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Bundeswehr im innern : Nur gefragt als Helfer in der Not

Vor dem Einsatz militärischer Mittel in der Bundesrepublik stehen hohe Hürden

20.08.2018
2023-08-30T12:34:33.7200Z
3 Min

Seit dem 4. August hat das italienische Heer einen neuen Einsatzauftrag: 3.000 Soldatinnen und Soldaten sollen im Rahmen der Operation "Strade Sicure" vor allem in der Nähe touristischer Attraktionen Posten beziehen, um Kriminelle abzuschrecken. Schwer bewaffnete Militärs, die Objekte bewachen oder durch Straßen patrouillieren, sind auch in anderen europäischen Ländern alles andere als ungewöhnlich. Ob ihr Einsatz tatsächlich einen operativen Wert hat, ist umstritten. Der psychologische Effekt steht hingegen außer Frage. Die Bürger scheinen die Militärpräsenz mehrheitlich als Signal zu begrüßen, dass die Regierung vor keinem Mittel zurückschreckt, um dem Rechtsstaat Geltung zu verschaffen.

Politisch nicht gewollt Ein vergleichbarer Einsatz der Bundeswehr im Innern ist politisch nicht gewollt und würde von der Bevölkerung vielleicht auch eher mit Befremden zur Kenntnis genommen werden. Vor allem aber stünden ihm rechtliche Schranken entgegen. Die Diskussion über den Beitrag der Bundeswehr zur inneren Sicherheit ist daher vor allem eine juristische. Die Frage, wie in ganzheitlicher Betrachtung ein optimaler Schutz der Bevölkerung gewährleistet werden kann, tritt hinter Debatten zurück, wie unsere Verfassung in dieser Hinsicht korrekt auszulegen ist.

Das Grundgesetz definiert die Verteidigung gegen äußere Bedrohungen als die eigentliche Aufgabe deutscher Streitkräfte. Zu anderen Zwecken dürfen sie nur eingesetzt werden, wenn die Verfassung dies ausdrücklich zulässt. Jenseits des vom Deutschen Bundestag zu erklärenden Verteidigungs- oder Spannungsfalls, hier kämen der Bundeswehr zur Abwehr eines äußeren Aggressors selbstredend auch Aufgaben im Innern zu, lassen sich drei Szenarien unterscheiden.

Das weitreichendste Szenario ist der innere Notstand. Das Grundgesetz (Artikel 87a, Absatz 4) erlaubt einen Einsatz der Bundeswehr auch mit genuin militärischen Mitteln, wenn der Bestand der demokratischen Grundordnung durch bewaffnete Aufständische bedroht ist und polizeiliche Kräfte nicht ausreichen, um der Lage Herr zu werden. Unter der ähnlichen Voraussetzung, dass zivile Kräfte alleine eine erfolgreiche Krisenbewältigung nicht gewährleisten können, darf die Bundeswehr gemäß Artikel 35, Absatz 2 des Grundgesetzes zudem bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, hierbei kann es sich auch um einen terroristischen Anschlag handeln, Aufgaben übernehmen. Sie handelt dabei nicht in eigener Regie, sondern im Auftrag und im Rahmen der Gesamtverantwortung einer zivilen Behörde. In der Vergangenheit wurde das Grundgesetz so ausgelegt, dass ein derartiger Einsatz nicht mit (militärischen) Waffen erfolgen dürfe.

Gericht schwenkt um Hier ist das Bundesverfassungsgericht 2012 mit einer seiner seltenen Plenarentscheidungen (alle Richter entscheiden und nicht nur ein Senat) umgeschwenkt. Das Grundgesetz, so die heute herrschende Meinung, lasse diese Frage offen. Allerdings sei ein bewaffneter Einsatz nur als ultima ratio bei "Ereignissen von katastrophischen Dimensionen" legitim.

Gibt es zur Praktikabilität dieser Versuche, Ausnahmesituationen rechtlich zu normieren, abseits der 2017 ausgerichteten "Gemeinsamen Terrorismusabwehr-Exercise" (GETEX) von Polizei und Bundeswehr noch keine Erfahrungswerte, so ist die Amtshilfe, die die Streitkräfte gemäß Artikel 35 Absatz 1 des Grundgesetzes leisten, nahezu alltägliche Praxis. Hoheitliche Aufgaben sind ihr hierbei nicht übertragen. Ihre Unterstützung beschränkt sich auf technische und personelle Hilfestellung. In jüngster Zeit hat die Bundeswehr in diesem Rahmen etwa Länder und Kommunen in der Flüchtlingshilfe unterstützt.

Besonders gefragt ist die Bundeswehr, wo es nicht allein personelle Engpässe zu überbrücken gilt, sondern sie auch Fähigkeit beisteuern kann, über die zivile Behörden nicht oder bloß eingeschränkt verfügen. Solche kann sie etwa bei der Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Bedrohungen, der Aufklärung, der Kampfmittelbeseitigung und der Sicherung des Luftraums einbringen.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde lange darüber diskutiert, wie zu verfahren wäre, wenn Terroristen ein Zivilflugzeug kapern und etwa auf ein voll besetztes Fußballstadion steuern wollen. Das 2005 in Kraft getretene Luftsicherheitsgesetz formulierte darauf die Antwort. Ein zentraler Punkt der ursprünglichen Fassung des Gesetzes war jedoch nach Meinung des Bundesverfassungsgerichtes nicht mit dem Grundgesetz vereinbar: Sofern sich nicht allein Terroristen an Bord der gekaperten Maschine befinden, darf diese nicht abgeschossen, sondern lediglich abgedrängt werden.