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recht : Schutzlücke geschlossen

Zwangsbehandlung von Betreuten neu geregelt

26.06.2017
2023-08-30T12:32:23.7200Z
2 Min

Es ist für alle Beteiligten eine schwierige Situation, wenn ein Mensch, der etwa aufgrund einer psychischen Einschränkung nicht vernünftig entscheiden zu können scheint, eine dringend angeratene medizinische Behandlung ablehnt. In einem vergangene Woche vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/11240) wird der Umgang mit diesem Dilemma nun neu geregelt. Es geht um betreute Personen, "die einer ärztlichen Maßnahme mit natürlichem Willen widersprechen, obgleich sie auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können", aber ohne die Behandlung "einen schwerwiegenden gesundheitlichen Schaden erleiden oder sogar versterben". Nach geltendem Recht kann der Betreuer eine Zwangsbehandlung nur für Patienten in einer geschlossenen Anstalt veranlassen. Bei betreuten Personen, für die eine "freiheitsentziehende Unterbringung" nicht geboten ist, kann auch eine lebensnotwendige Behandlung nicht erzwungen werden.

Diese "Schutzlücke" ist mit der Schutzpflicht des Staates unvereinbar, hat das Bundesverfassungsgericht im Juli 2016 entschieden. Daher soll nun mit dem neuen Gesetz "die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme von der freiheitsentziehenden Unterbringung entkoppelt" werden. Im Übrigen sollen die Voraussetzungen so streng bleiben wie bisher. So soll eine ambulante Zwangsbehandlung weiterhin nicht erlaubt sein. Durch einen ausdrücklichen Vorrang von Patientenverfügungen soll zudem das Selbstbestimmungsrechts von Betreuten gestärkt werden. Als Ergebnis einer Anhörung im Rechtsausschuss hatten die Koalitionsfraktionen die Rechte der betreuten Personen gegenüber dem Regierungsentwurf noch präzisiert. Diesem Änderungsantrag stimmten auch die Vertreter der Opposition zu. Allerdings sahen sie damit die Gefahr einer Ausweitung der Zwangsbehandlungen nicht ganz ausgeräumt, weshalb die Linke schließlich gegen den Entwurf stimmte, die Grünen enthielten sich.

Harald Petzold (Die Linke) sagte, der Gesetzentwurf trage dem Grundrecht auf eine freie Lebensgestaltung nicht ausreichend Rechnung. Maria Klein-Schmeink (Grüne) bedauerte, dass die neu eingeführte Verpflichtung, betreute Personen auf die Möglichkeit einer Patientenverfügung hinzuweisen, nicht auch Behandlungsvereinbarungen umfasse. Diese hätten den Vorteil, nicht nur Behandlungsausschlüsse, sondern Behandlungswünsche deutlich zu machen. Matthias Bartke (SPD) sagte, zur staatlichen Schutzpflicht gehöre im Zweifelsfall auch, Bürger vor sich selbst zu schützen. "Würden zukünftig nur dieselben Personen zwangsbehandelt werden können wie bisher, hätten wir unsere Aufgabe verfehlt." Silke Launert (CSU) sprach von einer "notwendigen rechtlichen Grundlage, um alle Betreuten im Notfall bestmöglich zu schützen". Vorrangig gelte es aber, die Betreuten von der Notwendigkeit einer Maßnahme zu überzeugen.