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meeresschutz : Auf hoher See

Schwierige Umsetzung der Abkommen

06.08.2018
2023-08-30T12:34:33.7200Z
5 Min

Es war nicht gerade große Einigkeit, die das Bild vom jüngsten G7-Gipfel prägte: Aus Charlevoix blieb im öffentlichen Gedächtnis vor allem das Bild von US-Präsident Donald Trump, der bockig die Arme verschränkt, während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die übrigen Staatschefs auf ihn einreden. Und natürlich der Tweet, mit dem Trump sämtliche Ergebnisse auf dem Rückflug wieder in Frage stellte.

Doch während es um Fragen von Welthandel und Klimaschutz beim G7-Treffen heftigen Streit gab, bestand bei einem anderen Thema weitgehend Einigkeit: Ohne große Widerstände verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs aus den USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland das "Konzept von Charlevoix für gesunde Ozeane und Meere sowie widerstandsfähige Küstengemeinschaften". Darin kündigen sie an, die Erforschung der Meere auszuweiten, stärker gegen illegale Fischerei vorzugehen, die Schaffung von Meeresschutzgebieten voranzutreiben - allerdings nur, wo dies "angemessen und praktikabel" sei - und Plastik im Meer stärker zu bekämpfen.

Damit hat die Gruppe der sieben wirtschaftliche stärksten Staaten ihr Engagement zum Meeresschutz ausgeweitet, das 2015 unter der deutschen Präsidentschaft beim Gipfel in Elmau mit einem "Aktionsplan zur Bekämpfung der Meeresvermüllung" begonnen hatte. Auch das Thema Tiefseebergbau wurde in Elmau erstmals im Rahmen der G7 behandelt. Beim G20-Gipfel in Hamburg stand das Thema Müll im Meer ebenfalls auf der Tagesordnung und mündete in einen Aktionsplan, der vor allem auf verstärktes Recycling von Kunststoffen setzt, weniger hingegen auf deren Vermeidung.

Mehr als Appelle Deutlich konkreter als die Ankündigungen von G7 und G20, die vor allem auf Appelle und Selbstverpflichtungen setzen, sind die Meeresschutz-Aktivitäten der Europäischen Union. Diese hat ihre Mitgliedstaaten mit der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie auf eine nachhaltige Bewirtschaftung ihrer Gewässer verpflichtet: Sie mussten bis 2015 ein Maßnahmenprogramm erstellen, das bis 2020 umgesetzt werden soll. Eine besondere Herausforderung für Deutschland ist dabei die Reduzierung der Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft, die durch Überdüngung zu Sauerstoffmangel in der Nord- und Ostsee führen. So bezweifelte etwa der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen im August 2015, dass die in Deutschland geplanten Initiativen ausreichen, um die Einträge im notwendigen Ausmaß zu verringern.

Einen weiteren Schwerpunkt setzt die EU auf die Vermeidung des Eintrags von Müll in die Meere. So schreibt sie beispielsweise schon seit dem Jahr 2000 in einer Richtlinie vor, dass Häfen von Schiffen einen Großteil der Kosten für die Müllentsorgung pauschal anhand der Schiffsgröße verlangen sollen, so dass die Kosten weitgehend unabhängig von der tatsächlich entsorgten Müllmenge anfallen. Diese Regelung, die auch in diversen internationalen Konventionen gefordert wird, soll verhindern, dass Abfall aus Kostengründen ins Meer geworfen wird. Für Ladungsrückstände gilt diese Vorgabe allerdings nicht.

Eine große Rolle spielt das Thema Meeresschutz auch bei den Vereinten Nationen. In der "Agenda 2030" für nachhaltige Entwicklung, die im September 2015 beim UN-Gipfel in New York verabschiedet wurde, ist dem Schutz der Ozeane ein eigenes Ziel gewidmet. Auch hier mangelt es nicht an Ambitionen: Bis 2020 sollen die Meeres- und Küstenökosysteme nachhaltig bewirtschaftet sowie illegale, ungemeldete und unregulierte Fischerei und zerstörerische Fangpraktiken beendet werden. Zudem sollen bis dahin bestimmte Formen von Fischereisubventionen abgeschafft und mindestens zehn Prozent der weltweiten Meeresfläche unter Schutz gestellt werden. Im Juni 2017 fand eine eigene UN-Konferenz zu diesem Thema statt, das die Forderungen weiter konkretisierte.

