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AMT : Das »One-Man-Organ«

Der Bundespräsident verkörpert die Einheit des Staates. Dabei kommen ihm vor allem, aber nicht nur repräsentative Aufgaben zu

30.01.2017
2023-08-30T12:32:15.7200Z
4 Min

Fünf ständige Verfassungsorgane hat die Bundesrepublik: den Bundestag mit seinen aktuell 630 Abgeordneten, den Bundesrat mit 69 ordentlichen Mitgliedern, die Bundesregierung, der neben der Kanzlerin derzeit 14 Bundesminister angehören, das Bundesverfassungsgericht mit seinen aus je acht Richtern bestehenden zwei Senaten, und den Bundespräsidenten. Er ist als einziges der fünf kein Kollegial-, sondern sozusagen das "One-Man-Organ" des Staates: Es besteht nur aus der Person des Amtsinhabers. Dabei ist das kleinste Organ das protokollarisch höchste, aber auch mit vergleichsweise beschränkten, überwiegend repräsentativen Befugnissen verbunden.

Das liegt nicht zuletzt an den schlechten Erfahrungen der Weimarer Republik, die dem Reichspräsidenten in der Verfassung eine starke Stellung zuwies. Unmittelbar vom Volk gewählt, stellte er ein Gegengewicht zum Reichstag dar, den er jederzeit auflösen konnte und auch nicht bei der Ernennung oder Entlassung des Kanzlers und seiner Minister beteiligen musste. Mit sogenannten Notverordnungen war ihm eine "Ersatzgesetzgebung" möglich, was für den Ausnahmezustand gedacht war, aber vor allem nach 1930 in Anspruch genommen wurde und seinen traurigen Höhepunkt in der sogenannten Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 fand, die die Bürgerrechte schleifte und den Weg in die NS-Diktatur ebnete.

Angesichts solcher Lehren ist das Amt des Bundespräsidenten mit deutlich beschränkteren Kompetenzen versehen worden (siehe auch Beitrag oben rechts). Dabei ist er "nach der Ausgestaltung seines Amtes" keiner der drei klassischen Staatsgewalten - also Exekutive, Legislative und Judikative - zuzuordnen, wie das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil von 2014 festhielt. Er ist das Staatsoberhaupt und "verkörpert die Einheit des Staates", heißt es darin weiter. "Autorität und Würde seines Amtes kommen gerade auch darin zum Ausdruck, dass es auf vor allem geistig-moralische Wirkung angelegt ist", konstatierten die Karlsruher Richter. Über die dem Präsidenten von der Verfassung zugewiesenen Befugnisse hinaus kommen ihm laut Urteil "vor allem allgemeine Repräsentations- und Integrationsaufgaben zu". Da ihm im Krisenfall auch "politische Leitentscheidungen" zustehen, weist das Amt daneben eine Art "Reservefunktion" auf.

Aufgaben und Befugnisse des Bundespräsidenten sind zum Teil im Grundgesetz festgeschrieben oder auch im einfachen Recht, zum Teil haben sie sich durch ständige Übung entwickelt. Zur Repräsentationsfunktion seines Amtes gehört die völkerrechtliche Vertretung des Bundes nach außen; er schließt in dessen Namen die Verträge mit anderen Staaten, beglaubigt die diplomatischen Vertreter Deutschlands und nimmt die Beglaubigungsschreiben der ausländischen Diplomaten entgegen. In der Praxis bevollmächtigt er ein Regierungsmitglied zur Abgabe völkerrechtlich verbindlicher Erklärungen. Zudem repräsentiert er die Bundesrepublik nach innen und außen etwa durch Reden, Visiten in Ländern und Kommunen, Staatsbesuche im Ausland und den Empfang von Staatsgästen. Dabei wirkt er vor allem mit der vielzitierten "Kraft des Wortes", wobei er sich in der Regel mit Stellungnahmen zu parteipolitisch umstrittenen Fragen der Tagespolitik zurückhält.

Ferner schlägt der Präsident dem Bundestag den Bundeskanzler zur Wahl vor und ernennt den Gewählten. Auf dessen Vorschlag hin ernennt oder entlässt er auch die Bundesminister. Auch die Bundesrichter, Bundesbeamten, Offiziere und Unteroffiziere ernennt der Präsident, wobei dies zum Teil anderen Behörden übertragen ist.

Im Gesetzgebungsverfahren werden die Bundesgesetze vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündigt, nachdem er geprüft hat, ob sie nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommen sind. "Nach der Staatspraxis und der herrschenden Meinung umfasst dieses Prüfungsrecht sowohl formelle Gesichtspunkte (Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften) als auch materielle Fragen (Grundrechte, Staatszielbestimmungen, Staatsorganisationsrecht)", heißt es dazu auf der Internetseite des Staatsoberhauptes. Acht Mal hat bislang ein Bundespräsident die Ausfertigung eines Gesetzes abgelehnt, zuletzt im Jahr 2006, als Horst Köhler entschied, das Gesetz zur Neuregelung der Flugsicherung sowie wenige Wochen später auch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation nicht auszufertigen.

Die Reservefunktion zeigt sich in den besonderen Befugnissen, die das Grundgesetz dem Präsidenten für verfassungsrechtliche Ausnahmefälle zuweist. Findet bei einer Kanzlerwahl kein Bewerber die absolute Mehrheit, hat der Bundespräsident einen mit einfacher Mehrheit gewählten Kandidaten zu ernennen oder das Parlament aufzulösen. Auch kann er den Bundestag auf Antrag des Bundeskanzlers auflösen, wenn dessen Vertrauensfrage im Parlament keine Mehrheit findet. Löst der Bundespräsident in diesem Fall den Bundestag nicht auf, kann er laut Grundgesetz "auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates für eine Gesetzesvorlage den Gesetzgebungsnotstand erklären, wenn der Bundestag sie ablehnt, obwohl die Regierung sie als dringlich bezeichnet hat". Das Gleiche gilt, wenn eine Gesetzesvorlage abgelehnt worden ist, obwohl der Kanzler mit ihr die Vertrauensfrage verband. Nach Erklärung des Gesetzgebungsnotstands gilt das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen trotz Ablehnung durch den Bundestag als zustande gekommen.

Zu den weiteren Kompetenzen des Staatsoberhauptes zählt laut Verfassung auch für den Bund das Begnadigungsrecht auszuüben. In einfachen Gesetzen geregelt ist beispielsweise seine Zuständigkeit, den Tag der Bundestagswahl zu bestimmen; zu den ungeschriebenen Kompetenzen gehört etwa die Verleihung von Orden des Bundes.

Zum Bundespräsidenten gewählt werden kann jeder wahlberechtigte Deutsche, der 40 Jahre oder älter ist. Der Regierung oder dem Bundestag beziehungsweise einem Landtag darf der Bundespräsident ebenso wenig angehören wie der Leitung oder dem Aufsichtsrat eines Unternehmens; auch darf er kein besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben. Die Amtsdauer beträgt fünf Jahre, eine Wiederwahl ist nur einmal zulässig. Ein vorzeitiges Ende finden kann die Amtszeit etwa durch den Rücktritt des Staatsoberhauptes oder auch durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dem eine Präsidentenanklage durch Bundestag oder Bundesrat vorhergehen muss. Zu Letzterem ist es freilich noch nie gekommen.