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Parlamentarisches Profil : Der Finanzpolitiker: Olav Gutting

15.10.2018
2023-08-30T12:34:36.7200Z
3 Min

E inen Tag nach seiner Niederlage im Kampf um den Unionsfraktionsvize-Vorsitz sitzt Olav Gutting entspannt in seinem Büro. "Ich bin nicht enttäuscht", sagt er zu seiner 135:41-Stimmenniederlage in der Fraktion gegen Baden-Württembergs CDU-Landesgruppenchef Andreas Jung. "Ich wusste, dass es schwer werden würde." Gegen das Landesgruppen-System sei eben schwer anzukommen, sagt der CDU-Abgeordnete aus dem badischen Oberhausen-Rheinhausen bei Heidelberg. Nach der überraschenden Abwahl des Baden-Württembergers Volker Kauder (CDU) als Fraktionschef zugunsten des bisherigen Fraktionsvize Ralph Brinkhaus aus Westfalen sollte zur Kompensation der neue Vizefraktionschef unbedingt aus dem Südwesten kommen.

Die Politiker der Unions-Arbeitsgruppe Finanzen wollten aber, dass der Fraktionsvize für den Bereich Haushalt, Finanzen und Steuern weiter aus diesem Bereich kommen sollte, so wie Brinkhaus. Dafür stand der Finanzpolitiker Gutting, im Gegensatz zum Umwelt- und Energieexperten Jung. Der im Vergleich zu Gutting zur Euro-Rettungspolitik weniger skeptische Jung war aber mit mehr als 90 Prozent Stimmen von der Landesgruppe dafür nominiert worden. Gutting trat trotzdem zur Wahl in der Fraktion an: "Mir war es wichtig, mich als Alternative anzubieten, auch mit entsprechendem fachlichem Hintergrund."

Seit 2002 sitzt Olav Gutting als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Bruchsal-Schwetzingen im Bundestag. Was hält der 48-jährige Anwalt vom Familienentlastungsgesetz, das jetzt im Bundestag eingebracht und diskutiert wurde? "Das Gesetz entlastet Familien und Einkommensteuerzahler in einem ersten Schritt und kann sich durchaus sehen lassen." Es bringe Entlastungen von rund 9,8 Milliarden Euro jährlich. Besonders Familien mit kleinem und mittlerem Einkommen würden durch die Kindergelderhöhung profitieren, auch wenn die Anhebung des steuerlichen Grund- und Kinderfreibetrags verfassungsrechtlich vorgeschrieben und keine freiwilligen staatlichen Leistungen seien. "Durch die Rechtsverschiebung des Einkommensteuertarifs wird zudem etwas gegen die Kalte Progression unternommen. Es ist schade, dass diese Maßnahme nicht auch im Namen des Familienentlastungsgesetzes zum Ausdruck kommt", sagt Gutting. Er verweist auch auf die beschlossene Abschaffung des Solidaritätszuschlags ab dem Jahr 2021 für 90 Prozent der Steuerzahler und ist dafür, ihn vollständig abzuschaffen. Gutting: "Dass künftig die restlichen zehn Prozent, die ohnehin fast 50 Prozent des Soli zahlten, nach SPD-Willen weiterzahlen sollen, kann auch verfassungsrechtlich zum Problem werden."

Eigentlich sei angesichts der Rekord-Steuereinnahmen jetzt die Zeit für eine große Steuerreform, sagt der CDU-Finanzpolitiker. Wenn der Staat bis 2021 Steuermehreinnahmen von mehr als 200 Milliarden Euro einkalkuliere, könne man nur sagen: "Wenn nicht große Steuerreform jetzt, wann dann?", fragt Gutting. "Der Mittelstandsbauch beim Einkommensteuertarif muss beseitigt werden." Auch wenn dann heftige Verteilungskonflikte ins Haus stünden, denn es gehe immerhin um 30 Milliarden Euro jährliche Steuerentlastung.

Bei den Familien müssten auch die Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge und der Mieten im Blick sein, mahnt Gutting. Angesichts der steigenden Mieten helfe nur eins: "Bauen, bauen, bauen." Gutting: "Mit der Steuerförderung des Mietwohnungsbaus und höheren Mitteln für den sozialen Wohnungsbau sind erste Akzente gesetzt." Kurzfristig gebe es aber keine Lösung.

Der verheiratete Vater einer Tochter mit den Hobbys Stehpaddeln und Netflix-Schauen kennt die Stimmung an der CDU-Basis und weiß, dass dort viele der Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel überdrüssig sind. Auch Gutting hat gewisse Akzente gesetzt. So votierte er auf dem CDU-Parteitag 2015 für einen Antrag für Grenzkontrollen gegen Merkels Flüchtlingspolitik. Bei der Bildung der Großen Koalition kritisierte er die Übergabe vieler und wichtiger Ressorts an SPD-Minister. Konservativen Wählern, die teils zur AfD abgewandert sind, müsse die CDU wieder ein Angebot machen. Auch wenn Erosionen spürbar seien: Gutting glaubt, dass Merkel beim CDU-Parteitag im Dezember wieder als Parteichefin antreten und gewählt wird. "Ein Wechsel macht nur Sinn, wenn es eine bessere Alternative gibt."