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ASYL : Ringen um Aufklärung

AfD und FDP bleiben mit ihrem Ruf nach einem Bamf-Untersuchungsausschuss derzeit alleine

11.06.2018
2023-08-30T12:34:29.7200Z
4 Min

Nur drei der 30 Abgeordnetenfragen, denen sich Angela Merkel vergangene Woche bei der ersten Regierungsbefragung der Bundeskanzlerin im Parlament (siehe Seite 5) stellen musste, betrafen die Affäre um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Sie reichten der Regierungschefin gleichwohl, um ihre Flüchtlingspolitik zu verteidigen in der Diskussion um das Bamf, in dessen Bremer Außenstelle zwischen 2013 und 2016 mehr als 1.200 Asylbescheide unrechtmäßig ergangen sein sollen (siehe Seite 3).

"Der Weg von 2015 bis heute, die Aufklärung dessen, was in Bremen passiert ist", sei eine Sache, eine andere dagegen die Frage, wie das Bamf insgesamt noch besser arbeiten müsse, betonte sie und konstatierte: "Das war damals sehr verbesserungswürdig und ist auch verbessert worden." Man sei 2015 mit einer humanitären Ausnahmesituation konfrontiert gewesen, in der sich Deutschland "sehr verantwortlich" verhalten habe. "Die politischen Grundentscheidungen waren richtig", rechtfertigte die Kanzlerin ihr damaliges Vorgehen; im Übrigen sei durch den Europäischen Gerichtshof bestätigt worden, "dass rechtmäßig gehandelt wurde".

Vertrauensverlust Dennoch wollen die AfD- und die FDP-Fraktion nicht nur die Unregelmäßigkeiten und Unzulänglichkeiten im Bamf, sondern auch Merkels Flüchtlingspolitik seit 2014 auf den Prüfstand stellen, wie aus ihren Anträgen auf Einsetzung eines entsprechenden Untersuchungsausschusses (19/2392, 19/2524) hervorgeht. Die politische Verantwortung liege dort, wo das Amt beaufsichtigt werde, über seine Ausstattung entschieden worden sei und "die Grundentscheidungen getroffen wurden, die zum massiven Anstieg der Fallzahlen geführt haben", begründete FDP-Fraktionschef Christian Lindner am Tag nach Merkels Auftritt im Bundestag die Forderung, dass der Ausschuss "auch das politische Umfeld untersuchen" müsse.

Während Beatrix von Storch (AfD) in der ersten Debatte über die beiden Vorlagen befand, dass der FDP-Antrag "sehr gut zu unserem passt", bemühte sich Lindner um Abgrenzung: "Nur weil die Falschen zustimmen", lasse sich die FDP nicht davon abhalten, "das Richtige zu fordern". Der drohende Vertrauensverlust in den Rechtsstaat sei "politischer Sprengstoff - manche hier wollen ihn zünden, wir wollen ihn entschärfen."

Dass sich der Innenausschuss auf Sondersitzungen mit dem Bamf befasse, sei so, wie offenbar zu lange in dem Amt gearbeitet worden sei, "nämlich schnell, aber nicht gründlich genug", argumentierte Lindner und verwies auf die weiterreichenden Möglichkeiten eines Untersuchungsausschusses: Die FDP wolle das Recht in Anspruch nehmen, die Instrumente der Strafprozessordnung zu nutzen, sie wolle Zeugen vernehmen und "Akteneinsicht auch dort nehmen, wo sich die Regierung momentan im Innenausschuss noch auf den vertraulichen Kernbereich des Exekutivhandelns zurückziehen kann".

Für die AfD betonte von Storch, mit Sondersitzungen des Innenausschusses möge man schneller sein, doch habe man ja gerade beim Bamf festgestellt, dass "Schnelligkeit vor Qualität" ins "Desaster" führe. Das Land erwarte Antworten auf die Fragen, was im Bamf passiert sei und warum und wer dafür die Verantwortung trägt. Dabei sei die Krise dort "denklogisch nicht zu trennen von politischen Leitentscheidungen in der Asyl- und Migrationspolitik".

