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ASYL : Ringen um den Rechtsstaat

Die Regierungspläne zur Verschärfung des Ausreiserechts sorgen für Streit im Bundestag

27.03.2017
2023-08-30T12:32:18.7200Z
4 Min

In einem Punkt immerhin schien Konsens zwischen der Koalition und zumindest Teilen der Opposition aufzukommen, als der Bundestag vergangene Woche in erster Lesung über den Regierungsentwurf eines "Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" (18/11546) debattierte: Deutschlands Offenheit "gilt nicht für diejenigen, die unsere Offenheit frontal angreifen", betonte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). "Ja, wir wollen jeden Gefährder loswerden", sagte der Grünen-Abgeordnete Volker Beck. Bekannte sich der Minister zu einem "Ja zu guter Integration der Schutzbedürftigen und Ja zur Rückkehr der nicht Schutzbedürftigen", versicherte Beck, man sei sich einig, dass die Bundesrepublik verlassen müsse, wer "keinen Grund zum Bleiben hat".

Viel weiter aber reichte die Einigkeit nicht. Dissens bestehe, wo Dinge "an der Verfassungsmäßigkeit vorbeischrammen" oder man über "rein symbolische Rechtspolitik" rede, formulierte Beck seine Kritik an dem Gesetzentwurf. Redner der Koalition dagegen verteidigten das Paragraphenwerk entschieden, nicht zuletzt unter Verweis auf rechtsstaatliche Notwendigkeiten. Sorge um den Rechtsstaat machten indes auch Die Linke und die Grünen bei ihrer Ablehnung des Entwurfes geltend.

Den Plänen zufolge sollen ausreisepflichtige "Gefährder" künftig leichter in Abschiebehaft genommen werden können. Ferner sind unter anderem Neuregelungen zur Identitätsfeststellung bei Flüchtlingen und zur sogenannten Residenzpflicht vorgesehen (siehe Beitrag unten).

Mehr Ausreisen De Maizière verwies darauf, dass mit der Gesetzesvorlage auch Konsequenzen für das Aufenthaltsrecht aus dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz vom 19. Dezember vergangenen Jahres gezogen würden. Er mahnte zugleich, dass aufenthaltsrechtliche Regelungen sinnlos seien, wenn sie am Ende keine Folgen hätten. Zwar steige die Zahl der Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen. So hätten 2016 rund 55.000 abgelehnte Asylbewerber Deutschland freiwillig verlassen, während mehr als 25.000 abgeschoben worden seien. "Das ist gut", betonte der Ressortchef und fügte hinzu: "Wir wollen diese Entwicklung aber noch besser machen." Dabei fuße der Gesetzentwurf auf drei Säulen, sagte der Minister: "Erstens Identität besser feststellen. Zweitens Abschiebungen effektiver durchsetzen. Und drittens gefährliche Ausreisepflichtige besser überwachen."

Der SPD-Parlamentarier Lars Castellucci unterstrich, dass der Rechtsstaat nicht funktioniere, wenn Menschen, die nicht in Deutschland bleiben dürften, trotzdem hier bleiben. Sorge man hier nicht für klare Verhältnisse, werde der Rechtsstaat in Gefahr gebracht. Deswegen müsse man "Ausreisen durchsetzen, wenn die Pflicht dazu besteht". Wer dies nicht wolle, könne "auch gleich das Asylrecht mit abschaffen", unterstrich der Sozialdemokrat. Er kämpfe für das Asylrecht, "und deswegen gehören Abschiebungen dazu".

Ähnlich argumentierte für die Union der CDU-Abgeordnete Stephan Harbarth (CDU). Er wertete die Vorlage als wichtigen Entwurf zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Schutzes vor islamistischen Anschlägen sowie der "Ausreisepraxis bei denen, die in Deutschland keinen Schutzstatus haben". Allein mit der Pflicht zur freiwilligen Ausreise werde man nicht weiterkommen. Vielmehr müsse man die Ausreisepflicht auch mit Zwang durchsetzen. "Wenn wir es hinnehmen, dass geltendes Recht breitflächig nicht vollzogen wird, dann werden wir das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat untergraben", warnte Harbarth. Wer ein Bleiberecht habe, dürfe "auf Zeit bleiben", wer kein Bleiberecht habe, müsse zeitnah in seine Heimat zurückkehren. Damit schaffe man "kein feindseliges Klima gegen Migranten", sondern die Voraussetzung dafür, "dass die gesellschaftliche Akzeptanz für diejenigen erhalten bleibt, die tatsächlich Schutz benötigen". Bei den Rückführungen gehe es um ein "ganz klares Signal zur Begrenzung von Zuwanderung".

Für Die Linke kritisierte Petra Pau, der Gesetzentwurf bediene eine allgemeine Abschiebestimmung und befördere damit eine feindliche Stimmung gegenüber den Schutzsuchenden. Die aktuelle Herausforderung laute aber "Schutzgewährung und Integration" und nicht "Ausgrenzung und Abschiebung". Auch würden mit der Vorlage Tore dazu geöffnet, "um mehr abgelehnte Asylbewerber als bislang ihrer Freiheit zu berauben und sie länger in Abschiebehaft zu nehmen", monierte die Linken-Abgeordnete. Als Gründe würden "rechtlich unbestimmte Begriffe wie ,Gefährder' bemüht". Der Gesetzentwurf vermische in unzulässiger Weise straf- sowie polizei- und ordnungsrechtliche mit aufenthaltsrechtlichen Aspekten. Auch folgten die vorgesehenen Regelungen "einem Generalverdacht gegenüber Geflüchteten". Dies halte sie "für nicht rechtsstaatlich und für würdelos".

»Keine Präventivhaft« Beck hob hervor, dass Abschiebehaft nur zulässig sei, wenn sie unmittelbar der Durchführung einer Abschiebung dient. "Es ist eben keine Strafhaft, und es gibt auch keine Präventivhaft im deutschen Recht", unterstrich der Grünen-Parlamentarier. Auch sei schwer zu definieren, wer ein Gefährder sei, "und am Ende ist es eine Prognose in die Zukunft". Deshalb sei man "in den rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten beschränkt, solange diese Leute keine konkreten Straftaten begangen haben, sondern wir nur ihnen das zutrauen".