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pflege : Schwere Geburt

Ausbildungs- und Prüfungsverordnung beschlossen

02.07.2018
2023-08-30T12:34:30.7200Z
3 Min

Die Erwartungen sind groß, die Bedingungen schwierig: In der Pflege mangelt es bekanntlich an Fachkräften, im Jahresdurchschnitt 2017 waren rund 35.000 Stellen nicht besetzt. Als die alte Koalition im Juni 2017 nach mehreren Pflegereformgesetzen zum Schluss das Pflegeberufegesetz (18/12847) auf den Weg brachte, war damit auch die Hoffnung verbunden, den aufgewerteten Pflegeberuf für Neueinsteiger attraktiver zu gestalten und so mehr Bewerber zu gewinnen. Nun hat der Bundestag vergangene Woche die dazugehörige Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (19/2707) der Bundesregierung in leicht veränderter Fassung (19/3045) beschlossen, gegen die Stimmen von AfD, Linken und Grünen, bei Enthaltung der FDP-Fraktion.

Das Pflegeberufegesetz wie auch die Verordnung wurden von Anfang an kritisch hinterfragt, denn die generalistische Ausbildung, die der Reform zugrunde liegt, wird von einigen Fachleuten als Einstieg in die Schmalspurexpertise gewertet. Und so gab es 2016 und 2017 schon Streit in der Großen Koalition, wie weit die Alleskönnerstrategie zu gehen habe.

Skepsis der Fachleute Über Monate ging es um die knifflige Frage, wie zugleich Generalisten und Spezialisten in der Pflege herangebildet werden könnten. Sehr spät stand ein Kompromiss im Raum: Das ursprünglich angedachte durchgehend generalistische Konzept wurde aufgegeben. Der Kompromiss sieht nun eine mindestens zweijährige generalistische Ausbildung vor sowie eine mögliche einjährige "Vertiefung" in Kinderkranken- und Altenpflege.

Nach einer Expertenanhörung zum Pflegeberufegesetz im Mai 2016 kamen Sachverständige vergangene Woche erneut zum Einsatz, diesmal wegen der Verordnung, mit der Mindestanforderungen, Prüfungen, die akademische Pflegeausbildung und die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse geregelt werden sowie die Errichtung einer Fachkommission, die sich mit Rahmenlehr- und Rahmenausbildungsplänen befasst. Die Bedenken hörten sich so ähnlich an wie zwei Jahre zuvor.

Spezialwissen wichtig Eine allgemein gehaltene Pflegeausbildung mit Vertiefungseinsätzen sei zu wenig, um in der Kinderkranken- und Altenpflege die nötige Kompetenz zu erlangen, hieß es in der Anhörung. Während alte Leute unter chronischen Erkrankungen und altersbedingten Mehrfacherkrankungen (geriatrietypische Multimorbidität) litten, gehe es in der pädiatrischen Versorgung um Säuglinge, kleine und auch große Kinder. Die Bedenken haben sich bei der Opposition festgesetzt, die gegen die Reform der Berufsausbildung an sich nichts einzuwenden hat. Gerügt wird, dass in der Altenpflege die Anforderungen gering gehalten würden, um keine Bewerber mit niedrigen Schulabschlüssen ausschließen zu müssen.

Union und SPD forderten, die Reform nicht vorschnell zu zerreden, es bleibe die praktische Umsetzung abzuwarten. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wertete die Verordnung als wichtigen Teil eines Gesamtpaketes, mit dem die Vertrauenskrise in der Pflege angegangen werden könne. So falle das Schuldgeld weg, dafür werde eine Vergütung gezahlt. In der Altenpflege sei es zudem gelungen, "gut austariert" ein hohes Niveau festzuschreiben. Die harte Kritik daran sei "irritierend", sagte Spahn und warnte davor, das Ausbildungsniveau schlechtzureden. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) ergänzte, die Verordnung zeige, wie anspruchsvoll die Pflegeberufe seien.

Karl Lauterbach (SPD) sprach von überzogener Kritik und verwies auf Änderungen bei der Beschreibung der Kompetenzbereiche in der am heftigsten umkämpften Anlage 4, in der es um die Altenpflege geht. Erich Irlstorfer (CSU) räumte ein, dass die Verordnung nicht hundertprozentig zufrieden stellen könne. Es gehe aber auch darum, "keine Jugendlichen auf der Strecke zu verlieren". In der Kinderkrankenpflege werde mehr Durchlässigkeit geschaffen. Die hohe Qualität bleibe extrem wichtig.

Kordula Schulz-Asche (Grüne) fragte hingegen, wie eine praktische Ausbildung für 40.000 Azubis in der Generalistik an rund 300 Kinderstationen ermöglicht werden solle. In der Altenpflege sei eine Ausbildung zweiter Klasse vorgesehen. Pia Zimmermann (Linke) rügte, die Arbeitgeberverbände hätten sich durchgesetzt. Es gehe darum, "billige Arbeitskräfte in der Altenpflege zu beschäftigen und damit satte Profite einzufahren". Eine solche "Deprofessionalisierung" sei klar abzulehnen.

Zeit drängt Nicole Westig (FDP) sagte, es sehe so aus, als sollten angesichts des Personalmangels möglichst schnell viele Menschen eine Pflegeausbildung durchlaufen. Die Altenpflege verkomme dabei zur "Pflege light". Angesichts des großen Zeitdrucks wolle die FDP sich der Reform aber nicht verschließen und enthalte sich. Auch Detlev Spangenberg (AfD) verwies auf die geforderte schnelle Lösung, wandte sich aber gegen "Ausbildungsexperimente". Eine Generalisierung könne nachteilig sein. Sie verhindere eine durchgängige spezialisierte Vermittlung von Fertigkeiten und Wissen. Dies sei schlecht für die Ausbildungsbetriebe wie auch die Auszubildenden. Deswegen sollte die Generalisierung schon im Laufe des ersten Ausbildungsjahres abgeschlossen sein.