Piwik Webtracking Image

Klimapolitik : Totaler Ausstieg

Die AfD will einen radikalen Politikwechsel. Die übrigen Fraktionen halten mit der Wissenschaft dagegen

02.07.2018
2023-08-30T12:34:31.7200Z
4 Min

Schluss mit jedweden Gesetzen, Verordnungen und sonstigen Vorschriften in der Klima- und Energiepolitik. Keine nationalen oder internationalen Verpflichtungen in Sachen Klimaschutz mehr. "Sozialverträglicher" Abbau aller dahingehenden Planstellen bei Bund und Ländern. Stattdessen ein Fonds für die Folgen der Anpassung an den Klimawandeln mit maximal zehn Prozent der bisher für den Klimaschutz aufgewendeten Mittel. Das sind die Eckpunkte eines Antrags der AfD-Fraktion (19/2998), die laut der Vorlage das Ziel verfolgt, "die sogenannte Klimaschutzpolitik so schnell wie möglich vollständig zu revidieren".

Dafür findet die AfD im Bundestag jedoch keine Mitstreiter, wie während der Debatte vergangenen Donnerstag deutlich wurde. Alle anderen Fraktionen stellten sich klar gegen das Vorhaben und warfen der AfD vor, wissenschaftliche Erkenntnisse zu ignorieren, "Fake News" zu verbreiten und eine Art Energie-Anarchie zu wollen.

Zu Beginn der Debatte sagte Karsten Hilse (AfD), es gebe nicht einen einzigen Beweis dafür, "dass der Mensch mit seinen CO2-Emissionen die Welttemperatur messbar beeinflusst". Das Klima wandle sich seit Millionen von Jahren "und zwar ohne Zutun des Menschen", sagte der AfD-Abgeordnete. Hilse sprach von einer "unverantwortlichen, ja asozialen Klimaschutzpolitik" insbesondere jener Regierungen, an denen die "Klimakanzlerin" beteiligt gewesen sei. Beleg dafür sei die gerade installierte "Kohleausstiegskommission", die nicht nach dem Prinzip der Machbarkeit oder der wirtschaftlichen Vernunft agiere, sondern "links-grün ideologisch getrieben" sei. Unter dem Vorwand des Klimaschutzes würden teure Maßnahmen ergriffen, die ohne Einfluss auf das "nur in den Köpfen von Klimaideologen existierende Weltklima" seien, kritisierte Hilse. Niemand folge international Deutschland bei diesen Aktivitäten, sagte der AfD-Politiker, und verwies auf "62 Länder, in denen derzeit 1.600 Kohlekraftwerke gebaut werden".

Vorbildfunktion Die AfD fordere die Aufgabe aller Klimaziele, dabei würden "so gut wie alle Wissenschaftler weltweit" sagen, dass Klimagase wie CO2 den Klimawandel befördern und dieser Klimawandel menschengemacht sei, entgegnete Anja Weisgerber (CSU). "Was Sie fordern, ist verantwortungslos gegenüber unseren Kindern und Enkeln", sagte sie. Deutschland habe eine Vorbildfunktion, die es auszugestalten gelte. Sonst könnten die Entwicklungs- und Schwellenländer, die gerade ihre Wirtschaft aufbauten, mit Verweis auf Deutschland auch ausschließlich auf fossile Energien setzen, was zu einer Erderwärmung von viel mehr als drei Grad führen könne. "Dann könnten wir einpacken", befand Weisgerber.

Lukas Köhler (FDP) sagte, 97 Prozent aller Wissenschaftler seien der Auffassung, es gebe einen menschengemachten Klimawandel, der nur mit schnellem entschlossenem Handeln zu bekämpfen sei. Es müsse also nicht darüber geredet werden ob Klimapolitik gemacht werden muss, sondern wie sie gemacht werden sollte. Ein Weg ist laut Köhler die Detailsteuerung, bei der versucht werde, "alles bis ins letzte Detail zu regeln, zu lenken, zu verbieten und zu subventionieren". So sehe die derzeitige Klimaschutzpolitik in Deutschland aus, die teuer und inneffizient sei. "Und am Ende werden die Ziele doch nicht eingehalten." Die FDP schlage "den Weg der Mengensteuerung" vor, sagte Köhler. Dabei gebe die Politik lediglich vor, wie viel CO2 insgesamt ausgestoßen werden darf. Die Verteilung werde dann den "Tüftlern, Technikern und Ingenieuren überlassen".

Mit Blick auf die AfD sagte Klaus Mindrup (SPD), jeder habe das Recht auf eine eigene Meinung. "Aber keiner hat das Recht auf eigene Fakten." Der Klimawandel sei spürbar - auch in Berlin und Brandenburg. Während es in Berlin inzwischen jährlich "Jahrhundertregenfälle" gebe, drohten in Brandenburg Ernteausfälle, weil es zu wenig Regen gebe. In anderen Ländern der Erde seien die Entwicklungen noch viel dramatischer. Zu all dem sage die AfD, dies habe nichts mit menschlichem Handeln zu tun, kritisierte Mindrup. Dabei hätten Klimaforscher schon vor zehn Jahren auf derartige Folgen bei steigendem CO2-Ausstoß hingewiesen. Auf den Antrag der AfD, so seine Bewertung, könne es nur eine klare Antwort geben: "Ein gutes Klimaschutzgesetz als Parlamentsgesetz."

Energie-Anarchie Lorenz Gösta Beutin (Die Linke) nannte die Forderung, Deutschland solle aus dem Klimaschutz aussteigen, verantwortungslos. Dem Verweis darauf, CO2 sei das "Gas des Lebens", begegnete Beutin mit der Einschätzung, es verhalte sich dabei wie bei Medikamenten: "Nimmt man zu viel, wirkt es schädlich." Deutschland liege bei 2,3 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes, habe aber nur einen Anteil an der Weltbevölkerung von einem Prozent. "Deutschland stößt also überproportional CO2 aus und wir sind dringend angehalten, das zu reduzieren", sagte er.

Der AfD-Antrag sei "Blödsinn", urteilte Oliver Krischer (Grüne). Die Fraktion fordere eine Art "Energie-Anarchie". "Die Folge wäre, dass sofort die Lampen ausgehen und Hunderttausende Leute entlassen werden." Ein Satz in den Antrag stimme jedoch "leider". Nämlich jener: Die Klimaschutzziele wurden verfehlt. Der einfache Grund dafür sei: "Wir haben eine Bundesregierung, die zwar von Klimaschutz redet, aber seit Jahren keine Klimaschutzpolitik macht", beklagte Krischer.