Piwik Webtracking Image

PlebiszitE : Ein Klassiker

Mit der Forderung nach einer Enquete-Kommission »Direkte Demokratie auf Bundesebene« stößt die AfD bei den anderen Fraktionen auf klare Ablehnung

23.04.2018
2023-08-30T12:34:27.7200Z
3 Min

Unter den Dauerbrennern, mit denen sich der Bundestag über Legislaturperioden hinweg immer wieder beschäftigt, ist der Ruf nach Einführung plebiszitärer Elemente auf Bundesebene ein wahrer Klassiker: Seit der zwölften Wahlperiode (1990 bis 1994) habe es "mehr als ein Dutzend entsprechender Gesetzentwürfe" von verschiedenen Fraktionen gegeben, rechnet die AfD-Fraktion in einem Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission "Direkte Demokratie auf Bundesebene" (19/1699) vor. Als der Bundestag vergangene Woche erstmals über diese Vorlage debattierte, sprachen sich die anderen Fraktionen ebenfalls für mehr Bürgerbeteiligung aus, wandten sich aber zugleich klar gegen den AfD-Vorstoß.

Dem Antrag zufolge soll die geforderte Enquete-Kommission einen Gesetzentwurf vorbereiten, der "insbesondere im Einklang mit dem Grundgesetz steht und die Vereinbarkeit der durch das Volk beschlossenen Gesetze mit höherrangigem Recht und dem Völkerrecht gewährleistet". Dabei soll sie laut Vorlage unter anderem prüfen, welche Lehren sich aus den Erfahrungen mit direktdemokratischen Instrumenten auf Landes- und Kommunalebene ziehen lassen und inwieweit direktdemokratische Regelungen anderer Staaten wie etwa der Schweiz oder den USA in Deutschland übernommen werden können. Ihre Ergebnisse und Handlungsempfehlungen soll sie laut Vorlage bis zur parlamentarischen Sommerpause 2019 vorlegen, damit noch in der laufenden Legislaturperiode "erste Umsetzungsschritte erfolgen können".

Laut Geschäftsordnung kann der Bundestag eine Enquete-Kommission "zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe" einsetzen; auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder ist er dazu verpflichtet. Enquete-Kommissionen bestehen aus Abgeordneten und externen Sachverständigen.

In der Debatte sagte Jochen Haug (AfD), direkte Demokratie solle die repräsentative ergänzen. Die AfD fordere Volksabstimmungen "im Wesentlichen in drei Konstellationen". So dürfe es "ohne Zustimmung des Volkes" keine Änderung des Grundgesetzes und keine Abgabe nationaler Souveränität an die EU oder andere internationale Organisationen geben. Auch müssten die Bürger über vom Parlament beschlossene Gesetze eine Abstimmung herbeiführen und auch eigene Gesetzesinitiativen auf Bundesebene einreichen können.

Mehr Bürgerbeteiligung Andrea Lindholz (CSU) entgegnete, eine Entscheidung sei "nicht automatisch deshalb besser, weil sie direktdemokratisch getroffen wurde". Auch ließen sich komplexe bundespolitische Themen nur selten mit "Ja" oder "Nein" beantworten; zudem könne auf Bundesebene "angesichts von vielfältigen und komplexen Themen schnell Rechtsunsicherheit entstehen". Gleichwohl halte sie mehr Bürgerbeteiligung für wichtig. Dazu sei im Koalitionsvertrag vorgesehen, eine Expertenkommission einzusetzen (siehe Stichwort). Es sei sinnvoll, diese Expertenvorschläge erst einmal abzuwarten.

Manuel Höferlin (FDP) plädierte gleichfalls für mehr Bürgerbeteiligung. Dabei habe es der Bundestag in der Hand, mehr Bürger an seinen Verfahren zu beteiligen. So habe die FDP ein "Bürgerplenarverfahren" vorgeschlagen, bei dem im Bundestagsplenum über eine Petition zu einem wichtigen Thema, die von einer hohen Zahl von Bürgern unterstützt wird, in einer "Bürgerplenarstunde" diskutiert würde. Jede Fraktion außer der AfD habe eine Vorstellung, wie direkte Demokratie aussehen könne. Darüber werde die FDP gerne diskutieren, doch sei es falsch, das Thema in eine Enquete-Kommission "abzuschieben".

Lars Castellucci (SPD) betonte, er sei für direkte Demokratie, doch müsse man das Thema "weiter fassen" als im AfD-Antrag. Castellucci verwies darauf, dass in der Schweiz ein Viertel der dortigen Steuerzahler von Volksabstimmungen ausgeschlossen sei, weil sie keinen Schweizer Pass hätten. Er wolle dagegen die Teilhabe aller Menschen erreichen, was alleine mit den von der AfD vorgeschlagenen direktdemokratischen Verfahren nicht gelinge. Daher sei es gut, dass sich die Koalition auf eine Expertenkommission verständigt habe, die über eine "Stärkung der Demokratie insgesamt" beraten solle.

Friedrich Straetmanns (Linke) befürwortete grundsätzlich den Vorschlag, mehr Verfahren der direkten Demokratie einzuführen. Seine Fraktion fordere seit langem, erweiterte Möglichkeiten direkter demokratischer Entscheidung zu eröffnen durch Volks- und Bürgerbegehren und -entscheide. Zugleich fordere sie "obligatorische Volksentscheide über die EU-Verträge". Dabei habe seine Fraktion bereits einen Gesetzentwurf zur Stärkung der direkten Demokratie vorgelegt. "Deshalb bedarf es hier nicht der Beerdigung zweiter Klasse in einer Enquete-Kommission", fügte Straetmanns hinzu.

Minderheitenschutz Britta Haßelmann (Grüne) unterstrich, dass ihre Partei immer für Elemente der direkten Demokratie auch auf Bundesebene plädiert habe. Ihr sei aber bewusst, dass "direkte Demokratie auch für menschenverachtende Hetze" missbraucht werden könne. In dem AfD-Antrag komme das Wort "Minderheitenschutz" indes nicht vor. Die Grünen wollten "die Debatte über direkte Demokratie", aber keine Plattform "für Hetzkampagnen gegen Menschen anderer Herkunft, gegen Lesben und Schwule, Obdachlose, Andersdenkende, Andersgläubige oder sozial Benachteiligte".