bis ins Jahr 2013 hinein war in der Abteilung TA kaum ein Gespür für die politische Brisanz solcher Maßnahmen vorhanden. Dabei war bereits 2008 aufgeflogen, dass der BND jahrelang das "Afghan NGO Safety Office" (ANSO), eine Einrichtung der Deutschen Welthungerhilfe, überwacht hatte in der Hoffnung, Hinweise auf die Sicherheitslage am Hindukusch zu gewinnen.

Es gab eine Regel, die den Mitarbeitern der Abteilung in Fleisch und Blut übergegangen war: Unverdächtige deutsche Bürger waren möglichst unbehelligt zu lassen. "Das war in Ordnung. Da war man relativ sicher", sagte Pauland. Dagegen sei das Augenmerk für sonstige politische Risiken "ein bisschen verkümmert" gewesen. Bis Edward Snowden kam. Und die Kanzlerin das "Abhören unter Freunden" für unschicklich erklärte.