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HORTENSIA VÖLCKERS : »Über Grenzen hinweg«

Die Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes über Aufgaben und Herausforderungen einer zeitgemäßen Kulturförderung

08.05.2017
2023-08-30T12:32:21.7200Z
14 Min

Die Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes über Aufgaben und Herausforderungen einer zeitgemäßen Kulturförderung

Frau Völckers, vor 15 Jahren wurde die Kulturstiftung des Bundes gegründet - parallel zur bereits seit 1987 bestehenden Kulturstiftung der Länder. Hat sich diese Doppelstruktur bewährt? Es gab ja mal Pläne für eine Fusion, die dann aber gescheitert sind.

Die Aufgaben und Zuständigkeiten beider Stiftungen sind recht unterschiedlich. Vielleicht ist das sogar der Grund, warum die Kooperationen, die es ja immer wieder gibt, so erfolgreich sind. Wir machen die da, wo es gut passt. Bisher sind sich die Kulturstiftung des Bundes und die Kulturstiftung der Länder niemals in die Quere gekommen, so dass man eine Fusion gebraucht hätte.

Wo passt die Kooperation gut?

Vor allem bei großen Ausstellungen, zum Beispiel im letzten Jahr bei der großen "Homosexualität_en"-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum oder der Sigmar Polke-Retrospektive im Kölner Museum Ludwig vor zwei Jahren. Aber auch beim jährlichen Kongress "Kinder zum Olymp", in dem es um Themen der kulturellen Bildung geht.

Ist der Kulturföderalismus in Deutschland eher Fluch oder Segen?

Ich glaube, er trägt erheblich zum kulturellen Reichtum in Deutschland bei. Wenn wir das mit anderen Ländern in Europa vergleichen, ist es um die kulturelle Infrastruktur hierzulande gut bestellt. Was nicht heißt, dass nicht auch hier, gerade in den ländlichen Gebieten, einiges wegzubrechen droht und dringend gegengesteuert werden müsste. Als das Amt des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien und kurze Zeit später auch die Kulturstiftung des Bundes gegründet wurde, gab es ja Besorgnisse, der Bund könne da in irgendeiner Weise übergriffig werden. Inzwischen hat sich die Debatte aber komplett beruhigt. Ich glaube, auch wir haben dazu beigetragen, indem wir zeigen konnten, dass von den bundesweiten Programmen alle Bundesländer profitieren konnten. Das Programm "Tanzplan" ist da ein gutes Beispiel. Oder aktuell das Programm für Stadtmuseen in kleineren Städten.

Kann die Kulturstiftung denn entgegensteuern, wenn die kulturelle Infrastruktur in ländlichen Gebieten wegzubrechen droht?

Nicht wirklich. Wir können nur Impulse geben und Akzente setzen, konstruktive Entwicklungen unterstützen und andere von unseren Kenntnissen und Erfahrungen profitieren lassen. Wir fördern beispielsweise "Die neuen Auftraggeber", ein Programm, das vor allem in Frankreich sehr erfolgreich läuft, wo sich in kleineren Gemeinden Menschen zusammentun, um für ihr Dorf einen renommierten Künstler zu engagieren, der ihre gestalterischen Ideen in ganz unterschiedlichen Bereichen umsetzt. Dieses Konzept hat auch in Deutschland Anhänger gefunden, und so fördern wir es. Und mit dem Programm TRAFO unterstützen wir vier ländliche Regionen, die modellhaft ausprobieren wollen, wie sich die kulturelle Infrastruktur verbessern und inwiefern sie sich zu einem Standortvorteil entwickeln lässt. Aber insgesamt gesehen sind das eher homöopathische Eingriffe. So wichtig mir die sind, von Gegensteuern zu sprechen wäre jedoch die totale Selbstüberschätzung. Gegensteuern ist auch nicht unsere Aufgabe.

