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Parlamentarisches Profil : Der Hobbymusiker: Norbert Spinrath

03.04.2017
2023-08-30T12:32:19.7200Z
3 Min

Für Norbert Spinrath gilt beim Brexit immer noch das Prinzip Hoffnung. Der europapolitische Sprecher und Obmann der SPD-Fraktion im Europaausschuss setzt auf ein zweites Referendum in Großbritannien, wenn der Austrittsvertrag mit der EU vorliegt. Spinrath: "Die Briten sind sich bisher noch nicht im Klaren, auch die Regierung May lässt sie im Unklaren darüber, wie schwerwiegend die Folgen für Großbritannien sein werden." Für den Staat, die Demokratie, die Wirtschaft, die Bevölkerung in der Alltagssituation, die Jobs, den Bankenplatz London. "Es wird gravierende Einschnitte geben, das Leben wird sich verändern, und die Menschen werden dies wirtschaftlich stark spüren", sagt der Abgeordnete. Viele Briten hätten 2016 "in Unkenntnis und teils unter Lug und Trug" für den EU-Austritt gestimmt. Die Chance, den Brexit zu stoppen, wachse angesichts der Verunsicherung in Großbritannien mit jeder Woche, das spürt Norbert Spinrath aus Gesprächen mit Politikern, Medienleuten, aber auch einfachen Bürgern.

Jetzt geht es aber um die für zwei Jahre geplanten Verhandlungen zwischen London und Brüssel, nachdem die Regierung May den Austrittsbrief bei der EU abgegeben hat. "Ich bin hier für ein klare Linie", sagt der Sozialdemokrat vom Niederrhein. "Kein Mitglied, das die Familie verlässt, darf am Ende bessergestellt sein als die, die zurückbleiben." Es geht um finanzielle Verpflichtungen, Handelsfreiheiten, Personenmobilität. Bei einem "weichen Brexit" sieht Spinrath den "Zusammenhalt der EU in Gefahr", weil auch andere EU-Mitglieder auf Sonderbedingungen, wenn nicht gar auf einen versüßten EU-Austritt spekulieren könnten.

Für den 59-Jährigen sind die vier Grundfreiheiten der EU - der freie Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr - nicht verhandelbar, wenn ein Land in der EU bleiben will. Vor allem um die Freizügigkeit der EU-Bürger und die Sozialleistungen für sie wurde bei der Brexit-Kampagne sehr gestritten. "Man kann nicht in der EU bleiben ohne Freizügigkeit der Menschen", sagt Spinrath. Er ist enttäuscht über die Haltung auf der Insel. Nach dem Beitritt der Osteuropäer gab es britische Busse in Polen oder Tschechien, die um Arbeitnehmer geworden haben. Jetzt, wo die Arbeitsplätze teils weggefallen seien oder es um Integration gehe, wolle man sie wieder loswerden.

Angesichts der vielen Differenzen wie über die 60-Milliarden-Forderung der EU oder die Handelsfreiheit wird auch über einen "schmutzigen Brexit" spekuliert, ein abruptes Londoner Verlassen der EU ohne Verträge, wie es der britische Außenminister Boris Johnson ins Spiel gebracht hat. Das hält Spinrath für ausgeschlossen. "Das würde den Ruf Großbritanniens als ehrbarer Kaufmann auf der ganzen Welt schädigen. Keiner würde mehr ins Geschäft kommen wollen mit solch einem Land."

Was bedeutet ein Brexit für Berlin? Wirtschaftlich werde es Schwierigkeiten geben, weil die Briten ein wichtiger Handelspartner für Deutschland seien. Am meisten träfe dies aber London, weil nach einem Verlassen der EU die Ausgleichsmechanismen wegfallen würden. Für Deutschland gebe es auch Vorteile, weil die Briten als Bremser bei der Verteidigungs-, Sicherheits- oder Sozialpolitik wegfielen. Und was ist mit dem Ende der Balance der EU-Schwergewichte England, Frankreich und Deutschland? Spinrath: "Hier müssen wir einen Spagat finden. Deutschland wird mehr Verantwortung übernehmen müssen, ohne wie ein Vormund zu wirken." Angesichts seines wirtschaftlichen Gewichts könne sich Berlin aber "nicht weiter wegducken".

Mit Europapolitik war Spinrath auch vor seinem Bundestagseinzug 2013 beschäftigt, so Anfang der 2000er Jahre bei der NRW-Landesvertretung in Brüssel oder nach 2010 in der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei. Eigentlich ist Spinrath aber Polizist, und zwar von der Pike auf. Er stieg vom einfachen Streifenpolizisten bis zum Hauptkommissar auf und absolvierte ein Fachhochschulstudium mit Abschluss Diplom-Verwaltungswirt. Schnell machte Spinrath auch in der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Karriere. Bundesweit bekannt wurde er als GdP-Bundeschef 1998 bis 2001. Auf Listenplatz 23 der SPD-Landesliste NRW hat er wieder gute Chancen, auch 2017 in den Bundestag einzurücken.

Welche Hobbys bleiben dem zweifachen Familienvater und gebürtigen Rheydter mit starken niederrheinischen Akzent und Wohnort Geilenkirchen? Vor allem Musizieren am Keyboard und mit dem Saxofon. Er komponiert auch und hat schon ein "fertiges Musical im Kopf". Nach der Politik will er es fertigstellen.