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innen/Justiz : Die Fußfessel im Für und Wider der Experten

Neue Anwendungsbereiche der "elektronischen Aufenthaltsüberwachung" sorgen bei Sachverständigen-Anhörungen für Kontroversen

27.03.2017
2023-08-30T12:32:18.7200Z
3 Min

Erweiterte Möglichkeiten zum Einsatz der "elektronischen Fußfessel" sehen mehrere Gesetzentwürfe der Regierungskoalition vor, über die derzeit der Bundestag berät. Handelt es sich dabei zum einen um die "elektronische Aufenthaltsüberwachung" ausreisepflichtiger Ausländer, von denen eine "erhebliche Gefahr für Leib und Leben" oder die innere Sicherheit ausgeht (siehe Seite 1 bis 3), beschäftigte sich der Innenausschuss in der vergangenen Woche in einer Sachverständigen-Anhörung mit Gesetzentwürfen zur "Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes" (18/11163, 18/11326), die unter anderem die Einführung der elektronischen Fußfessel für nicht verurteilte "Gefährder" vorsehen. In einer weiteren Anhörung des Rechtsausschusses ging es derweil um Pläne, die Fußfessel vermehrt bei Haftentlassenen einzusetzen, denen terroristische Taten zugetraut werden.

Dabei stießen die entsprechenden Gesetzesvorlagen (18/11162, 18/11584) bei den geladenen Experten im Rechtsausschuss auf ein gemischtes Echo. Karl Greven vom hessischen Justizministerium wertete den Einsatz der Fußfesseln als Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, der gerechtfertigt sei, wenn eine erhebliche Gefährdung potenzieller Opfer bestehe. Der Münchener Richter Andreas Maltry begrüßte "die maßvolle Ausweitung" angesichts der derzeitigen terroristischen Bedrohung. Barbara Stockinger, Präsidiumsmitglied des Deutschen Richterbundes, hob hervor, dass die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes der Fußfessel immer vom Richter geprüft werden müsse. Es sei gut, dass die Richter ein weiteres Instrument in die Hand bekämen, um "auf solche Täter zu reagieren".

Jörg Kinzig, Direktor des Kriminologischen Instituts der Universität Tübingen, sah dagegen keinen Sicherheitsgewinn, der die Nachteile aufwiege. Die Überwachung von Verbotszonen, bei deren Betreten Alarm ausgelöst wird, bringe wenig, da ein entschlossener Terrorist leicht auf andere Ziele ausweichen könne. Stefan König, Mitglied im Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, warnte, es werde unterschätzt, wie tief das Tragen einer Fußfessel in die Persönlichkeitsrechte eingreift. Der Bremer Strafverteidiger Helmut Pollähne kritisierte, schon bei der Einführung der Fußfessel vor sechs Jahren sei vor einem Dammbruch gewarnt worden, und der geschehe mit diesem Gesetzvorhaben. Für und Wider äußerte der Rostocker Richter Dirk Manzewski. Bei einem Teil der extremistischen Täter könne das Instrument helfen, urteilte er, aber man solle "bei den hier genannten Tätergruppen nicht zu hohe Erwartungen an die Wirksamkeit stellen".

Bei der Anhörung des Innenausschusses sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, mit Blick auf die Regelung zur Fußfessel, für sein Haus beschränke sich diese Befugnis auf Ausnahmefälle. Er mahnte, das "Risiko eines Informationsverlustes" in Form der Unkenntnis über den Aufenthalt eines Gefährders dürfe man nicht eingehen. Der Bayreuther Rechtswissenschaftler Markus Möstl verwies darauf, dass es sich bei der elektronischen Aufenthaltsüberwachung nicht "um reine Ermittlungseingriffe, sondern um aktionelle Anordnungen" handle, mit denen die "Gefahrentstehung unterbunden werden soll". Sein Würzburger Kollege Kyrill-Alexander Schwarz sagte, man könne überlegen, ob man "in einem verhältnismäßig ausgestalteten System präventiver Maßnahmen nicht noch auf weitergehende Maßnahmen zurückgreifen könnte". So wäre der Entwurf zur Änderung bayerischer Sicherheitsgesetze, der von einem "Präventivgewahrsam" ausgehe, "eine deutlich weitgehendere Maßnahme" als die Fußfessel, argumentierte Schwarz. Der Bonner Rechtswissenschaftler Klaus Ferdinand Gärditz betonte, die vorgesehenen Regelungen zur elektronischen Fußfessel genügten den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit.

Der Berliner Richter Ulf Buermeyer kritisierte demgegenüber, dass der "Terrorismusteil" des Gesetzentwurfes keine Abwägung "zwischen Freiheit und Sicherheit" leiste. Statt sich "in der Mitte einer vorgegebenen Fahrspur möglicher Grundrechtseingriffe" zu bewegen, schramme der Gesetzgeber "konsequent an der rechten Leitplanke entlang". Dies sei zwar in weiten Teilen verfassungsgemäß, aber eine "sehr eindeutige Priorisierung" der Interessen des BKA.