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Parlamentarisches Profil : Die Linkskämpferin: Hilde Mattheis

19.03.2018
2023-08-30T12:34:26.7200Z
3 Min

D as Ergebnis muss man akzeptieren", bewertet Hilde Mattheis trocken die SPD-Abstimmung über den Koalitionsvertrag. Von Enttäuschung will die Parteilinke nicht sprechen, auch wenn sie sich deutlich mehr Nein-Stimmen gegen die Neuauflage der Großen Koalition versprochen hatte. Am Ende stimmten, angetrieben von der Parteiführung, zwei Drittel der SPD-Mitglieder für ein weiteres, seit 2005 nunmehr drittes Bündnis mit der Union unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel.

"Auf diese Situation müssen wir uns jetzt einstellen", sagt die Bundestagsabgeordnete aus Ulm, neben Juso-Chef Kevin Kühnert das Gesicht der NoGroKo-Bewegung in der SPD. "Der zentrale Punkt bleibt für mich der Erneuerungsprozess in der Partei." Der ist für die 63-Jährige in einer kompromissbehafteten Koalition mit CDU und CSU nicht realisierbar. Diese Position vertritt die streitbare Parteilinke schon länger und verweist dabei auf das langjährige Schrumpfen der SPD bei Bundestagswahlen, jetzt auf ein Rekordtief von 20,5 Prozent. "Das muss uns zum Nachdenken bringen", meint Mattheis - auch wenn Parteiobere wie Fraktionschefin Andrea Nahles auf die "sozialdemokratischen Handschrift" im Koalitionsvertrag verweisen. In diesem sieht Mattheis viele vage Formulierungen und nur "wenige ganz klare Vereinbarungen". Offenkundig hätten sich bei der Abstimmung viele Genossen von der Angst treiben lassen, dass die SPD bei eventuellen Neuwahlen noch stärker unter die Räder kommen könnte.

Auch wenn es bei den Mitgliedern nicht die große Rolle spielte wie in ihrer Argumentation: Für Hilde Mattheis ist es "eine Riesenherausforderung", dass jetzt die AfD und nicht die SPD Oppositionsführer im Deutschen Bundestag ist: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zerrieben werden zwischen Regierung und Opposition."

Wie bewertet die bisherige gesundheitspolitische Fraktionssprecherin die Vereinbarungen zu diesem Thema im Koalitionsvertrag? Immerhin wurde die Rückkehr zur Parität bei den Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vereinbart, ebenso wie zusätzliche Pflegestellen in Kliniken wie Pflegeheimen. "Alles, was mehr wird, ist gut", sagt Mattheis. Sie verweist aber darauf, dass die Parität in der GKV einst unter Rot-Grün mit einem SPD-Kanzler Schröder abgeschafft wurde und hier nur ein Fehler korrigiert wurde. Beim sozialdemokratischen Leib-und-Magen-Thema der Bürgerversicherung sei in den Verhandlungen die "Fahne ziemlich hochgezogen und dann wieder still eingezogen worden", so Mattheis. Und die vereinbarten 8.000 zusätzlichen Pflegekräfte in der medizinischen Behandlungspflege bei 1.300 Einrichtungen seien "nicht überzeugend, aber besser als nichts".

Wie sollte sich die SPD nach dem Pro-Koalitions-Entscheid verhalten? Die SPD-Minister sollten nicht alles von Unionsseite abnicken, sagt Mattheis. Die Fraktion müsse selbstbewusst gegenüber der Regierung sein, alle müssten sich an der basisorientierten Partei orientieren.

Was sagt Mattheis zur traurigen Entwicklung sozialdemokratischer Parteien in Europa, ob in Italien, Frankreich, den Niederlanden, Griechenland oder Spanien? "Mit dem Anspruch, die Mitte zu besetzen, ist es vorbei. Das hat nur zu Unschärfen der politischen Lager geführt." Sie verweist auf die britische Labour-Partei unter Jeremy Corbyn, der mit klarem Linkskurs gegen die Konservativen gepunktet habe.

Ihr Amt als gesundheitspolitische Fraktionssprecherin hat Hilde Matt-heis jetzt abgegeben, auch wenn sie weiter im Gesundheitsausschuss sitzt. "Ich kann diese Position nicht mehr glaubwürdig nach außen vertreten, nachdem ich mich so klar gegen eine neue Große Koalition positioniert habe", sagt Mattheis, die seit 2002 im Bundestag sitzt. Stattdessen will sie das Forum "Demokratische Linke 21" mit seinen knapp 1.300 Mitgliedern, eine von Mattheis seit 2011 geführte Plattform der SPD-Linken, an Bedeutung stärken.

Im Sauerland geboren, lebt Hilde Mattheis seit ihrem Lehrerstudium in den 1970er Jahren im Württembergischen. Schwäbisch spricht sie nicht. Sie folgte ihrem Ehemann nach Ulm, wo sie sich seit 1986 in einer schwarz geprägten Gegend in der SPD engagiert. Baden-Württembergs SPD belohnt das Engagement ihrer Landesvize mit einem sicheren Listenplatz. Die Mutter zweier in der Nähe lebender Töchter sieht sich als ausgesprochener Familienmensch und freut sich, wenn sie neben Rad- und Skifahren mal Zeit fürs Nähen hat.