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EUROPA : Brücken statt Mauern

EU-Parlament stimmt für Freihandelsabkommen mit Kanada. Ratifizierung könnte aber dauern

20.02.2017
2023-08-30T12:32:15.7200Z
3 Min

Wir senden heute ein starkes Signal", sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström nach dem Votum. "Indem wir Brücken bauen statt Mauern, können wir die Herausforderungen für unsere Gesellschaften gemeinsam angehen." Der kanadische Premier Justin Trudeau, der am Donnerstag eigens nach Straßburg gekommen war, betonte ebenfalls, dass Europa und Kanada mit dem Abkommen ein Zeichen gegen Protektionismus setzen, wie ihn US-Präsident Donald Trump befürwortet. "Mit Ceta haben wir gemeinsam etwas geschaffen. Etwas Wichtiges. Gerade auch in diesem für Ihren und meinen Kontinent so wichtigen Moment", sagte er an die Adresse der Europaabgeordneten.

Christdemokraten, Liberale und Teile der Sozialdemokraten stimmten für das Abkommen, das binnen sieben Jahren 99 Prozent der Zölle zwischen Kanada und der EU abschafft. Ablehnung kam insbesondere von Linken und Grünen, die den Handelsdeal trotz Nachbesserungen etwa bei den Schiedsgerichten weiterhin inakzeptabel finden. "Die Verbesserungen reichten nicht so weit, dass wir Grüne Ceta unterstützen konnten", sagte der transatlantische Sprecher der Grünen-Fraktion, Reinhard Bütikofer. Die Vorsitzende der Grünen, Ska Keller, kündigte an, dass der Kampf der Zivilgesellschaft gegen das Abkommen weiter gehe. Vor der Abstimmung hatten rund 100 Demonstranten in Straßburg demonstriert.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Ratifizierung in den Mitgliedstaaten schwierig wird. In den Niederlanden sammeln Aktivisten bereits Unterschriften für ein Referendum. Auch in Österreich herrscht große Skepsis gegenüber dem Abkommen. In Belgien ist die Zustimmung des Regionalparlaments Walloniens noch nicht sicher.

Das Abkommen ist für die EU das erste der neuen Generation, bei dem es neben dem Abbau von Zöllen vor allem um Handelserleichterungen bei Dienstleistungen und um die Vereinheitlichung von Regulierungen geht. Das soll erhebliche Erleichterungen für Unternehmen bringen, die ihre Ware nicht mehr doppelt testen lassen müssen. Gerade der Mittelstand dürfte davon erheblich profitieren. "Kleinere und mittlere Unternehmen werden die Gewinner von Ceta sein" prognostiziert etwa der CSU-Europa-Abgeordnete Markus Ferber. Eine verstärkte Harmonisierung von Standards hat allerdings auch Ängste ausgelöst, dass Ceta den Verbraucherschutz in Europa aushöhlen könnte. Nichtregierungsorganisationen hatten es als ein Abkommen dargestellt, von dem vor allem Konzerne profitieren werden. Der umstrittene Investitionsschutz, bei denen Unternehmen Regierungen verklagen können, ist von der vorläufigen Anwendung ausgenommen. Wirtschaftlich wird Kanada vermutlich stärker von Ceta profitieren als Europa. Die EU ist Kanadas wichtigster Wirtschaftspartner, umgekehrt rangiert Kanada aber erst auf Platz elf der europäischen Handelspartner. Für Europa hat das Abkommen aber politisch große Bedeutung, weil es damit demonstriert, weiter auf Freihandel zu setzen.

Neue Partner im Blick Bereits jetzt ist absehbar, dass das ebenfalls umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) in den kommenden Jahren nicht vorankommen wird. "Die Wahl von Donald Trump dürfte die Verhandlungen mindestens für eine Weile auf Eis legen", prognostiziert EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Wenn Europa schon mit seinem größten Handelspartner keine Fortschritte erzielt, soll aber der Austausch mit anderen Partnern in der Welt vorangetrieben werden. "Trump hin oder her, wir haben eine lange Liste von anderen Ländern, die mit der EU Handel treiben wollen", sagte Malmström. Die EU verhandelt aktuell mit rund 20 Ländern Freihandelsabkommen, etwa mit Indien, Indonesien und den Golfstaaten. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat sich dafür ausgesprochen, die "Gespräche mit interessierten Partnern zu intensivieren". Daniel Caspary, Handelsexperte der Christdemokraten im Europäischen Parlament, beobachtet bereits, dass sich die Stimmung mit Blick auf Freihandelsabkommen in der Bevölkerung gewandelt hat: "Die Aggressivität ist weg." Die Befürworter der Verträge hoffen, dass Ceta neue Dynamik in die Verhandlungen bringt und Länder Interesse zeigen, die nun möglicherweise schwerer Zugang zu den USA bekommen. Schließlich hat Trump bereits das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA, Asien und Australien (TPP) aufgekündigt. Allerdings muss sich zeigen, ob das ausreicht, um inhaltliche Differenzen ausräumen. Mit Indien etwa verhandelt die EU seit zehn Jahren, ohne dass bislang ein Durchbruch in Sicht ist.

Die Autorin ist Korrespondentin der "Wirtschaftswoche" in Brüssel.