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FRankreich : Politische Zwangsehe

Wird Emmanuel Macron Präsident, könnte ihm die Mehrheit im Parlament fehlen

02.05.2017
2023-08-30T12:32:20.7200Z
3 Min

Kandidaten in blau, Schrift in weiß: Die Wahlplakate, mit denen Emmanuel Macron und Marine Le Pen in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen gehen, sehen sich auf den ersten Blick ziemlich ähnlich. Doch die Slogans machen den Unterschied zwischen dem sozialliberalen Ex-Wirtschaftsminister und der Chefin des Front National. "Frankreich gemeinsam" für Macron, "Frankreich wählen" für Le Pen. Offenheit gegen Abschottung lautet also die Entscheidung, die die 47 Millionen wahlberechtigten Franzosen in der Stichwahl am 7. Mai treffen müssen.

Die erste Runde am 23. April hatte der europafreundliche Macron mit 24,0 zu 21,3 Prozent gegen Le Pen gewonnen, die Frankreich aus der EU führen will. Der durch eine Affäre um die Scheinbeschäftigung seiner Frau belastete konservative Kandidat François Fillon kam mit 20 Prozent auf den dritten Platz, dicht gefolgt von dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon. Auch wenn ihr der lange in Umfragen vorhergesagte Sieg verwehrt blieb, erreichte Le Pen mit 7,6 Millionen Stimmen ihr bisher bestes Ergebnis. "Dieses Ereignis müsste uns über den Zustand unserer Demokratie in Alarm versetzen und gleichzeitig wie 2002 einen unerbittlichen Widerstand erzeugen", forderte die Zeitung "Le Monde". Als damals Le Pens Vater Jean-Marie überraschend in die Stichwahl gegen den konservativen Amtsinhaber Jacques Chirac gekommen war, gingen Hunderttausende gegen den Rechtsextremisten auf die Straße. Le Pen verlor deutlich mit 18 zu 82 Prozent gegen Chirac.

Ein solches Resultat ist in diesem Jahr nicht zu erwarten. Umfragen sagen Macron ein Ergebnis von rund 60 Prozent voraus. Am Wahlsonntag feierte der Kandidat, als habe er den Sieg bereits in der Tasche. "Man sollte mobilisiert bleiben und nicht denken, dass alles schon erreicht ist", mahnte deshalb der sozialistische Amtsinhaber François Hollande. Der scheidende Staatschef, der angesichts katastrophaler Umfrageergebnisse nicht wieder antrat, hatte gleich am Tag nach dem ersten Wahlgang zum Votum für seinen früheren Wirtschaftsminister aufgerufen. Die sozialistische Partei, die mit ihrem Kandidaten Benoît Hamon nur auf blamable 6,3 Prozent gekommen war, sprach sich ebenfalls für Macron aus. Auf konservativer Seite bekam der 39-Jährige die Unterstützung von Parteigrößen wie Fillon, Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und dem früheren Regierungschef Alain Juppé.

Eine "republikanische Front", wie sie vor 15 Jahren gegen Jean-Marie Le Pen zustande gekommen war, scheiterte aber an der konservativen Parteispitze. Das Politbüro der Republikaner rief lediglich dazu auf, Le Pen zu schlagen, ohne sich auf Macron festzulegen. Die "Republicains" richten ihren Blick schon auf die Parlamentswahlen, die als "dritte Runde" im Juni folgen. Da haben sie nach ihrer Schlappe bei den Präsidentschaftswahlen gute Chancen, stärkste Kraft zu werden. Ex-Minister François Baroin bot sich bereits als Regierungschef an: "Wenn die Franzosen sich für eine konservative Regierung entscheiden, bin ich bereit, Premierminister zu werden", sagte der 51-Jährige im Fernsehen.

Das würde allerdings eine Kohabitation bedeuten, also eine politische Zwangsehe zwischen dem neuen Präsidenten und einer Regierungsmehrheit, die nicht seinem Lager angehört. Macron hofft mit seiner selbst gegründeten Bewegung En Marche auf eine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung. Nach seinem Wahlerfolg werde eine Dynamik einsetzen, die ihm auch den Sieg bei den Parlamentswahlen bringe, versichern seine Anhänger. Doch die Aufgabe ist schwierig, denn seine erst ein Jahr alte politische Bewegung ist längst nicht so stark in den Wahlkreisen verwurzelt wie die früheren Volksparteien. Als Partner boten sich deshalb bereits einige Sozialisten an, die nach ihrer Wahlniederlage auf eine Spaltung zusteuern. "Wir müssen uns an der Regierungsmehrheit beteiligen, die es zu schaffen gilt", forderte der frühere Regierungschef Manuel Valls. Noch lehnt Macron solche Offerten ab, aber der Politologe Thomas Guénolé ist sich sicher, dass der Kandidat spätestens nach der ersten Runde der Parlamentswahl seine Meinung ändern wird. "Er wird ein Regierungsabkommen mit einer anderen großen Partei aushandeln, deren Wirtschaftsprogramm einigermaßen mit seinem zusammen passt", sagte er der Zeitung "Le Figaro". "Dann wird er eine große Mehrheitskoalition in der Nationalversammlung bekommen."

Die Autorin ist freie Korrespondentin in Paris.