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Ortstermin: Der Bundesrat : Das Haus der Ruhe und Sachlichkeit

26.02.2018
2023-08-30T12:34:25.7200Z
2 Min

Hat die Sachlichkeit einen Farbton? Natürlich, fand vor über zwei Jahrzehnten der Architekt Peter Schweger, der damals den einstigen Palast des Preußischen Herrenhauses zum Domizil für den Bundesrat umbaute. Sachlichkeit ist hell, was sonst? Wohingegen die Ruhe, wie Schweger sie sah, nur dunkel sein konnte.

Das dunkle Braun des Holzfußbodens, das helle von Mobiliar und Wandtäfelung: Ruhe und Sachlichkeit, die Leitbegriffe im Selbstverständnis einer unaufgeregt tätigen Länderkammer, wurden so zu Gestaltungsprinzipien des Plenarsaals. Der damalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) eröffnete hier am 29. September 2000 die erste Sitzung des Bundesrates mit den Worten, dieser werde fortan in einem Haus tagen, "das wie wenige die deutsche und preußische Geschichte widerspiegelt".

Es waren genauer gesagt auf dem heutigen Grundstück zunächst zwei Häuser. Die Leipziger Straße 4 war 110 Jahre lang die Adresse der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM), bis Otto von Bismarck hier 1871 den Reichstag für die nächsten 23 Jahre einquartierte. Die Leipziger Straße 3 nebenan war das Elternhaus des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy, ein gesellschaftlicher und kultureller Brennpunkt im Berlin des frühen 19. Jahrhunderts. Nach der Revolution von 1848/49 zog das Herrenhaus ein, die Adels- und Honoratiorenkammer im neuen preußischen Parlament.

Fünf Jahrzehnte hielten es die Standesherren dort aus. Dann ließen sie beide Immobilien abreißen und gönnten sich an ihrer Stelle eine dreiflügelige Palastanlage. Einen Neubau, bei dessen Einweihung 1904 niemand ahnen konnte, welch turbulente Zukunft ihm beschieden war. Nach der Novemberrevolution 1918 zog zunächst der Berliner Arbeiter- und Soldatenrat ein, dann das neu geschaffene preußische Sozialministerium, das sich seit 1921 die Immobilie mit dem zur Vertretung der preußischen Provinzen berufenen Staatsrat teilte. Dessen Vorsitz führte bis 1933 der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer.

Im Februar 1943 trafen Brandbomben den einstigen Plenarsaal in der mittlerweile zum Sitz eines "Reichskirchenministeriums" und zum "Preußenhaus" umfunktionierten Immobilie. Die DDR nutzte einen Seitenflügel für ihre Akademie der Wissenschaften und ließ Teile des beschädigten Mitteltrakts zumauern. Ein glücklicher Umstand, wie sich nach der Wende herausstellte, denn dadurch blieb im Eingangsbereich und in der Wandelhalle unter Kriegsschutt das wilhelminische Dekor bewahrt, während ansonsten im Inneren die Ästhetik der Moderne dominiert.

Zum Umzug nach Berlin hat sich der Bundesrat 1996 erst im zweiten Anlauf entschlossen, nachdem er zunächst als Trostpreis für Bonn am Rhein hatte bleiben sollen. Ruhig und sachlich ist es seither an der Leipziger Straße meistens zugegangen, aber nicht immer. Einmal, bei der Abstimmung über das rot-grüne Zuwanderungsgesetz am 22. März 2002, kam es sogar zum Krawall auf offener Bühne. Eine Sternstunde für die Medien. Im Gedächtnis der Mitarbeiter des Bundesrates ein Ereignis, das dem Stil des Hauses eigentlich nicht entsprach. Dies sei schließlich, gibt die Leiterin des Besucherdienstes Anja Lorenz zu bedenken, "kein Ort der Auseinandersetzung". Winfried Dolderer