Viele Kommunen haben angesichts leerer Kassen Schwierigkeiten, ihre kulturelle Infrastruktur zu erhalten. Kann die Kulturstiftung diesen Kommunen Hilfestellung leisten?

Nein, das kann sie definitiv nicht. Natürlich kann eine Kulturstiftung des Bundes, die jährlich 35 Millionen Euro zur Verfügung hat, überregional ausstrahlende Projekte fördern, mit denen sich Kultureinrichtungen in den Kommunen profilieren können. Aber Löcher stopfen wir nicht. Vielleicht können wir auch ein Bewusstsein dafür schaffen, dass für die Erhaltung der kulturellen Infrastruktur gegebenenfalls Kräfte auch ressortübergreifend gebündelt werden müssen. Im Rahmen von TRAFO zum Beispiel zeichnen sich da gute Ergebnisse ab.

Deutschland versteht sich als Kulturnation. Zugleich wird aber auch das europäische Kulturerbe beschworen und Deutschland erlebt seit Jahren eine zunehmende Zuwanderung von Menschen aus völlig anderen Kulturkreisen. Ist das Konzept der deutschen Kulturnation noch tragfähig?

Kulturnation ist Deutschland auf jeden Fall in dem Sinn, dass Kultur mit Mitteln der öffentlichen Hand gefördert wird. Sie ist Gemeingut und dient dem Gemeinwohl. An diesem Konsens erkennt man meines Erachtens eine Kulturnation. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich die Kulturproduktion in vielen Bereichen internationalisiert hat. Künstler arbeiten über Grenzen hinweg, was übrigens gar kein wirklich neues Phänomen ist. Goethe zog es nach Italien, Rilke nach Russland und nach Spanien, die Expressionisten sehnten sich nach der Südsee, um nur mal ein paar Beispiele aus der deutschen Kultur zu nennen. Nur war das damals sehr viel schwieriger als heute. Zum Selbstverständnis als Kulturnation gehört aber auch, dass wir daraus keinen Überlegenheitsanspruch ableiten. Herausragende Künstler, Schriftsteller, Theatermacher, Filmemacher gibt es in jedem Land. Aber welche Förderung wir ihnen angedeihen lassen und welche Freiheit wir ihnen garantieren, da gibt es schon beträchtliche Unterschiede.

Stets wird die Bedeutung der Kultur für die Integration betont. Wie hat die Kulturstiftung auf die massive Zuwanderung von Flüchtlingen in den vergangenen zwei Jahren reagiert?

Natürlich können wir keine Deutschkurse anbieten oder andere Dinge, die erstmal ganz unmittelbar benötigt werden. Wir haben Projekte gefördert, die bei uns beantragt wurden und sich mit der Flüchtlingsthematik auseinandersetzten. Vor allem aber haben wir ein Programm entwickelt, dass die Diversität in den Kultureinrichtungen fördert. Mit dem "360°-Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft" wollen wir erreichen, dass auch diejenigen Positionen in den Kultureinrichtungen vertreten sind, die traditionell dort unterrepräsentiert sind. Dazu gehören nicht zuletzt die der Einwanderer.

In welchen Bereichen müsste sich die Kulturförderung in Deutschland verstärkt dem Thema Migration annehmen?

Wir nennen sie die drei Ps: Personal, Programm, Publikum. Im 360°-Fonds setzen wir besonders darauf, dass sich die Diversifizierung der Leute, die in den Kulturinstitutionen - Museen, Theater, Bibliotheken - arbeiten, auch auf das Programm und das Publikum auswirkt. Wir brauchen Mitarbeiter und nicht zuletzt Führungskräfte, die wissen, wie die Kulturinstitutionen für breitere Gesellschaftsschichten attraktiver werden können. Nur dann werden diese Einrichtungen auch in Zukunft noch ihre gesellschaftliche Bedeutung haben. Wenn wir eine Kulturnation bleiben wollen, sind diese Veränderungsprozesse absolut notwendig.

