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GOEThE-INSTITUT : In der Prüfung

Die renommierte Bildungseinrichtung ist wegen der Beschäftigung von Honorarkräften in Bedrängnis

20.02.2017
2023-08-30T12:32:16.7200Z
4 Min

Noch immer kann Katharina Bach (Name geändert) nicht fassen, was da Ende Januar passiert ist. "Eine Woche vor Kursende hat man uns gesagt, dass wir nicht weiterbeschäftigt werden", erzählt sie, "aber da haben wir noch gedacht, dass es bestimmt eine Lösung geben wird." Wir, das sind die etwa 30 Honorarkräfte, die bis Ende Januar regelmäßig Sprachkurse am Düsseldorfer Goethe-Institut gegeben haben und von den Nachrichten, die die renommierte Bildungseinrichtung gerade in ein eher schlechtes Licht gerückt haben, genauso überrascht waren wie ihre Kollegen an den 13 Standorten in Deutschland.

Seit Januar nimmt die Deutsche Rentenversicherung das Goethe-Institut in Deutschland unter die Lupe - genauer gesagt die Verträge der bundesweit rund 400 freien Honorarkräfte. Der Verdacht: Scheinselbständigkeit. Das Institut reagierte prompt mit der Mitteilung, dass für die Dauer der Prüfung keine neuen Verträge mehr ausgestellt werden. Die betroffenen Lehrer stehen damit auf der Straße.

Rund 38.000 Teilnehmer haben allein im Schuljahr 2015/16 Deutschkurse des Goethe-Instituts in Deutschland besucht - gehalten in aller Regel von selbstständigen Honorarkräften wie Katharina Bach. Sie unterrichten häufig schon seit vielen Jahren, viele von ihnen in Vollzeit. Katharina Bach arbeitet seit mehr als zehn Jahren für das Goethe-Institut, zuletzt hatte sie Verträge für rund 25 Stunden pro Woche. Fest angestellt war sie nie, die Verträge liefen regelmäßig nur für die Dauer der meist vier- bis achtwöchigen Kurse. Nach Angaben der Bildungsgewerkschaft GEW deckt das Goethe-Institut diese Kurse zu 80 Prozent durch freie Lehrkräfte ab, das Goethe-Institut selbst spricht von 60 Prozent.

Die Freien bekommen zwar verhältnismäßig gute Stundenlöhne von bis zu 37 Euro, müssen sich aber selbst versichern und tragen ihre Beiträge für Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung selbst. Urlaubs- und Weihnachtsgeld gibt es nicht - wer krankheitsbedingt ausfällt, hat keine Einnahmen. Die Rentenversicherung hat Zweifel daran, dass Lehrer, die so regelmäßig und mit vielen Stunden an den Goethe-Instituten arbeiten, wirklich selbstständig sind. Das ist nämlich normalerweise nur, wer sein Geld von mehreren Auftraggebern bekommt und nicht fest in die Abläufe eines einzigen eingebunden ist.

Wie es beruflich für sie weitergeht, weiß Katharina Bach im Moment nicht. Was sie besonders quält, ist der Umgang des Instituts mit den geschassten Freien. "Man hat uns mitgeteilt, dass es für uns nicht weitergeht und das war es. Es gab noch nicht mal eine Verabschiedung oder ein Dankeschön für die Arbeit der letzten Jahre." Es sei extrem verletzend, wenn so deutlich gemacht werde, "dass wir denen total egal sind". Das passe allerdings: "Die freien Honorarkräfte sind nie auf Augenhöhe behandelt worden. Wir durften keine Schubfächer mit Namen für unsere Materialien haben, sollten nicht zu Weihnachtsfeiern kommen." Immer wieder habe sie sich gemeinsam mit Kollegen um bessere Bedingungen bemüht, das sei aber im Institut immer abgeblockt worden.

Kritik der GEW Auch die GEW empört sich schon seit Jahren über diese Arbeitsbedingungen und hat das Institut wiederholt aufgefordert, auch für die freien Dozenten einen Tarifvertrag abzuschließen. Schon 2014 beklagte die Gewerkschaftsvorsitzende Marlies Tepe, das Institut sei noch nicht einmal zu Gesprächen bereit. "Es ist vordemokratisch und ungeheuerlich." Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe hat die GEW ihre Forderungen, mindestens 80 Prozent der Honorarkräfte fest anzustellen, wiederholt. Nur so könne die berufliche Existenz der betroffenen Lehrer gesichert werden. Am 9. März soll es ein gemeinsames Gespräch von GEW und Goethe-Institut geben.

Das Institut selbst hat in einer Stellungnahme mitgeteilt, dass es die Einschätzung der Rentenversicherung nicht teile. Man bedauere es sehr, wenn die Aussetzung von Vertragsabschlüssen "zu sozialen Härten bei den Honorarlehrkräften" führe, so der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert. Bis Ende Februar werde man 45 Lehrkräfte befristet einstellen; so sei sichergestellt, dass zwei Drittel der Sprachkurse und Prüfungen stattfinden könnten. Katharina Bach bezweifelt das. "Da werden Kurse zusammengelegt, die nicht zusammengehören. Und Leute, die ewig für ihren Sprachkurs gespart haben, werden nicht kommen können. Das ist ein unglaublicher Imageverlust."

Und tatsächlich ist die Beschädigung des bislang so guten Rufs langfristig wohl die schlimmste Folge für das Institut. Mit seinen weltweit 159 Niederlassungen in 98 Ländern ist es ein weltweit bekannter und geachteter Botschafter für die deutsche Sprache und Kultur - und bekommt für seine Tätigkeit im Ausland vom Auswärtigen Amt mehr als 220 Millionen Euro jährlich. Auch wenn die deutschen Institute sich über Kursgebühren, Spenden und Sponsoring selbst tragen, hat sich nun auch der Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Bundestages mit dem Thema beschäftigt. Man habe die unbefriedigende Situation der Honorarkräfte schon jahrelang immer wieder angemahnt, sagt die SPD-Kulturpolitikerin Ulla Schmidt. "Das Parlament ist im Moment jedoch nicht am Zug - es ist die Deutsche Rentenversicherung, die prüfen muss, welche Honorarverträge rechtmäßig sind und wo eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Honorarverträge, die nicht rechtmäßig sind, müssen zügig in ordentliche Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden", sagt Schmidt. Vertreter von Union und Grünen wollten sich bis zur Klärung des Sachverhalts nicht äußern. Für Dieter Dehm (Linke) steht auch der Bundestag in der Pflicht: "Wenn der neue SPD-Hoffnungsträger Martin Schulz genauso wie einige CDU-Sozialpolitiker besseren Lohn für harte Arbeit fordern, ist das jetzt unsere Nagelprobe! Wenn 400 Lehrer entlassen werden, die Rentenversicherung von Scheinselbständigkeit spricht, tritt das ein, vor dem Linke und GEW lange gewarnt haben: eine Prekarisierung exakt dort, wo die stärkste Integrationsmühe sein sollte, bei der deutschen Sprachbildung."