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Parlamentarisches Profil : Die Pflegeexpertin: Kordula Schulz-Asche

12.11.2018
2023-08-30T12:34:37.7200Z
3 Min

Z u den Themen Gesundheit und Pflege hat die gelernte Krankenschwester Kordula Schulz-Asche seit langem ein besonderes Verhältnis. So saß die Grünen-Politikerin von 2003 bis 2013 im hessischen Landtag und war Fraktionssprecherin für Demografischen Wandel, Gesundheit und Behindertenpolitik. Seit 2013 gehört sie dem Bundestag an, sitzt im Gesundheitsausschuss und ist Fraktionssprecherin für Alten- und Pflegepolitik. "In der Pflege hat sich eine Notstandssituation aufgebaut und es ist höchste Zeit zu handeln", sagt Schulz-Asche. Das Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) sei "ein Schritt in die richtige Richtung, aber bei weitem nicht ausreichend". So deckten die anvisierten zusätzlichen 13.000 Stellen in der stationären Altenpflege nicht den Bedarf. Auf Anfrage der Grünen-Fraktion teilte die Bundesregierung im April mit, dass 2017 durchschnittlich 35.000 Stellen in der Alten- und Krankenpflege unbesetzt waren.

Die geplante Veränderung beim Fallpauschalen-Vergütungssystem in den Kliniken begrüßt die Grünen-Abgeordnete. So soll mehr Freiraum für neue Pflegestellen gewonnen werden. Schulz-Asche: "Die Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen der Krankenhäuser ist im Prinzip der richtige Weg." Allerdings müsse auch geklärt werden, wie die Pflege bewertet werde. "Entscheidend ist, dass die Pflege am Ende nicht wieder unterfinanziert wird", sagt Schulz-Asche. Die Personaluntergrenzen, die von 2020 an in den Kliniken eingeführt und bei Nichteinhaltung mit Strafen belegt werden, seien keine Lösung. Schulz-Asche: "Die Untergrenze zeigt noch nicht, dass das Krankenhaus einen guten Personalstand bei der Pflege hat." Sie befürchtet, dass dieses System in den Kliniken zu Personalverlagerungen führen werde, wo pflegeintensive Abteilungen wie Intensivstationen besser und andere schlechter ausgestattet würden.

Wie steht es um die Finanzierung des von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorangetriebenen Sofortprogramms für mehr Pflegestellen, das die Krankenkassen finanzieren müssen? Immerhin sollen die Kassen von 2019 bis 2022 neun Milliarden Mehrkosten dafür tragen. Der Minister will dies aus dem 30-Milliarden-Topf der Rücklagen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezahlen. "Ich halte das Ganze für eine kurzfristige populistische Maßnahme", sagt Schulz-Asche. Ein Konjunktureinbruch könne die Einnahmesituation der GKV jederzeit verschlechtern. Zudem belasteten neben dem PpSG noch weitere Reformen die Kassen, so das neue Termin-Service- und -Versorgungsgesetz, mit dem Patienten schneller Arzttermine bekommen sollen.

Schulz-Asche mahnt bei der Pflege "grundlegende Reformen" an. Immer noch litten die Beschäftigten unter katastrophalen Arbeitsbedingungen, weshalb sich viele aus Beruf oder Ausbildung verabschiedeten. Neidvoll blickt die Grünen-Politikerin auf Skandinavien, die Niederlande oder die Schweiz, wo Pflegefachkräfte "hoch qualifiziert", anerkannt und teils klar besser bezahlt seien als hierzulande. "Wir brauchen mehr als im Pflegepersonalstärkungsgesetz passiert."

Angesichts der demografischen Entwicklung, wo immer weniger Jüngere im Verhältnis immer mehr Ältere im Sozialsystem bezahlen müssten, ist für Schulz-Asche der Wechsel der Krankenversicherung in eine Bürgerversicherung unvermeidbar, wo es mehr Einzahler gebe. "Wir können unser Kranken- und Pflegesystem künftig nur gerechter finanzieren, wenn es auf mehr Schultern verteilt wird", sagt die Abgeordnete.

Schulz-Asche ist durch den Bundestagseinzug zu ihren Berliner Wurzeln zurückgekehrt, wo sie 1956 geboren wurde, Kommunikationswissenschaft studierte und beim regionalen Grünen-Ableger Alternative Liste (AL) aktiv wurde. 1983 bis 1985 saß sie für die AL im Abgeordnetenhaus und wurde mit 26 eine der jüngsten Fraktionsvorsitzenden der deutschen Parlamentsgeschichte. Dann wurde sie "herausrotiert". "Ein Glücksfall", sagt Schulz-Asche, "denn dadurch habe ich eine ganz bunte Berufsbiografie bekommen." Sie folgte ihrem Mann, einem Entwicklungshelfer, für viele Jahre nach Afrika, bevor sie ab 1999 am neuen Lebensmittelpunkt in Eschborn bei Frankfurt am Main wieder Grünen-Politik machte und beruflich zunächst beim Entwicklungshilfeverein "Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit" arbeitete. Den Wert der Familie weiß die Mutter einer Tochter jetzt wieder neu zu schätzen, wenn sie nach stressigen Berlin-Tagen die Wochenenden im Hessischen für ausgiebige Unterhaltungen mit ihrem Ehemann nutzt.