In der kulturpolitischen Debatte wird mitunter kritisiert, die Kulturförderung habe vor allem die klassische Hochkultur im Auge und vernachlässige die kulturelle Bildung oder die Jugendkulturen. Teilen Sie diese Kritik?

Das sehe ich in der Tat auch so. Aber nicht im Sinne des Ausspielens des einen gegen das andere. Im Gegenteil: Wir brauchen mehr kulturelle Bildung und wir brauchen mehr Vermittlungsanstrengungen, wenn wir Zugang, Teilhabe und nicht zuletzt künstlerische Qualität und gesellschaftliche Relevanz sichern wollen. In den Schulen wird die kulturelle Bildung stiefmütterlich behandelt und in den Kulturinstitutionen haben die Vermittlerinnen und Vermittler immer noch nicht den Stand und die Arbeitsbedingungen, die der Bedeutung und Dringlichkeit ihrer Aufgaben gerecht werden.

Wie sieht das bei der Kulturstiftung aus?

Wir haben zum Beispiel mit den Programmen "Jedem Kind ein Instrument" oder "Kulturagenten für kreative Schulen" recht erfolgreich versucht, in dieser Hinsicht Spuren in die Zukunft zu legen. Es geht tatsächlich darum, Kreativität und vielfältige Kompetenzen zu fördern. Gemeinsames Singen, Spielen, Gestalten, Experimentieren fördern Zusammenhalt, Austausch und Innovation. Eine zukunftsfähige Gesellschaft darf diese Ressourcen, zu denen auch die Vielfalt gehört, nicht brachliegen lassen. Mit dem klassischen Kulturbegriff, sofern er sich auf die Tradierung des Erbes beschränkt, werden wir nicht weit kommen.

Viele Künstler und Kreative arbeiten in prekären Verhältnissen. Wie stehen Sie zu der Forderung, dass die Vergabe von Fördergeldern an die Einhaltung von sozialen Mindeststandards und eine angemessene Vergütung gekoppelt wird?

Das ist eine komplizierte Frage. Im Prinzip kann niemand dagegen etwas haben. Man muss aber bedenken, dass manche Produktionsstätten dann womöglich unter Druck geraten oder sich die freie Szene nicht über Wasser halten kann. In den künstlerischen Szenen ist vieles Verhandlungssache, das hat Vor- und sicher auch Nachteile. Die öffentlich finanzierten Häuser müssen aber unbedingt so ausgestattet werden, dass sie ihr Personal angemessen bezahlen können. Was wir tun können, ist beispielsweise Planungssicherheit über mehrere Jahre geben. Auch das hilft gegen prekäre Arbeitsverhältnisse, die durch kurzfristige Verträge entstehen.

Wie geht die Kulturstiftung konkret mit diesem Thema um?

Wenn bei uns jemand einen Antrag auf Projektförderung stellt, können wir natürlich nicht in die Tarifstruktur der Häuser eingreifen, wir haben keinen Einfluss darauf, wie sie ihr Personal bezahlen und finanzieren. Bei unseren eigenen Programmen achten wir natürlich darauf, dass sie gut ausgestattet sind und alle rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Bemängelt wird auch eine Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen im Kulturbetrieb. Auch in Museen würden seltener die Werke von Frauen ausgestellt. Glauben Sie, dass eine Quotierung bei der Vergabe von Fördermitteln einen Ausweg bietet?

Quotierung ist sicher nicht die schönste Art, Gerechtigkeit herzustellen. So allgemein lässt sich die Frage aber schlecht beantworten, weil man die Grundlage für Quotierung sehr spezifisch diskutieren muss. Grundsätzlich zu fordern, dass in allen Museen exakt 50 Prozent der Werke von Frauen stammen müssen, weil sie die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen, scheint mir wenig sinnvoll. Aber man könnte natürlich überlegen, ob nicht zum Beispiel Einzelausstellungen in Museen oder Kunstvereinen gleichberechtigt Männern und Frauen gewidmet sein sollten.

