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Parlamentarisches Profil : Der Überläufer: Hubertus Zdebel

19.12.2016
2023-08-30T12:30:12.7200Z
3 Min

Hubertus Zdebel ist empört über das Gesetz zur Nuklearabfall-Entsorgung. "Die Energiekonzerne werden für einen Schnäppchenpreis von ihrer finanziellen Verantwortung für das Atommüllerbe befreit", sagt der Linken-Obmann im Umweltausschuss. Mit den vereinbarten 23,5 Milliarden Euro, die die Firmen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zahlen müssten, "endet die Verursacherhaftung mit einem bestimmten Festpreis". Und das nach jahrzehntelangen Milliarden-Gewinnen. Zdebel: "Was darüber hinaus an Risiken und Kosten anfällt, ist nicht gesichert."

Was sagt Zdebel zum gesetzlichen Ziel, Rechtssicherheit zu schaffen? Und der Gefahr, von insolventen Energiefirmen womöglich gar kein Geld mehr für die Entsorgung zu bekommen? "Die Konzerne sind selbstverschuldet in ihre Lage gekommen. Sie haben über Jahrzehnte die Energiewende bekämpft." Im Übrigen stelle sich die Energiewirtschaft in diesen Jahren neu auf und habe durchaus Zukunftschancen, wie der gute Börsenstart der RWE-Abspaltung Innogy zeige. "Die Konzerne haben genügend Substanz, um weiter in der Haftung für den Atommüll zu bleiben", sagt der 62-jährige Linkspolitiker aus Münster.

Zdebel will das neue Entsorgungsgesetz nicht rundherum verdammen. Positiv steht er etwa zum öffentlich-rechtlichen Fonds, der aus Mitteln der Energiekonzerne gespeist werden soll. Sehr kritisch sieht er aber die gesetzlich dekretierte Endsumme von 23,5 Milliarden Euro, mit der sich die Atomfirmen aus jeder künftigen Verantwortung freikaufen können. Wirtschaftsprüfer hätten sich hier skeptisch gezeigt und von einer nur 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit gesprochen, dass das Geld reiche.

Dagegen hält die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK) in ihrem Abschlussbericht vom Mai 2016 die 23,5 Milliarden Euro für ausreichend. "Bei dieser Kommission gab es kaum Öffentlichkeit. Vertreter der Linken waren sogar ausgeschlossen", kritisiert Zdebel. Auch Ex-Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) war einer der KFK-Chefs. Der Ex-Grüne Zdebel wundert sich, dass die Grünen den Gesetzentwurf zur Atommüll-Entsorgung mittragen, nachdem sie früher auf einer Oppositionslinie mit den Linken lagen.

Welches Konzept verfolgen die Linken bei der kerntechnischen Entsorgung? "Die Konzerne müssen in der Haftung bleiben und notfalls Geld nachlegen müssen", fordert Zdebel. Für den Rückbau der AKWs und die Verpackung des Atommülls sei die geplante betriebswirtschaftlichen Rückstellungspolitik durch eine Rücklagenpolitik zu ersetzen. Für die Zwischen- und Endlagerung sollten die Konzerne möglichst schnell 24 Milliarden Euro in einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzahlen.

Wie steht Zbebel zum neuen Karlsruher Urteil, wonach den Energiekonzernen wegen des beschleunigten Atomausstiegs eine Entschädigung zusteht? Dies sei Folge des "dilettantischen Vorgehens" der Schröder/Trittin-Regierung und späteren Merkel/Rösler-Regierung.

Zdebel war lange bei den Grünen in Nordrhein-Westfalen, bis er sich 2007 der neuen Partei "Die Linke" anschloss, deren Landeschef er 2010 bis 2012 war. Die grüne Zustimmung zu deutschen Kriegseinsätzen und den Hartz-Gesetzen habe den Wechsel bewirkt, sagt Zdebel. Bis heute hat der Mann mit dem grauen Pferdeschwanz nach einigen Jahren als Journalist in Münsteraner Stadtblättern ein Leben in der Politik praktiziert - bei Landtags- und Bundestagsabgeordneten der Grünen und später der Linken. "Das war nicht geplant und hat sich so ergeben", sagt Zdebel. Im Bundestag sitzt er seit 2013 und ist Sprecher für Atomausstieg. Seine Themen passen zu seiner münsterländischen Heimat, wo das Atommüll-Zwischenlager Ahaus und die Urananreicherungsanlage Gronau stehen. Früher war er links bei den Grünen. Heute ist er links bei den Linken im ohnehin linken NRW-Landesverband. Er gehört der kleinen trotzkistischen Gruppe "Marx21" an, in der unverdrossen von "Kapitalistenklasse" und "Arbeiterklasse" die Rede ist und konstatiert wird, Kapitalismus könne nicht durch Parlamentsabstimmungen überwunden werden. "Ich fühle mich sehr gut aufgehoben bei den Linken", sagt Zdebel. Er will auch dem nächsten Bundestag angehören. Kürzlich wurde er von der Basis als Direktkandidat für den Wahlkreis Münster nominiert, er hofft auf einen sicheren Landeslistenplatz. Was bleibt Hubertus Zdebel als Hobbys? Schachspielen, Musikhören und die Katze daheim.