Hohe See Sehr viel schwieriger, als solche Beschlüsse zu fassen, gestaltet sich die Umsetzung. Denn mehr als zwei Drittel der Meeresfläche liegen außerhalb der Zuständigkeit einzelner Staaten. Die ersten zwölf Seemeilen vor der Küste gehören als Hoheitsgewässer zum Gebiet eines Landes; die Anschlusszone mit eingeschränkten Rechten erstreckt sich bis 24 Seemeilen ins Meer. Bis zur Entfernung von 200 Seemeilen vom Festland schließt sich daran die ausschließliche Wirtschaftszone an, in der der Anrainerstaat exklusiv Fischerei betreiben und Bodenschätze fördern darf. Dahinter beginnt die sogenannte "Hohe See", die durch internationale Abkommen bisher kaum geschützt wird.

Zwar gilt auf der Hohen See das "Seerechtsübereinkommen" (siehe Randspalte). Doch dem Abkommen sind zum einen nicht alle Staaten beigetreten - unter anderem fehlen die USA. Zum anderen spielt der Natur- und Umweltschutz darin nur eine untergeordnete Rolle. Für den Abbau von Rohstoffen am Meeresgrund hat die zuständige UN-Behörde schon 29 Lizenzen erteilt. Meeresschutzgebiete sind auf der Hohen See hingegen die absolute Ausnahme. In den neun existierenden Schutzzonen - im Südpolarmeer, im Nordostatlantik und im Mittelmeer - ist vor allem die Fischerei reglementiert. Rechtsverbindlich sind die Vorgaben zudem nur für jene Staaten, die der Konvention des jeweiligen Schutzgebiets beigetreten sind. Um die internationalen Gewässer besser zu schützen, wird von diesem Jahr an in New York über ein neues Abkommen zum Schutz der Hohen See verhandelt, das das Seerechtsübereinkommen ergänzen würde.

Nachhaltige Fischerei Deutschland unterstützt entsprechende Bemühungen. "Die Weltmeere leiden unter Vermüllung, Überfischung und Klimawandel", sagte im Oktober 2017 die damalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) auf einer Meereskonferenz in Malta und fügte hinzu: "Das internationale Engagement für einen nachhaltigeren Umgang mit unseren Ozeanen und Meeren müssen wir daher weiter verstärken." Für den internationalen Meeresschutz, etwa Projekte zur nachhaltigen Fischerei, stellte sie zusätzlich 30 Millionen Euro bereit.

Auch in den deutschen Hoheitsgewässern und der Wirtschaftszone sieht die Situation auf den ersten Blick nicht schlecht aus: 45 Prozent der deutschen Meeresgebiete stehen unter Schutz - als Nationalpark, Naturschutzgebiet oder Natura-2000-Schutzgebiet. Doch Beschränkungen von Fischerei, Schifffahrt und Rohstoffförderung sind damit in vielen Fällen nicht verbunden, kritisiert der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). "Bis heute fehlt in den Managementplänen ein räumliches Regulierungskonzept, das es ermöglicht, einzelne Zonen von wirtschaftlicher Nutzung auszunehmen", bemängelt der Umweltverband. Fischerei ist fast überall erlaubt, und sogar im Nationalpark darf Erdöl gefördert werden. Gegenüber den wirtschaftlichen Interessen, die häufig mit langer Tradition begründet und mit großer Vehemenz vertreten werden, kann sich der Naturschutz oft nicht durchsetzen. Ein Antrag der Grünen-Fraktion, den Schutzstatus in den deutschen Gewässern zu verbessern und dem Umweltministerium dazu mehr Kompetenzen beim Meeresschutz zu geben, wurde im vergangenen Jahr mit den Stimmen der Großen Koalition abgelehnt.

Das Weddellmeer Zustimmung gab es hingegen für einen Antrag, der sich mit dem Meeresschutz in größerer Entfernung beschäftigt: Der Forderung, im Weddellmeer der Antarktis ein Meeresschutzgebiet auszuweisen, schlossen sich im Juni 2018 sämtliche Fraktionen des Bundestags an. Auf einer Fläche, die mit 1,8 Millionen Quadratkilometern etwa fünf Mal so groß ist wie Deutschland, lebt dort eine ungewöhnlich große Zahl wirbelloser Tierarten, die die Nahrungsgrundlage für viele Wal- und Robbenarten bilden.

Doch diese Meeresregion ist dadurch bedroht, dass in letzter Zeit immer mehr große Schiffe die Krebstiere mit staubsaugerähnlichen Geräten in großen Mengen aus dem Wasser holen. Vor allem Norwegen, China und Chile sind dort laut Greenpeace vertreten. Das dürfte auch die deutsche Einstimmigkeit in dieser Frage erklären: Denn eigene Wirtschaftsinteressen sind vor der Antarktis - anders als in der Nordsee - nicht berührt.

Der Autor ist Korrespondent der "taz".