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Neue Aufrüstung in mittlerer Reichweite

12.11.2018
2023-08-30T12:34:37.7200Z
2 Min

AUSWÄRTIGES Kippt er oder kippt er nicht? Die Ankündigung der US-Regierung, aus dem INF-Abkommen auszusteigen, einem Vertragswerk, das mit Fug und Recht als ein Kernelement der europäischen Sicherheitsarchitektur bezeichnet werden kann, sorgt in Europa für Irritationen. Mit dem 1987 zwischen den USA und der damaligen UdSSR geschlossenen Abkommen ("Intermediate Range Nuclear Forces" - nukleare Mittelstreckensysteme) ist damals eine komplette Kategorie von landgestützten konventionell wie nuklear bestückbaren Trägersystemen verboten und außer Dienst gestellt worden, die zuvor mit Reichweiten zwischen 500 bis 5.500 Kilometern vor allem Ziele in Europa bedroht haben. Die USA werfen Russland vor, mit einem neu entwickelten Marschflugkörper gegen das Abkommen zu verstoßen, Russland sieht wiederum im Nato-Raketenabwehrsystem in Europa eine Verletzung des INF-Vertrages.

In einer auf Verlangen der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD anberaumten Aktuellen Stunde bezeichnete Außenminister Heiko Maas (SPD) den Vertrag vergangenen Donnerstag als einen "Meilenstein", der belege, dass Verständigung auch in Zeiten extremer Konfrontation möglich sei. "Wir wollen den INF-Vertrag erhalten, weil wir nicht wollen, dass Deutschland oder irgendein anderes Land in Europa zum Schauplatz einer nuklearen Aufrüstungsspirale wird." Maas sprach sich unter anderem für eine Initiative für ein Transparenzregime über Marschflugkörper und Mittelstreckenraketen aus, das weltweit für Vertrauen sorgen und nicht nur die USA und Russland binden soll.

»Beispielloser Verfall« Armin-Paulus Hampel (AfD) wies darauf hin, dass es heute neue Mächte mit Mittelstreckenraketenarsenal wie China, Indien und Pakistan gebe, die nicht dem Kontrollregime des INF unterliegen würden. Nur mit den USA und nur mit Russland und nicht gegen Russland könnten Deutschland und Europa auf diese Länder einwirken.

Roderich Kiesewetter (CDU) sprach von einem "beispiellosen Verfall der internationalen Abrüstungsarchitektur", auf den sich die Europäer einzustellen hätten. Wer den Gehalt des INF-Vertrags erhalten wolle, der müsse ihn öffnen, indem man China und andere Länder überzeuge, dass Vertrauen nur durch wechselseitige Rüstungskontrolle möglich sei.

Bijan Djir-Sarai (FDP) folgerte aus den Überlegungen in Washington, dass Europa "außen- und sicherheitspolitisch erwachsen werden" müsse. Die Europäer dürften die Sicherheit ihres Kontinents nicht in die Hände anderer legen. "Wir stehen vor realen nuklearen Bedrohungen, für die es noch keine Antworten gibt."

Kathrin Vogler (Die Linke) sagte, dass der INF-Vertrag so lange "hervorragend funktioniert" habe, bis die Nato sich entschlossen habe, ein Raketenabwehrsystem in Osteuropa zu installieren. Sie forderte, die INF-Verifikationsmaßnahmen wieder aufzunehmen. "Verhandeln ist besser als drohen."

Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete den Erhalt des Vertrages als "zentrales europäisches Sicherheitsinteresse". Nötig seien wechselseitige Inspektionen, "wie sie der Vertrag ja auch vorsieht". Keul forderte die Bundesregierung auf, sich gegenüber der USA klar gegen die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa zu positionieren.