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NSA-Untersuchungsausschuss : Facettenreiche Wahrheit

Zeugen berichten über Treffen im Kanzleramt

30.01.2017
2023-08-30T12:32:15.7200Z
3 Min

Es war eine illustre Dreierrunde, die am 28. Oktober 2013 im Kanzleramt beisammensaß. Wieder einmal war Gerhard Schindler erschienen, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), in jenen Wochen ohnehin Dauergast in Berlin. Er hatte etwas zu beichten.

Den Inhalt des Gespräches zu erforschen, über das nichts Schriftliches vorliegt, hat sich der 1. Untersuchungsausschuss (NSA) in zwei öffentlichen Sitzungen alle Mühe gegeben. Er hatte alle Teilnehmer zu Gast, deren Gedächtnis in zwei Punkten immerhin übereinstimmte: Thema der Unterredung war das Eingeständnis, dass nicht nur die amerikanische National Security Agency (NSA), sondern auch der BND sich der "Ausspähung von Freunden" schuldig gemacht hatte. Zweitens: Man war sich einig, dass damit sofort Schluss sein musste.

Der damalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) hat Schindler als selber nur fragmentarisch informiert in Erinnerung. Er habe lediglich mitgeteilt, dass seine Behörde "in Krisenländern befreundete Botschaften aufgeklärt" habe, berichtete Pofalla vergangenen Donnerstag im Ausschuss. Weder habe Schindler sagen können, welche Botschaften betroffen waren, noch um welche "Krisenländer" es ging. Ebenso wenig habe er gewusst, ob womöglich auch diplomatische Vertretungen von EU- und Nato-Staaten in anderen Weltgegenden überwacht wurden.

Auf Pofalla machte Schindler den Eindruck eines Menschen, der die unerfreuliche Neuigkeit "auch gerade unmittelbar erfahren" hatte und davon selber völlig überrascht war. Da der BND-Chef "nicht auskunftsfähig" gewesen sei, habe er, Pofalla, angeordnet, ihm "direkt und umfassend schriftlich zu berichten". Dieser Bericht habe ihn vor seinem Abschied aus dem Amt im Dezember 2013 allerdings nicht mehr erreicht.

Von einem Wunsch Pofallas, über den Fortgang schriftlich informiert zu werden, hat Geheimdienstkoordinator Günter Heiß offenbar nichts mitbekommen. Im Gegenteil: Er selber habe mit der Entscheidung, das heikle Treiben abzustellen, die Sache für erledigt gehalten, sagte Heiß. Er habe es deswegen nicht einmal für nötig befunden, seine Untergebenen in der Abteilung 6 zu informieren, und auch beim BND nie wieder nachgefragt.

Auch Heiß erinnerte sich an Schindlers Mitteilung, der BND habe Botschaften von Partnerstaaten in Krisenregionen abgehört. Ziel seien aber nicht die betroffenen EU- oder Nato-Länder gewesen. Es sei darum gegangen, Informationen über die Krisengebiete zu beschaffen: "Es war gewissermaßen der kurze Weg. Natürlich hätten wir den Partner auch fragen können."

"Nicht auskunftsfähig" wirkte Schindler auf Heiß im Übrigen keineswegs. Er habe ein konkretes Beispiel geschildert und erklärt, so werde in anderen Fällen auch verfahren. Er habe freilich den Eindruck erweckt, die Ausspähung von "Freunden" betreffe nur einen "geringen Kreis von Einzelfällen" und damit grob untertrieben.

Das wahre Ausmaß sei offenbar geworden, als der BND im März 2015 mit einer "Quarantäneliste" tausender eigener Selektoren herausrückte, die bis Ende 2013 gegen EU- und Nato-Partner im Einsatz gewesen waren. Davon sei Schindler allerdings nicht minder überrascht gewesen als er selbst, meinte Heiß: "Er hat jedenfalls glaubhaft versichert, dass er wie wir auch erst im März 2015 Kenntnis erhielt."

Das hatten die Abgeordneten von Schindler jedoch anders im Ohr. "Ich sehe die Liste noch vor mir", hatte ihnen der ehemalige BND-Chef über seinen Fund im Herbst 2013 berichtet. Damals hatte ihn eine Warnung aus dem eigenen Haus erreicht, dass auch beim BND "doch eine beachtliche Anzahl von EU- und Nato-Zielen gesteuert wurde". Wenig später habe die Liste der einschlägigen Suchmerkmale vorgelegen, die ihm "doch ein bisschen ungeheuer" vorkam. Schindler beschloss, Pofalla zu warnen.