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EUGH-Urteil : »Heftige Quittung fürs Nichtstun«

Kritik am Umgang der Bundesregierung mit der Nitratbelastung

02.07.2018
2023-08-30T12:34:31.7200Z
3 Min

Gerade erst hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Deutschland wegen der zu hohen Nitratbelastung des Grundwassers verurteilt: Die Regierung sei nicht strikt genug gegen die Verunreinigung vorgegangen, so die Richter. Dieses Urteil war Anlass für eine Aktuelle Stunde auf Verlangen der Grünen am vergangenen Donnerstag.

Das Urteil sei eine "heftige Quittung" für das "jahrelange Nichtstun" der Bundesregierung gewesen, sagte Friedrich Ostendorff für die Grünen. Bei 28 Prozent der Messstellen seien Nitratbelastungen über dem Grenzwert festgestellt worden. Einer der Gründe für die hohen Werte sei die massive Konzentration von Tierhaltung in einigen Regionen. Deren "Gülleflut" belaste die Gewässer. In Deutschland seien jahrelang die Empfehlungen von Experten ignoriert worden, auch die 2017 in Kraft getretene Düngegesetzgebung erfordere "deutliche Nachbesserungen".

Die Unions-Abgeordnete Astrid Damerow (CDU) sagte, man müsse die Daten der EU in die "richtige Relation" stellen. In Deutschland seien - anders als in anderen Staaten - alle Messstationen "landwirtschaftlich beeinflusst" gewesen. Tatsächlich seien aber 82 Prozent der Messwerte "in Ordnung gewesen". Mit der neuen Düngemittelverordnung seien die richtigen Maßnahmen ergriffen worden, sagte Damerow.

Für die SPD betonte Michael Thews, dass das Problem "real" sei. Schon jetzt seien teure Maßnahmen erforderlich, um das deutsche Trinkwasser in seiner hohen Qualität zu halten. Würden die Versorger zu teureren technischen Maßnahmen und mehr Aufwand gezwungen, werde sich das in den Preisen niederschlagen. Man werde über die Wirkung der novellierten Verordnung erst in einiger Zeit befinden können, aber es gebe schon jetzt Stimmen, die sie für nicht ausreichend hielten - diese müsse man ernst nehmen, so Thews.

Strukturbrüche befürchtet Der Parlamentarische Staatssekretär für Ernährung und Landwirtschaft, Michael Stübgen (CDU), sagte, das Urteil habe sich auf die alte Düngemittelverordnung bezogen, die inzwischen novelliert worden sei. Zudem habe es in vielen europäischen Staaten Probleme aufgrund der intensiven Tierhaltung bei der Umsetzung der Düngemittelrichtlinie gegeben. Man wolle zwar die Nitrateinbringung beschränken, gleichzeitig aber auch "Strukturbrüche" in der Landwirtschaft verhindern.

Sein Kollege Florian Pronold (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, verwies dagegen auf die Situation vieler Wasserzweckverbände, die große Anstrengungen unternehmen müssten, um der Nitratbelastung Herr zu werden. Die Länder könnten mehr als das vorgeschriebene tun, allerdings sei auffällig, dass von dort nur "relativ zurückhaltende Stimmen" kämen.

Für die AfD-Fraktion hob Wilhelm von Gottberg die Belastungen der neuen Düngemittelverordnung hervor. Für den Bund sei mit Mehrbelastungen von 111 Millionen Euro pro Jahr, für die Länder von 81 Millionen pro Jahr zu rechnen. Weil der Zustand seit der Klage durch die neue Verordnung ein anderer sei, sei diese nur eine "formaljuristische Fingerübung" gewesen.

Die FDP-Abgeordnete Carina Konrad monierte, die neue Düngemittelverordnung sei "eine Belastung für die, die sie umsetzen müssen". Düngemittel seien wichtig für die Ernährung der Pflanze und damit die Versorgung mit Lebensmitteln. Die "starre Regulation" hindere die Landwirte zum Teil an einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Flächen. Eine solche "praxisferne Regelungswut" schaffe Frust.

Für die Linksfraktion verwies Ralph Lenkert darauf, dass 50 Prozent des Stickstoffüberschusses aus der Landwirtschaft käme, ein großer Teil aber aus der Luft. Dies werde durch Industrie und Verkehr, unter anderem durch Dieselfahrzeuge, verursacht - und es sei nicht einzusehen, dass die Verbraucher durch hohe Abwassergebühren bestraft würden, die Automobilkonzerne aber nicht zum Nachrüsten der nötigen Technik verpflichtet würden. suk