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Arbeit : Heraus aus der Falle

Der Gesetzentwurf für ein Rückkehrrecht auf Vollzeit sorgt nicht bei allen für Euphorie

01.10.2018
2023-08-30T12:34:35.7200Z
4 Min

Eine Spielwiese für Arbeitsrechtler (AfD, FDP), eine Lotterie (Linke), eine wieder einmal verpasste Chance (Grüne): Die Oppositionsfraktionen ließen kaum ein gutes Haar an jenem Gesetzentwurf, mit dem die Bundesregierung ein Rückkehrrecht auf Vollzeit einführen und Millionen, vor allem Frauen, aus der Teilzeitfalle heraushelfen möchte. Überhaupt wimmelte es in all den Reden der ersten Lesung des Entwurfs in der vergangenen Woche nur so von "Millionen". Und je nach Perspektive wird die Brückenteilzeit entweder Millionen Beschäftigten helfen oder Millionen Beschäftigte bleiben ausgeschlossen.

Der Gesetzentwurf (19/3452) sieht vor, im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) einen Anspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeit (Brückenteilzeit) neu einzuführen. In Betrieben mit mehr als 45 Beschäftigten sollen Arbeitnehmer, wenn sie bereits mehr als sechs Monate dort beschäftigt sind, künftig eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit verlangen können. Dies soll für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitpunkt von einem Jahr bis zu fünf Jahren möglich sein. Der neue Anspruch ist nicht an bestimmte Gründe wie Kindererziehung oder Pflege gebunden. Nach Ablauf der Brückenteilzeit sollen die Beschäftigten auf ihre ursprünglich vereinbarte Arbeitszeit zurückkehren können. Für Betriebe von 46 bis 200 Beschäftigten soll eine Zumutbarkeitsgrenze eingeführt werden: Diese Arbeitgeber sollen nur einem pro angefangenen 15 Arbeitnehmern den Anspruch auf Brückenteilzeit gewähren müssen.

In dieser Koppelung des Rückkehrrechts an bestimmte Betriebsgrößen liegt für viele Kritiker das Kernproblem. Denn, so hatte es im Sommer auch eine Antwort (19/3593) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/2959) der Fraktion Die Linke ergeben, knapp 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiten in Betrieben mit weniger als 45 Mitarbeitern.

Kein Wunder also, dass Susanne Ferschl (Die Linke) es sich in der Debatte nicht nehmen ließ, diese Zahl der Bundesregierung noch einmal vorzuhalten. "Sie schließen ganze Branchen, wie das Hotel- und Gaststättengewerbe damit aus, denn dort sind zwei Drittel aller Beschäftigten in kleineren und mittleren Betrieben beschäftigt", kritisierte sie. Außerdem bemängelte sie die fehlende Kontrolle der Durchsetzung der Brückenteilzeit. "So verkommt die Brückenteilzeit zur Lotterie", lautete ihr Urteil.

Probleme von Morgen Jürgen Pohl (AfD) sagt, er habe im Gesetzentwurf vergeblich nach Vorteilen für die Mütter gesucht. Es schließe zwei Drittel der teilzeitbeschäftigten Mütter aus, rechnete er vor. "Echte Sozialpolitik geht anders, aber diesen Anspruch haben Sie seit den Hartz-IV-Gesetzen aufgegeben", kritisierte er Union und SPD. Außerdem beschneide das Gesetz die unternehmerische Entscheidungsfreiheit dramatisch, sagte Pohl.

Ähnlich argumentierte auch Till Mansmann (FDP). Betriebe seien keine homogenen Einheiten, wo jeder jeden ersetzen könne. Der Entwurf atme den "Geist, der alles verspricht", die Probleme von Morgen aber erst schaffe. Er sagte der SPD voraus: "In zwei Jahren werden Sie hier stehen und den Anstieg von Teilzeit-Arbeit beklagen." Der Entwurf sei eine klassische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Betriebsjuristen und Arbeitsgerichte, so der Liberale.

Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, die Teilzeitfalle habe vor allem für Frauen gravierende Folgen. Sie bedeute weniger Lohn, weniger Aufstiegschancen und letztlich eine zu geringe Rente. "Aber für Millionen Frauen, die heute schon in Teilzeit sind, wird sich nichts ändern", warf sie der Bundesregierung vor. Mit dem Gesetz sei wieder einmal eine Chance verpasst worden, sagte Müller-Gemmeke.

Euphorie herrschte dagegen bei der SPD: Millionen von Menschen wünschten sich mehr berufliche Flexibilität, sagte der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD). Dem werde das seit 2001 geltende Recht auf Teilzeit nicht gerecht, da es für viele eine Sackgasse sei. "Wir stärken das Recht der Beschäftigten, aus dieser Teilzeitfalle herauszukommen." Außerdem sei es ein Instrument, um Altersarmut zu verhindern, denn wer sein Leben lang Teilzeit arbeite, dessen Rentenansprüche seien sehr gering, führte Heil aus.

Gabriele Hiller-Ohm (SPD) rief geradezu ins Plenum: "Dieses Gesetz ist ein Meilenstein." Denn die verbaute Rückkehr auf Vollzeit sei mit ein Grund, warum Frauen so wenig verdienen, mit katastrophalen Folgen für die Rente. Die Brückenteilzeit werde aber nun vielen helfen, aus der Teilzeitfalle herauszukommen.

Etwas gedämpfter klang das Lob dagegen aus der Union. Wilfried Oellers (CDU) begrüßte zwar den Gesetzentwurf. Zugleich verwies er darauf, dass durch die Brückenteilzeit aus einem unbefristeten Vollzeit-Vertrag zwei befristete Teilzeitverträge werden würden und ja gerade die Opposition seit Jahren die Zahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse kritisiere. Auch werde es eine Herausforderung für die Arbeitgeber sein, die Lücken zu schließen und jemanden zu bekommen, der befristet eine halbe Stelle übernimmt, warnte er.