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ASYL : Flüchtlinge im Gesetzeswald

Mit zahlreichen Neuregelungen will der Staat dem massenhaften Zuzug von Migranten begegnen. Ein Überblick

22.02.2016
2023-08-30T12:29:56.7200Z
6 Min

Das ging schnell: Das neue Jahr war noch keine zwei Wochen alt, als Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) am 12. Januar ihren jüngsten Vorschlag zur erleichterten Ausweisung krimineller Ausländer vorstellten; sie reagierten damit auf die massenhaften Übergriffe mutmaßlich vor allem junger Migranten auf Frauen in der Silvesternacht. Über den entsprechenden Gesetzentwurf (18/7537) hat der Bundestag vergangene Woche erstmals beraten, zusammen mit dem schwarz-roten "Asylpaket II" (siehe Seite 1). Auf letzteres hatten sich die Koalitionsspitzen im Kern bereits im November 2015 verständigt, doch blieben Einzelfragen innerhalb des Regierungsbündnisses noch umstritten. Nun sollen beide Vorlagen noch in dieser Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.

Das "Asylpaket II" (18/7538) sieht für bestimmte Asylbewerber - etwa Antragstellern aus sicheren Herkunftsländern - ein beschleunigtes Verfahren von maximal drei Wochen vor. Sie sollen in besonderen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden können und während des Verfahrens sowie gegebenenfalls bis zur Ausreise oder Abschiebung den Bezirk der entsprechenden Ausländerbehörde nicht verlassen dürfen. Ferner soll der Familiennachzug für Antragsteller mit subsidiärem Schutz für zwei Jahre ausgesetzt werden. Dies gilt auch für unbegleitete Minderjährige, bei denen es in Härtefällen aber Ausnahmen geben können soll. Auch will die Koalition "Abschiebungshindernissen aus vermeintlich gesundheitlichen Gründen" abbauen. Einer Abschiebung entgegenstehen sollen danach "grundsätzlich nur lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen", wenn diese sich sonst wesentlich verschlechtern würden. Zudem muss eine ärztliche Bescheinigung nach dem Willen der Koalition künftig bestimmte Kriterien erfüllen, um eine Erkrankung glaubhaft zu machen.

Zusammen mit diesem "Gesetzentwurf zur Einführung beschleunigter Asylverfahren" hat die Bundesregierung Anfang Februar einen weiteren Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden sollen. Damit sollen Asylbewerber aus diesen Ländern schneller wieder zurückgeschickt werden können.

Spürbar gesenkt werden sollen die Hürden zur Ausweisung straffälliger Ausländer. So soll das Interesse des Staates an einer Ausweisung künftig bereits dann schwer wiegen, wenn ein Ausländer wegen vorsätzlichen Straftaten "gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum" oder wegen Widerstand gegen Polizisten zu einer Freiheitsstrafe - auch auf Bewährung - verurteilt wird. Beträgt die Freiheitsstrafe - unabhängig ob zur Bewährung ausgesetzt oder nicht - mindestens ein Jahr, soll das Ausweisungsinteresse als "besonders schwerwiegend" gewichtet werden. Asylsuchende sollen bei einer solchen Verurteilung zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe konsequenter von der Rechtsstellung als anerkannter Flüchtling ausgeschlossen werden können, weil sie wegen der begangenen Delikte eine "Gefahr für die Allgemeinheit bedeuten".

Dabei hat Deutschland gerade erst die Regelungen zur Ausweisung krimineller Ausländer verschärft: Zum 1. Januar sind nämlich neue Ausweisungsregelungen in Kraft getreten, die der Bundestag Anfang Juli 2015 beschlossen hatte. Auf Bitten des Bundesrates trat die Verschärfung aber erst mit dem Jahreswechsel in Kraft, um den Ausländerbehörden Zeit zu verschaffen, die Umsetzung der neuen Regelungen vorzubereiten. Nun also, kaum dass sie tatsächlich gelten, folgen die nächsten Verschärfungen.

Sie stehen beispielhaft für die zahlreichen Neuregelungen, mit denen der Bundestag der anhaltenden Flüchtlingskrise zu begegnen sucht. Immerhin hatte die Zahl der Asylanträge im Jahr 2014 erstmals seit 1993 mehr als 200.000 betragen und 2015 mit fast 477.000 einen neuen Höchststand erreicht. Und allein im Januar dieses Jahres kamen 52.100 weitere Asylanträge hinzu. Dabei lag die Zahl der tatsächlichen Einreisen noch deutlich höher, da etliche Flüchtlinge ihre Asylanträge erst mit Verzögerung stellen können, während für andere Deutschland nur eine Zwischenstation darstellt. So sind im sogenannten Easy-System zur Erstverteilung der Asylsuchenden auf die Bundesländer, im vergangenen Jahr bundesweit etwa 1,1 Millionen Zugänge registriert worden - Fehl- und Doppelerfassungen nicht ausgeschlossen. Eine enorme Herausforderung auch für den Gesetzgeber, der sie mit immer neuen Maßnahmenpaketen zu bewältigen sucht. Ein Überblick über wesentliche Gesetzesänderungen im Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht dieser Wahlperiode:

Am 6. November 2014 trat das neue "Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer" (18/1528, 18/1954) in Kraft. Damit wurden Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sicherere Herkunftsstaaten eingestuft, womit Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern als "offensichtlich unbegründet" schneller abgelehnt werden können. Zugleich wurde die Wartefrist, nach der Asylbewerbern und geduldete Ausländer eine Beschäftigung grundsätzlich erlaubt werden kann, von neun beziehungsweise zwölf auf drei Monate verkürzt.

