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Landwirtschaft III : Gentechnik-Entwurf zu kompliziert

Sachverständige kritisieren Regelungsvorschlag der Bundesregierung

23.01.2017
2023-08-30T12:32:14.7200Z
3 Min

Der Entwurf zur geplanten Änderung des Gentechnikgesetzes der Bundesregierung (18/10459) ist bei Experten auf Kritik gestoßen. In einer Anhörung des Landwirtschaftsausschusses vergangene Woche bemängelten die Sachverständigen, dass der Entwurf zu kompliziert sei. Einerseits erschwere die Vorlage die Durchsetzung eines Anbauverbotes für gentechnisch veränderte Pflanzen (GVO), andererseits könnte durch das Gesetz eine wichtige Zukunftstechnologie riskiert werden. Die Anhörung befasste sich auch mit einem Entwurf des Bundesrates (18/6664). Beide Entwürfe wollen Anbaubeschränkungen oder Verbote für GVO in Deutschland ermöglichen. Als rechtliche Grundlage dient die sogenannte Opt-out-Regelung der Richtlinie (EU) 2015/412 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG. Die Regelung erlaubt es EU-Mitgliedstaaten, nationale Anbauverbote oder Beschränkungen für GVO in ihrem Hoheitsgebiet oder in Teilen davon zu beschließen.

Heike Moldenhauer, Leiterin für Gentechnik-Politik beim BUND, trat für ein Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen ein. Ihrer Ansicht nach nutzt die Bundesregierung den durch die EU-Richtlinie eröffneten Spielraum nicht aus. "Es werden hohe Hürden aufgebaut, die ein bundesweites Anbauverbot unmöglich machen", meinte sie. Die Verantwortung würde auf die Bundesländer abgewälzt. Es sei illusorisch, innerhalb von 45 Tagen ein "Einvernehmen" zwischen sechs Bundesministerien für einen Verbotsbeschluss herbeizuführen. Ein Veto würde genügen, jedes nationale Anbauverbot zu verhindern. Sollte der Gesetzentwurf verabschiedet werden, leiste dieser einem "Flickenteppich" Vorschub, wenn nicht alle Bundesländer Verbote verhängen.

Die Vertreterin der Bundesländer, Beatrix Tappeser vom Landwirtschaftsministerium Hessens, hob dagegen die Vorzüge des Gesetzentwurfes des Bundesrates hervor. Ziel sei ein bundesweit zentrales und einheitliches Verfahren für Beschränkungen oder Verbote für den GVO-Anbau. "Doch dieser Entwurf wurde von der Bundesregierung im Rahmen der Stellungnahme abgelehnt", monierte Tappeser. Der Bundesrat folge jedoch nicht der vom Bund vertretenen Einschätzung, dass eine höhere Rechtssicherheit nur bei Zuständigkeit der Länder erreicht werden könne. Regionale Aspekte könnten auch auf Bundesebene berücksichtigt werden.

Der Einzelsachverständige Georg Buchholz sah in der Regelung eine "verfassungswidrige Mischverantwortung" zwischen Bund und Ländern angelegt, die die Rechtssicherheit der getroffenen Beschlüsse infrage stelle. Nach Ansicht des Sachverständigen Wolfgang Koehler mache der Regierungsentwurf alles nur komplizierter.

Rechtliche Bedenken Schwerwiegende verfassungs-, unions- und welthandelsrechtliche Bedenken äußerte Hans-Georg Dederer von der Juristischen Fakultät der Universität Passau. Seiner Meinung nach zielt die Änderung einzig auf ein Verwendungsverbot für als sicher befundene Produkte ab. Denn Verbote würden dann gegenüber GVO ausgesprochen, die durch EU-Kontrollbehörden auf Basis wissenschaftlicher Expertisen sowie entsprechend der Sicherheits-, Umwelt- und Gesundheitsregeln erlaubt worden sind. "Das wäre das Ende der grünen Gentechnik", sagte er.

In eine ähnliche Kerbe schlug Hans-Jörg Jacobsen von der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Universität Hannover, der feststellte, dass im Ausland neue Techniken wie das "Genome Editing" bereits angewendet würden. Der Wissenschaftler befürchtete durch die Einführung des Opt-out negative Auswirkungen auf solche Züchtungstechniken, die er nicht zur Gentechnik zählte und deshalb auch nicht als regelungsbedürftig erachtete.

Ebenfalls als nicht erforderlich betrachtete Joachim Schiemann vom Julius-Kühn-Institut den Erlass nationaler Anbauverbote für GVO, die auf Grundlage einer wissenschaftlichen Risikobewertung für den Anbau in Europa zugelassen sind. Für Schiemann stelle das Gesetz im Vergleich zur vorherigen Regelung aber eine Verbesserung dar, denn nun müssten die Gründe für Verbote klar benannt werden und mit dem Verweis auf nicht-wissenschaftliche Begründungen erfolgen.