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NSU : Den Tanker auf Kurs bringen

Verfassungsschutz-Präsident Maaßen zieht im Untersuchungsausschuss eine Bilanz der bisherigen Reformen

20.02.2017
2023-08-30T12:32:16.7200Z
3 Min

Er wolle "das große Schiff Verfassungsschutz" wieder auf Kurs bringen, hatte Hans-Georg Maaßen bei seinem Amtsantritt als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) im August 2012 verkündet. Am vergangenen Donnerstag saß Maaßen nun als Zeuge im 3. Untersuchungsausschuss des Bundestages (NSU II) und sollte bilanzieren, ob der Kurswechsel mittlerweile gelungen sei. "Wie das bei großen Schiffen der Fall ist", erklärte Maaßen, "kann man den Kurs nicht von jetzt auf gleich ändern, weil dann die Ladung über Bord geht." Grundsätzlich aber sieht er seine Behörde nach den zahlreichen Skandalen im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur rechten Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) auf einem guten Weg.

Anlass für die Reformbemühungen im BfV waren insbesondere die Enthüllungen um vernichtete V-Mann-Akten, die Maaßen als "historische Zäsur" bezeichnete. Kurz nachdem der NSU im November 2011 enttarnt worden war, wurden im BfV die Akten von mehreren V-Leuten geschreddert, die im Rahmen der sogenannten "Operation Rennsteig" zwischen 1996 und 2003 in Thüringen angeworben worden waren - in dem Bundesland also, aus dem die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe stammen. Wurden die Akten also vernichtet, weil sie womöglich Informationen enthielten, die zu einer früheren Ergreifung der Terrorgruppe hätten führen können? Dies bleibt eine der zentralen Fragen im NSU-II-Ausschuss.

Die Hintergründe der Schredderaktion konnte auch Maaßen nicht erhellen. Er war damals noch im Bundesinnenministerium tätig. Auf die Frage, wie viele der damals geschredderten Akten rekonstruiert werden konnten, wusste er allerdings konkrete Zahlen zu nennen. Bei der Mehrzahl der Akten seien einhundert Prozent der sogenannten Deckblattmeldungen wiederhergestellt worden. Im Fall des V-Manns Tarif, der eine der zentralen Figuren im NSU-Komplex ist und dessen Akte womöglich von besonderer Bedeutung sein könnte, hätten 93 Prozent der Deckblattmeldungen und 76 Prozent der gesamten Akte rekonstruiert werden können. Der V-Mann Tarif war einige Stunden vor Maaßen in nicht-öffentlicher Sitzung vom Ausschuss befragt worden.

Wie Tarif dort bestätigt haben soll, will er 1998, kurz nach dem Untertauchen des NSU-Trios, von dem mutmaßlichen NSU-Unterstützer André Kapke angerufen und gefragt worden sein, ob er ein Versteck für die drei Flüchtigen beschaffen könne. Tarif behauptet zudem, das BfV über die Anfrage informiert zu haben, was das Amt wiederum bestreitet.

Somit steht nun Aussage gegen Aussage. Obfrau Petra Pau (Die Linke) wies darauf hin: Ausgerechnet die Teile der Tarif-Akte, die den Sachverhalt womöglich aufklären könnten, würden noch immer fehlen. Im relevanten Zeitraum zwischen Januar 1998 und September 1999 klafft laut Pau eine Lücke in Tarifs Deckblattmeldungen. Maaßen wiederum betonte, er habe einige der damals mit dem Fall befassten Mitarbeiter persönlich gesprochen und sei daraufhin zum Schluss gekommen, dass an Tarifs Vorhalten nichts dran sei.

Betriebsblindheit verhindern Neben der Umsetzung der Verfassungsschutzreform, die der Bundestag im Juli 2015 verabschiedet hat, nannte Maaßen noch eine Reihe weiterer Maßnahmen, die unter seiner Führung in Angriff genommen worden sind. Um künftig Betriebsblindheit zu verhindern, wie sie der Untersuchungsausschuss in Bezug auf die Arbeit der Sicherheitsbehörden im NSU-Komplex immer wieder festgestellt hat, sprach sich Maaßen für eine stärkere personelle Rotation in den Verfassungsschutzbehörden aus. Bisher sei es üblich gewesen, dass ein Mitarbeiter, wenn er in seiner "Lieblingsposition" angekommen sei, auch dort bleibe. Um so entstandene, festgefahrene Sichtweisen wieder aufzubrechen, würden nun vermehrt Menschen mit unterschiedlichen Biografien und Expertisen eingestellt. Das Aus- und Fortbildungswesen an der Akademie für Verfassungsschutz (AfV) sei bereits gründlich erneuert worden. Die Reformbemühungen seien zugleich nicht abgeschlossen, sondern eine Daueraufgabe, mahnte Maaßen an.