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Mindestlohn : Das Armutsrisiko bleibt

Experten sind uneins, wie flexibel die Mindestlohnkommission ihre Entscheidungen treffen können sollte

01.10.2018
2023-08-30T12:34:35.7200Z
2 Min

Über die Höhe des Mindestlohns sollte auch in Zukunft die Mindestlohnkommission entscheiden. Darin waren sich die geladenen Sachverständigen in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vergangene Woche einig. Ebenso relative Einigkeit herrschte in der Auffassung, dass der Mindestlohn in seiner derzeitigen Höhe (8,84 Euro) Armut nicht verhindert. Dennoch wollten sich die Sachverständigen nicht auf die von der Linksfraktion geforderte Höhe von 12 Euro Stundenlohn festlegen lassen. Differenzen gab es in Bezug auf Vorschläge, die Arbeitsgrundlagen der Kommission so zu verändern, dass flexiblere Erhöhungen des Mindestlohns möglich wären. Die arbeitgebernahen Verbände bezeichneten zudem erweiterte Dokumentationspflichten jeder einzelnen Arbeitsstunde als völlig unpraktikabel.

Der Anhörung zugrunde lagen drei Anträge (19/96; 19/1828; 19/1829) der Fraktion Die Linke, in denen diese unter anderem einen gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde, eine stärkere Kontrolle und die Abschaffung von Ausnahmeregelungen fordert. Ein weiterer Antrag (19/975) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert ebenfalls eine Erhöhung des Mindestlohns sowie einen größeren Entscheidungsspielraum für die Mindestlohnkommission.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) plädierte dafür, das jetzige System, bei dem der Mindestlohn nachlaufend an die Tarifentwicklung angepasst wird, beizubehalten. "Damit konnten die 12-Euro-Forderungen abgewendet und den Unternehmen mehr Planungssicherheit gegeben werden", sagte BDA-Vertreterin Natalia Stolz. Ein politisch festgelegter Mindestlohn wäre nicht evidenzbasiert und würde sich auch nicht an den Wirkungen auf Tarifverträge orientieren, warnte der Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing.

Als "gute und praktikable Lösung" bezeichnete Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die Mindestlohnkommission. Er könne sich jedoch gleichzeitig mehr Spielraum bei den Tarifanpassungen vorstellen, so der IAB-Chef. Etwas deutlicher in dieser Forderung wurde der Sozialwissenschaftler und Professor für Volkswirtschaftslehre Stefan Sell. Zwar warnte er davor zu glauben, dass man mit dem Instrument des Stundenlohns regional unterschiedlich hohe Lebenshaltungskosten ausgleichen könne. Aber da in Ballungsgebieten der Mindestlohn nicht existenzsichernd sei und er zudem positive volkswirtschaftliche Effekte habe, stelle sich schon die Frage, ob das sehr niedrige Ausgangsniveau nicht in einem einmaligen Schritt ausgeglichen werden könnte, führte Sell aus. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) betonte, der gesetzliche Mindestlohn sei nur eine der Stellschrauben bei der Armutsbekämpfung. Für eine gut bezahlte Arbeit seien Tarifverträge ein entscheidender Schlüssel, weshalb die Tarifbindung dringend gestärkt werden müsse, forderte Michael Wagner vom DGB.