Am 2. Dezember 2014 kam es - vor allem mit Blick auf Zuzüge aus Rumänien und Bulgarien - zur Verschärfung des Freizügigkeitsrechts für Bürger der Europäischen Union (18/2581.18/3004), mit der unter anderem ein befristetes Wiedereinreiseverbot bei Rechtsmissbrauch oder Betrug eingeführt wurde. Seit Anfang 2015 gilt das "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern" (18/3144, 18/3160). Damit wurde die Residenzpflicht für Asylbewerber und Geduldete grundsätzlich auf drei Monate nach der Einreise befristet. Zum 1. März 2015 wurde zudem der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bis dahin allgemein geltende Vorrang des Sachleistungsprinzips für die Zeit nach der Erstaufnahme zugunsten von Geldleistungen abgeschafft.

Am 1. August 2015 folgte dann das "Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung" (18/4097, 18/5420), mit dem eine alters- und stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung geschaffen wurde, um durch die Erteilung eines gesicherten Aufenthaltsstatus "nachhaltige Integrationsleistungen" zu honorieren, die ein geduldeter Ausländer auch ohne rechtmäßigen Aufenthalt erbracht hat. Ebenso wurde die Bleibeperspektive für gut integrierte jugendliche und heranwachsende Ausländer ohne sicheren Aufenthaltsstatus verbessert. Andererseits zielt das Gesetz darauf, dass nicht schutzbedürftige Ausländer schneller als bisher in ihre Heimatländer zurückkehren und die Ausreisepflicht wirkungsvoller durchgesetzt wird.

Die in dem Gesetz enthaltenen neuen Ausweisungsregeln traten wie erwähnt Anfang dieses Jahres in Kraft. Danach sieht der Staat ein besonders schwerwiegendes Interesse an der Ausweisung, wenn ein Ausländer beispielsweise wegen vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wird - zuvor hatte das Aufenthaltsgesetz dafür eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren vorgesehen.

Seit dem 24. Oktober 2015 sind auch die wesentlichen Bestimmungen des "Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes" (18/6185, 18/6386) in Kraft. Damit sollten die Asylverfahren beschleunigt, die Rückführungen vollziehbar Ausreisepflichtiger vereinfacht und "Fehlanreize, die zu einem weiteren Anstieg ungerechtfertigter Asylanträge führen können, beseitigt" werden. Um die Unterbringung der Flüchtlinge gewährleisten zu können, kann für einen befristeten Zeitraum von geltenden Regelungen und Standards abgewichen werden. Weitere Maßnahmen zielen auf eine verbesserte Integration der Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive in Deutschland. Nunmehr wurden auch Albanien, Kosovo und Montenegro als "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft. Zugleich wurde für Angehörige der Westbalkan-Staaten die Möglichkeit zur legalen Migration zur Arbeitsaufnahme in der Bundesrepublik Deutschland erweitert. Asylbewerber können zudem verpflichtet werden, bis zu sechs Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben, solche aus sicheren Herkunftsstaaten bis zum Abschluss ihres Verfahrens. Auch sollen in Erstaufnahmeeinrichtungen Bargeldleistungen so weit wie möglich durch Sachleistungen ersetzt werden. Zur Durchsetzung von Ausreisepflichten darf künftig nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Termin der Abschiebung nicht angekündigt werden, um die Gefahr des Untertauchens zu verringern. Die Höchstdauer der Aussetzung von Abschiebungen durch die Bundesländer wurde von sechs auf drei Monate reduziert. Die Integrationskurse wurden für Asylbewerber sowie Geduldete mit guter Bleibeperspektive geöffnet. Das Leiharbeitsverbot für Asylbewerber sowie Geduldete entfällt nach drei Monaten, wenn es sich um Fachkräfte handelt. Für geringer qualifizierte Kräfte ist der Zugang zur Leiharbeit erst nach 15 Monaten möglich.

Seit dem 5. Februar 2016 gilt in seinen meisten Bestimmungen das "Datenaustauschverbesserungsgesetz" (18/7043, 18/7258). Es beinhaltet unter anderem die Einführung eines einheitlichen, fälschungssicheren "Ankunftsnachweises" für Asylbewerber und Flüchtlinge. Er soll von den zuständigen Aufnahmeeinrichtungen und den Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ausgestellt werden und grundsätzlich Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen und die Stellung eines Asylantrages sein. Die Erfassung und Speicherung der Daten des Flüchtlings - zu denen neben "Grundpersonalien" wie Namen, Geburtsdatum und -ort unter anderem auch die bei der erkennungsdienstlichen Behandlung erhobenen Fingerabdruckdaten sowie Informationen zu Gesundheitsuntersuchungen, Impfungen und Qualifikationen gehören - sollen bereits beim ersten Kontakt mit einer zuständigen Behörde in Deutschland erfolgen und allen betroffenen Stellen elektronisch zur Verfügung gestellt werden.