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Ortstermin: Die Kunstsammlung des Bundestags : Kunstmanagement unter Schadows Dach

08.05.2017
2023-08-30T12:32:20.7200Z
2 Min

Kunst und Politik, das Thema hat in diesem Raum Tradition. Im November 1816 saß hier im Speisezimmer des Bildhauers Johann Gottfried Schadow ein illustres Trio beisammen. Der Hausherr hatte die Architekten Martin Rabe und Karl Friedrich Schinkel zu Gast, Mitglieder der staatlichen preußischen Denkmalkommission wie er selbst. Aus Anlass des bevorstehenden Reformationsjubiläums trafen sie sich, um ein Luther-Standbild auf dem Marktplatz in Wittenberg zu planen.

Dort wurde im Gedenkjahr 1817 der Grundstein gelegt, der Bronze-Luther jedoch erst vier Jahre später auf den Sockel gehievt. Großprojekte der öffentlichen Hand termingerecht fertigzustellen, "das hat schon damals nicht geklappt", sagt Andreas Kaernbach, einer der heutigen Nutzer des Hauses Schadow-Straße 10, der von hier aus den Kunstbesitz des Parlaments verwaltet. Der promovierte Historiker und Kunsthistoriker ist seit 2000 Kurator der Sammlung und Sekretär des Kunstbeirates, seit 2005 Leiter des Referats "Kunst im Deutschen Bundestag".

Das Parlament als Mäzen war 1968 die Vision des CDU-Politikers und Industriefunktionärs Gustav Stein. Er nahm den Bau des "Langen Eugen", des Abgeordnetenhochhauses in der Bonner Rheinaue, zum Anlass einer Initiative, die dem trostlosen Zustand ein Ende setzen sollte, dass Parlamentarier zur Dekoration ihrer Bonner Büros vorzugsweise auf eigene alte Wahlplakate zurückgriffen.

Eine Artothek, ein Fundus, aus dem sich Abgeordnete auf Zeit bedienen können, um die Räume ihres politischen Wirkens würdig zu verschönern, das ist bis heute die wichtigste Funktion der mittlerweile auf rund 4.000 Objekte angewachsenen Sammlung. Sie besteht überwiegend aus zeitgenössischer Graphik, in geringerem Umfang aus Gemälden und Plastiken.

Zuständig ist Kaernbachs Referat auch für etwa 100 Werke, die unter dem administrativen Sammelbegriff der "Kunst am Bau" das Reichstagsgebäude und umliegende Parlamentsimmobilien zieren. Verborgenes wie Hans Haackes einst heftig umstrittene Installation "Der Bevölkerung" im nördlichen Lichthof des Reichstagsgebäudes (siehe Seite 3). Weithin Sichtbares wie die Kugellampen des Kubaners Jorge Pardo oder Neo Rauchs über mehrere Stockwerke reichende Neonlichtskulpturen, die nachts aus dem Paul-Löbe-Haus über die Spree leuchten.

Nach und nach nahm die parlamentarische Kunstakquise Gestalt an. In den 1970er Jahren gründete Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (SPD) die Kunstkommission, die sich um den Ausbau der Artothek kümmerte. Im Vorfeld des Umzugs nach Berlin bildete sich der Kunstbeirat, um die Ausgestaltung der Bauten an der Spree zu planen. Beide Gremien sind mittlerweile fusioniert, den Vorsitz führt der Bundestagspräsident. "Kunst ist Chefsache", sagt Kaernbach.

Er organisiert Jahr für Jahr fünf oder sechs Ausstellungen, die jeweils einem der in der Sammlung vertretenen Künstler gewidmet sind. Er berät den Kunstbeirat auch bei der mäßigen, aber stetigen Erweiterung des Bestandes, wofür jährlich 275.000 Euro verfügbar sind. Im restaurierten Schadow-Haus, einem magischen Ort der Berliner Klassik, residiert das Kunstreferat seit 2013. Sogar der Dachstuhl aus dem Erbauungsjahr 1805 ist noch vorhanden. Eigentlich ein Wunder in diesem von der Geschichte umgepflügten Stadtteil. Winfried Dolderer