Das Interview führte

Alexander Weinlein.

Frau Völckers, vor 15 Jahren wurde die Kulturstiftung des Bundes gegründet - parallel zur bereits seit 1987 bestehenden Kulturstiftung der Länder. Hat sich diese Doppelstruktur bewährt? Es gab ja mal Pläne für eine Fusion, die dann aber gescheitert sind.

Die Aufgaben und Zuständigkeiten beider Stiftungen sind recht unterschiedlich. Vielleicht ist das sogar der Grund, warum die Kooperationen, die es ja immer wieder gibt, so erfolgreich sind. Wir machen die da, wo es gut passt. Bisher sind sich die Kulturstiftung des Bundes und die Kulturstiftung der Länder niemals in die Quere gekommen, so dass man eine Fusion gebraucht hätte.

Wo passt die Kooperation gut?

Vor allem bei großen Ausstellungen, zum Beispiel im letzten Jahr bei der großen "Homosexualität_en"-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum oder der Sigmar Polke-Retrospektive im Kölner Museum Ludwig vor zwei Jahren. Aber auch beim jährlichen Kongress "Kinder zum Olymp", in dem es um Themen der kulturellen Bildung geht.

Ist der Kulturföderalismus in Deutschland eher Fluch oder Segen?

Ich glaube, er trägt erheblich zum kulturellen Reichtum in Deutschland bei. Wenn wir das mit anderen Ländern in Europa vergleichen, ist es um die kulturelle Infrastruktur hierzulande gut bestellt. Was nicht heißt, dass nicht auch hier, gerade in den ländlichen Gebieten, einiges wegzubrechen droht und dringend gegengesteuert werden müsste. Als das Amt des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien und kurze Zeit später auch die Kulturstiftung des Bundes gegründet wurde, gab es ja Besorgnisse, der Bund könne da in irgendeiner Weise übergriffig werden. Inzwischen hat sich die Debatte aber komplett beruhigt. Ich glaube, auch wir haben dazu beigetragen, indem wir zeigen konnten, dass von den bundesweiten Programmen alle Bundesländer profitieren konnten. Das Programm "Tanzplan" ist da ein gutes Beispiel. Oder aktuell das Programm für Stadtmuseen in kleineren Städten.

Kann die Kulturstiftung denn entgegensteuern, wenn die kulturelle Infrastruktur in ländlichen Gebieten wegzubrechen droht?

Nicht wirklich. Wir können nur Impulse geben und Akzente setzen, konstruktive Entwicklungen unterstützen und andere von unseren Kenntnissen und Erfahrungen profitieren lassen. Wir fördern beispielsweise "Die neuen Auftraggeber", ein Programm, das vor allem in Frankreich sehr erfolgreich läuft, wo sich in kleineren Gemeinden Menschen zusammentun, um für ihr Dorf einen renommierten Künstler zu engagieren, der ihre gestalterischen Ideen in ganz unterschiedlichen Bereichen umsetzt. Dieses Konzept hat auch in Deutschland Anhänger gefunden, und so fördern wir es. Und mit dem Programm TRAFO unterstützen wir vier ländliche Regionen, die modellhaft ausprobieren wollen, wie sich die kulturelle Infrastruktur verbessern und inwiefern sie sich zu einem Standortvorteil entwickeln lässt. Aber insgesamt gesehen sind das eher homöopathische Eingriffe. So wichtig mir die sind, von Gegensteuern zu sprechen wäre jedoch die totale Selbstüberschätzung. Gegensteuern ist auch nicht unsere Aufgabe.

Viele Kommunen haben angesichts leerer Kassen Schwierigkeiten, ihre kulturelle Infrastruktur zu erhalten. Kann die Kulturstiftung diesen Kommunen Hilfestellung leisten?

