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Parlamentarisches Profil : Der Menschenrechtler: Frank Schwabe

22.02.2016
2023-08-30T12:29:56.7200Z
3 Min

Frank Schwabe empfiehlt in der Flüchtlingsfrage einen Blick in die Zukunft: "Historiker werden in zehn oder 20 Jahren einmal bewerten: Wie ist Europa damals damit umgegangen?", sagt der SPD-Fraktionssprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. "Waren es die Maßstäbe der Humanität oder hat man neue Zäune auf dem Kontinent aufgebaut?" Der Abgeordnete aus Castrop-Rauxel stemmt sich vehement gegen "neue Zäune", weil sie dem Europagedanken widersprächen. Er ist fest davon überzeugt, dass die von der Koalition angepeilte deutliche Reduzierung der Flüchtlingszahlen in Deutschland auch ohne Schlagbäume zustande komme.

Wie soll das möglich sein? Schwabe verweist unter anderem auf die jetzt erfolgten Milliardenzusagen der Londoner Geberkonferenz für syrische Flüchtlinge im Nahen Osten, die viele in den Lagern zum Bleiben veranlassen würden. Der SPD-Abgeordnete plädiert für eine Kontingentlösung bei der Verteilung der Flüchtlinge in Europa, um so die gefährliche Reise der Asylbewerber über das Mittelmeer zu beenden. Dabei solle Deutschland erneut das Gros schultern. "300.000 Flüchtlinge statt eine Million wie im Vorjahr, das wäre eine vernünftige Lösung und ein geordnetes, gesichertes Verfahren."

Schwabe verhehlt nicht, dass er vom neuen Asylpaket II, das vergangene Woche im Bundestag eingebracht wurde, nur mäßig begeistert ist. Vor allem die Vereinbarung, dass Flüchtlinge mit minderem Schutz frühestens nach zwei Jahren ihre Familien nachholen dürften, gefällt ihm nicht, weil so Integration behindert werde. Dass darin auch die unbegleiteten Minderjährigen einbezogen seien, sei ein Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Zum Koalitionskompromiss, dass in Härtefällen anders entschieden werden könne, sagt der 45-Jährige: "Besser wäre es umgekehrt: Es sollte eine generelle Erlaubnis geben, dass jugendliche Flüchtlinge ihre Familie nachholen können, von der in begründeten Einzelfällen abgewichen werden kann."

Probleme hat Schwabe auch mit der geplanten Klassifizierung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten. Darin erkennt er "ein bisschen Aktionismus". Bei Balkanländern wie Kosovo oder Albanien, wo es Anfang 2015 einen erheblichen Zustrom nach Deutschland gab, habe weniger deren Einstufung als sichere Länder die Asylzahlen deutlich nach unten gedrückt, sondern vielmehr eine Kampagne der Bundesregierung vor Ort.

Der Menschenrechtsexperte hat in diesen Monaten keinen einfachen Stand in der SPD, wo die Partei unter dem Druck der großen Flüchtlingszahlen und mieser Umfragewerte den Weg von Verschärfungen des Asylrechts mitgeht. "Umfragen interessieren mich weniger", sagt Schwabe. "Mir geht es um vernünftige Politik. In die Zuwanderung muss Ordnung gebracht werden, aber ohne untaugliche, populistische, europa- und menschenrechtsfeindliche Maßnahmen." Er mahnt, die Wahrung der Menschenrechte nicht aus dem Blick zu verlieren. "Viele internationale Verträge wie die Genfer Flüchtlingskonvention sind in Jahrzehnten und nach schrecklichen Kriegen für schwierige Zeiten entwickelt worden. Sie dürfen jetzt, wo wir erneut schwierige Zeiten haben, nicht ignoriert werden." Frank Schwabe vergleicht die Herausforderungen der Flüchtlingswelle mit der deutschen Vereinigung und sieht sie als "neue kleine deutsche Einheit". Hier dürfe Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht mehr auf die "Schwarze Null" schauen. Es gehe um den "Zusammenhalt in dieser Gesellschaft". Der sei ohne Milliardeninvestitionen in Bau, Bildung oder für die Polizei nicht zu schultern. "Die neuangekommenen Armen dürfen nicht gegen Arme hierzulande ausgespielt werden", sagt Schwabe, der der Parlamentarischen Linken der SPD-Fraktion angehört.

Der gebürtige Waltroper lebt zeit seines Lebens im Ruhrgebiet und spricht leichten Dialekt. Nach dem Studium der Volkswirtschaft, Geschichte, Politik und Soziologie lebt er seit 2000 von der Politik - zuerst als Mitarbeiter von SPD-Bundestags- und Europaabgeordneten, seit 2005 als Bundestagsabgeordneter selbst. Er sitzt im Menschenrechts- und Umweltausschuss. Dreimal hat er den Wahlkreis Recklinghausen I für die Sozialdemokraten direkt geholt, auch 2017 will er wieder antreten. Hobby des verheirateten Vaters von zwei kleinen Kindern ist Schalke 04. Allerdings konnte der Dauerkartenbesitzer erst einem Spiel in dieser Saison bewohnen.