Auch mit vereinten Kräften könnten die 92 AfD- und 80 FDP-Parlamentarier allein einen Untersuchungsschusses indes nicht erzwingen. Auch bei Einbeziehung der zwei fraktionslosen Abgeordneten fehlen zur dazu erforderlichen Zahl eines Viertels aller Abgeordneten, aktuell 178, vier Stimmen. Und die übrigen Fraktionen machten klar, sich zumindest derzeit dem Ruf nach einem solchen Ausschuss zu verschließen.

Es sei die Pflicht und das Recht des Innenausschusses, für Aufklärung zu sorgen, sagte Patrick Schnieder (CDU). Die Bremer Vorgänge seien ein "echter Skandal", der aufgeklärt werden müsse. Es gebe ja doch keinen Hinweis, dass man dafür die Zwangsmittel eines Untersuchungsausschusses benötige, und keinen Grund, dem Innenausschuss "jetzt die Aufklärung zu entziehen". Wer aber einen Untersuchungsausschuss einsetze, schließe den Innenausschuss aus.

Wie Schnieder für die Union machte Lars Castellucci für die SPD deutlich, dass man nach der Befassung im Innenausschuss über einen Untersuchungsausschuss entscheiden werde. Das durch den Bremer Vorfall erschütterte Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit müsse wiederhergestellt werden, wobei man "nicht auf einen Untersuchungsausschuss warten" könne, sagte der SPD-Mann. Der Umfang der "Qualitätsprobleme" sei erschütternd, doch verwundere es niemand, dass es sie gibt. Deshalb stehe im Koalitionsvertrag eine Qualitätsoffensive für das Bamf, das "schon 2008 und 2009 ein Stiefkind des ehemaligen Innenministers war, der keinen Schwerpunkt auf Asyl- und Migrationsfragen gelegt hat".

Auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bekräftigte, dass die Strukturprobleme beim Bamf bekannt gewesen seien. Die Situation dort sei "nicht vom Himmel gefallen - natürlich gibt es Verantwortliche, die die Kürzung organisiert haben". Nötig sei "rückhaltlose Aufklärung", doch zeigten die Anträge "keinen aufrichtigen Aufklärungswillen", sondern "instrumentalisieren".

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf der AfD vor, ein "Tribunal gegen die Menschlichkeit und die Solidarität in diesem Land" anzustreben. Die Grünen wollten keinen Untersuchungsausschuss, weil ihre Aufklärungsstrategie die bessere und schnellere sei, fügte sie mit Blick auf den Innenausschuss hinzu. Werde dort jedoch von der Bundesregierung "gemauert" und nicht aufgeklärt, rede ihre Fraktion gern mit der FDP "über einen vernünftigen Untersuchungsauftrag".

Sondersitzungen Am Freitag befasste sich der Innenausschuss in zwei neuerlichen Sondersitzungen mit der Affäre: Erst befragte er den Vorsitzenden des Bamf-Gesamtpersonalrates, Rudolf Scheinost, dann erneut Bamf-Präsidentin Jutta Cordt und zudem ihre Vorgänger Frank-Jürgen Weise und Manfred Schmidt. Burkhard Lischka (SPD) resümierte anschließend, es sei deutlich geworden, dass dem Bamf in den Jahren vor 2015 die politische Rückendeckung durch das Bundesinnenministerium gefehlt habe. Trotz bereits stark steigender Fallzahlen sei dem Amt die erforderliche personelle Stärkung verwehrt worden. Mathias Middelberg (CDU) verwies darauf, dass die Fallzahlen lange Jahre sehr niedrig gewesen seien. Auf den Ansturm 2015 habe die Politik aber reagiert und das Bamf nachhaltig personell und finanziell nachhaltig gestärkt.

Zu einer weiteren Sondersitzung werden diese Woche Ex-Bundesinnenminister Thomas de Maizière sowie der frühere Kanzleramts- und heutige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) im Ausschuss erwartet.