Nein, das kann sie definitiv nicht. Natürlich kann eine Kulturstiftung des Bundes, die jährlich 35 Millionen Euro zur Verfügung hat, überregional ausstrahlende Projekte fördern, mit denen sich Kultureinrichtungen in den Kommunen profilieren können. Aber Löcher stopfen wir nicht. Vielleicht können wir auch ein Bewusstsein dafür schaffen, dass für die Erhaltung der kulturellen Infrastruktur gegebenenfalls Kräfte auch ressortübergreifend gebündelt werden müssen. Im Rahmen von TRAFO zum Beispiel zeichnen sich da gute Ergebnisse ab.

Deutschland versteht sich als Kulturnation. Zugleich wird aber auch das europäische Kulturerbe beschworen und Deutschland erlebt seit Jahren eine zunehmende Zuwanderung von Menschen aus völlig anderen Kulturkreisen. Ist das Konzept der deutschen Kulturnation noch tragfähig?

Kulturnation ist Deutschland auf jeden Fall in dem Sinn, dass Kultur mit Mitteln der öffentlichen Hand gefördert wird. Sie ist Gemeingut und dient dem Gemeinwohl. An diesem Konsens erkennt man meines Erachtens eine Kulturnation. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich die Kulturproduktion in vielen Bereichen internationalisiert hat. Künstler arbeiten über Grenzen hinweg, was übrigens gar kein wirklich neues Phänomen ist. Goethe zog es nach Italien, Rilke nach Russland und nach Spanien, die Expressionisten sehnten sich nach der Südsee, um nur mal ein paar Beispiele aus der deutschen Kultur zu nennen. Nur war das damals sehr viel schwieriger als heute. Zum Selbstverständnis als Kulturnation gehört aber auch, dass wir daraus keinen Überlegenheitsanspruch ableiten. Herausragende Künstler, Schriftsteller, Theatermacher, Filmemacher gibt es in jedem Land. Aber welche Förderung wir ihnen angedeihen lassen und welche Freiheit wir ihnen garantieren, da gibt es schon beträchtliche Unterschiede.

Stets wird die Bedeutung der Kultur für die Integration betont. Wie hat die Kulturstiftung auf die massive Zuwanderung von Flüchtlingen in den vergangenen zwei Jahren reagiert?

Natürlich können wir keine Deutschkurse anbieten oder andere Dinge, die erstmal ganz unmittelbar benötigt werden. Wir haben Projekte gefördert, die bei uns beantragt wurden und sich mit der Flüchtlingsthematik auseinandersetzten. Vor allem aber haben wir ein Programm entwickelt, dass die Diversität in den Kultureinrichtungen fördert. Mit dem "360°-Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft" wollen wir erreichen, dass auch diejenigen Positionen in den Kultureinrichtungen vertreten sind, die traditionell dort unterrepräsentiert sind. Dazu gehören nicht zuletzt die der Einwanderer.

In welchen Bereichen müsste sich die Kulturförderung in Deutschland verstärkt dem Thema Migration annehmen?

Wir nennen sie die drei Ps: Personal, Programm, Publikum. Im 360°-Fonds setzen wir besonders darauf, dass sich die Diversifizierung der Leute, die in den Kulturinstitutionen - Museen, Theater, Bibliotheken - arbeiten, auch auf das Programm und das Publikum auswirkt. Wir brauchen Mitarbeiter und nicht zuletzt Führungskräfte, die wissen, wie die Kulturinstitutionen für breitere Gesellschaftsschichten attraktiver werden können. Nur dann werden diese Einrichtungen auch in Zukunft noch ihre gesellschaftliche Bedeutung haben. Wenn wir eine Kulturnation bleiben wollen, sind diese Veränderungsprozesse absolut notwendig.

In der kulturpolitischen Debatte wird mitunter kritisiert, die Kulturförderung habe vor allem die klassische Hochkultur im Auge und vernachlässige die kulturelle Bildung oder die Jugendkulturen. Teilen Sie diese Kritik?

