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CuM/Ex-Ausschuss : Türöffner im Steuerrecht

Das Finanzministerium tat sich schwer beim Verhindern doppelter Erstattungen

20.02.2017
2023-08-30T12:32:16.7200Z
4 Min

Zum Abschluss der Zeugenvernehmung im Cum/Ex-Ausschuss haben Wolfgang Schäuble (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) Vorwürfe zurückgewiesen, das Bundesfinanzministerium (BMF) habe bei unrechtmäßigen Steuererstattungen durch Dividendenstripping zu lange weggeschaut. Der amtierende Minister und sein Vorgänger erklärten übereinstimmend, dass nach Bekanntwerden steuergetriebener Gestaltungsmodelle alles unternommen worden sei, um die illegalen Praktiken zu beenden. Steinbrück (SPD) war am Montag befragt worden, Schäuble (CDU) war einziger Zeuge in der vorerst letzten öffentlichen Ausschusssitzung am Donnerstag. Er könne sich nicht erklären, wie Finanzmarktakteure ohne jedes Unrechtsbewusstsein agieren können, sagte Schäuble zu den Geschäften. Eine "pauschale Inkriminierung einer ganzen Branche" halte er aber nicht für gerechtfertigt.

Sehr komplex Bei den Cum/Ex-Geschäften handelt es sich um komplexe Aktiengeschäfte um den Dividendenstichtag herum, bei denen eine einmal abgeführte Kapitalertragssteuer mehrfach erstattet wurde. Dem Fiskus soll nach Schätzungen von Experten dadurch ein Milliardenschaden entstanden sein. Die Möglichkeit einer solchen Erstattung war zumindest seit 2002 bekannt, war aber vom BMF lediglich als "abstrakt" eingeschätzt worden. Trotzdem sollte sie 2007 per Gesetz unterbunden werden, mit dem Ergebnis, dass anschließend regelrechte Gestaltungsmodelle entstanden, die eine angebliche Gesetzeslücke nutzten. Von der Existenz solcher Modelle, die Großanleger, Banken und Steuerberater offenbar gemeinsam betrieben, erhielt das BMF nach eigenen Angaben Anfang 2009 Kenntnis.

Steinbrück, von November 2005 bis Oktober 2009 Bundesfinanzminister, sagte aus, er habe im Mai 2009 von solchen Geschäften erfahren. Es sei daraufhin versucht worden, diese mithilfe eines BMF-Schreibens zu unterbinden. Dies habe sich sehr schnell als unzureichend erwiesen. Er habe dann eine grundlegende Lösung prüfen lassen, die eine Umstellung der Erstattungspraxis vorgesehen habe. Zum Jahressteuergesetz 2007 sagte Steinbrück unter Bezug auf Kritik an dem damaligen Vorgehen, niemand habe im Gesetzgebungsprozess auf mögliche Lücken hingewiesen. Im Nachhinein sei klar gewesen, dass damit nur ein erster Schritt gemacht worden sei.

Vorwürfe, an der Gesetzgebung hätten die Bankenverbände mitgearbeitet, wies Steinbrück zurück. Lobbyinteressen könnten nicht die Gesetzgebung der Bundesrepublik beeinflussen. Die Vorstellung, das Ministerium sei "pfleglich mit den Banken umgegangen, gehört ins Märchenreich", sagte Steinbrück. Außerdem müsse man vorsichtig damit sein, die Vorgänge von damals mit dem heutigen Erkenntnisstand zu bewerten. Er wies auch darauf hin, dass das Ministerium "erhebliche Schwierigkeiten" mit Urteilen des Bundesfinanzhofes gehabt habe. So sei ein Urteil aus dem Jahr 1999 der "Türöffner für solche Geschäfte" gewesen.

Komplette Neuregelung Schäuble, seit Herbst 2009 im Amt, gab in der rund dreistündigen Sitzung am Donnerstag zu Protokoll, er sei wenige Monate nach seinem Amtsantritt mit dem Thema Cum/Ex befasst worden. Nach seinem Kenntnisstand habe die Regelung von 2007 nicht ausgereicht, Cum/Ex zu beenden. Er habe sich in den ersten Monaten des Jahres 2010 intensiv damit beschäftigt und im Juli 2010 entschieden, das Verfahren der Kapitalertragsteuererstattung grundsätzlich neu regeln zu lasen. Es seien dann die Einzelheiten für eine Systemumstellung erarbeitet und ein Gesetzentwurf auf den Weg gebracht worden. Mit dem OGAW-IV-Umsetzungsgesetz seien dann mit Wirkung zum 1. Januar 2012 Cum/Ex-Transaktionen endgültig unterbunden worden. Die Verpflichtung zum Einbehalt der Kapitalertragsteuer wurde damit, wie schon unter Steinbrück angedacht, von den Aktiengesellschaften auf die auszahlenden Kreditinstitute verlagert.

Schäuble sagte, das Problem sei sehr komplex und daher nicht einfach zu lösen gewesen. Die Erarbeitung des neuen Gesetzes habe daher seine Zeit gebraucht, und zudem hätten die Betroffenen für die Systemumstellung auch eine Vorlaufzeit benötigt. Im Nachhinein sei er zudem der Meinung, so Schäuble, dass der Cum/Ex-Gesetzgebungsprozess angesichts der schwierigen Materie und des üblichen Procederes "ungewöhnlich schnell" verlaufen sei. Eine Schätzung des möglichen Schadens zum jetzigen Zeitpunkt wäre spekulativ und nicht seriös, sagte der Minister. Der Frage nach der politischen Verantwortung für möglicherweise eingetretene Schäden wich Schäuble aus. Er sei kein Sachverständiger und habe keine Absicht, diese Frage zu beantworten.

Zum Thema Cum/Cum sagte Schäuble, hierbei gebe es eine Vielzahl von Gestaltungen und die Rechtslage sei eine völlig andere. Letztendlich habe man 2016 aber eine Regelung in das Investmentsteuerreformgesetz aufgenommen, mit der solche Geschäfte unterbunden worden seien. Zur Aufarbeitung der Fälle aus der Vergangenheit liefen intensive Abstimmungsgespräche mit den Bundesländern. Der Untersuchungsauftrag deckt dem Ausschuss zufolge auch sogenannte Cum/Cum-Geschäfte, eine weitere Form des Dividendenstrippings, ab. Hierdurch sollen dem Fiskus ebenfalls Steuereinnahmen in Milliardenhöhe entgangen sein.

Vernehmungen abgeschlossen Der Ausschuss war im Februar vergangenen Jahres auf Antrag der Fraktionen von Grünen und Linken eingesetzt worden. Linken-Obmann Richard Pitterle erklärte am Freitag, nach Abschluss der Zeugenaussagen ergebe sich vor allem vom BMF "ein desaströses Bild", und weder Steinbrück noch Schäuble wollten politische Verantwortung übernehmen. Grünen-Obmann Gerhard Schick warf dem Ministerium "Organisationsversagen" vor. Die zum Teil kriminellen Steuerpraktiken hätten gezeigt, dass der Staat dem Finanzmarkt unterlegen sei und das Steueraufkommen nicht geschützt werde.

Der Ausschuss hörte insgesamt fast 80 Zeugen und beginnt nun mit der Erarbeitung seines Untersuchungsberichts, der auf einer der letzten Plenarsitzungen dieser Sitzungsperiode des Deutschen Bundestages diskutiert werden soll.