Das sehe ich in der Tat auch so. Aber nicht im Sinne des Ausspielens des einen gegen das andere. Im Gegenteil: Wir brauchen mehr kulturelle Bildung und wir brauchen mehr Vermittlungsanstrengungen, wenn wir Zugang, Teilhabe und nicht zuletzt künstlerische Qualität und gesellschaftliche Relevanz sichern wollen. In den Schulen wird die kulturelle Bildung stiefmütterlich behandelt und in den Kulturinstitutionen haben die Vermittlerinnen und Vermittler immer noch nicht den Stand und die Arbeitsbedingungen, die der Bedeutung und Dringlichkeit ihrer Aufgaben gerecht werden.

Wie sieht das bei der Kulturstiftung aus?

Wir haben zum Beispiel mit den Programmen "Jedem Kind ein Instrument" oder "Kulturagenten für kreative Schulen" recht erfolgreich versucht, in dieser Hinsicht Spuren in die Zukunft zu legen. Es geht tatsächlich darum, Kreativität und vielfältige Kompetenzen zu fördern. Gemeinsames Singen, Spielen, Gestalten, Experimentieren fördern Zusammenhalt, Austausch und Innovation. Eine zukunftsfähige Gesellschaft darf diese Ressourcen, zu denen auch die Vielfalt gehört, nicht brachliegen lassen. Mit dem klassischen Kulturbegriff, sofern er sich auf die Tradierung des Erbes beschränkt, werden wir nicht weit kommen.

Viele Künstler und Kreative arbeiten in prekären Verhältnissen. Wie stehen Sie zu der Forderung, dass die Vergabe von Fördergeldern an die Einhaltung von sozialen Mindeststandards und eine angemessene Vergütung gekoppelt wird?

Das ist eine komplizierte Frage. Im Prinzip kann niemand dagegen etwas haben. Man muss aber bedenken, dass manche Produktionsstätten dann womöglich unter Druck geraten oder sich die freie Szene nicht über Wasser halten kann. In den künstlerischen Szenen ist vieles Verhandlungssache, das hat Vor- und sicher auch Nachteile. Die öffentlich finanzierten Häuser müssen aber unbedingt so ausgestattet werden, dass sie ihr Personal angemessen bezahlen können. Was wir tun können, ist beispielsweise Planungssicherheit über mehrere Jahre geben. Auch das hilft gegen prekäre Arbeitsverhältnisse, die durch kurzfristige Verträge entstehen.

Wie geht die Kulturstiftung konkret mit diesem Thema um?

Wenn bei uns jemand einen Antrag auf Projektförderung stellt, können wir natürlich nicht in die Tarifstruktur der Häuser eingreifen, wir haben keinen Einfluss darauf, wie sie ihr Personal bezahlen und finanzieren. Bei unseren eigenen Programmen achten wir natürlich darauf, dass sie gut ausgestattet sind und alle rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Bemängelt wird auch eine Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen im Kulturbetrieb. Auch in Museen würden seltener die Werke von Frauen ausgestellt. Glauben Sie, dass eine Quotierung bei der Vergabe von Fördermitteln einen Ausweg bietet?

Quotierung ist sicher nicht die schönste Art, Gerechtigkeit herzustellen. So allgemein lässt sich die Frage aber schlecht beantworten, weil man die Grundlage für Quotierung sehr spezifisch diskutieren muss. Grundsätzlich zu fordern, dass in allen Museen exakt 50 Prozent der Werke von Frauen stammen müssen, weil sie die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen, scheint mir wenig sinnvoll. Aber man könnte natürlich überlegen, ob nicht zum Beispiel Einzelausstellungen in Museen oder Kunstvereinen gleichberechtigt Männern und Frauen gewidmet sein sollten.

Das Interview führte

Alexander Weinlein.