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DEUTSCHE WELLE : Türkisch auf allen Kanälen

Die bedrohte Pressefreiheit stellt den Auslandssender vor neue Herausforderungen

26.02.2018
2023-08-30T12:34:25.7200Z
4 Min

Wenn die Deutsche Welle (DW) Anfang Mai ihr 65-jähriges Sendejubiläum feiert, haben die Mitarbeiter Grund zur Hoffnung. Union und SPD haben dem Auslandssender in ihrem Koalitionsvertrag eine kräftige Etaterhöhung in Aussicht gestellt. Und doch schwingt ein ungutes Gefühl mit. Nur weil die Welt unsicherer geworden ist, weil insbesondere die Pressefreiheit in immer mehr Ländern bedroht oder abgeschafft ist, steht der Sender wieder hoch im Kurs. So ist in der Türkei von der einstigen Medienvielfalt wenig geblieben. Weit über hundert Journalisten sitzen im Gefängnis. Fünf von ihnen wurden am Tag, an dem der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel sein türkisches Gefängnis verlassen und ausreisen durfte, zu lebenslanger Haft verurteilt.

Auch die Deutsche Welle ist von Einschränkungen in der Türkei betroffen, die schon vor dem Putschversuch einsetzten. Medienpartner, die Radio- und Fernsehformate der DW übernommen hatten, strahlten diese nicht mehr zuverlässig aus oder griffen inhaltlich ein. Der deutsche Auslandssender bemühte sich, mit einer Stärkung seiner türkischen Online-Angebote gegenzuhalten. Für Intendant Peter Limbourg ist klar: "Es ist an der Zeit, dass wir, möglicherweise gemeinsam mit anderen westlichen Auslandssendern, unsere redaktionellen Angebote auf allen Sendewegen in türkischer Sprache massiv stärken." Internationale Medien müssten das entstandene Vakuum füllen, "damit die Regierung nicht vollends das Informationsmonopol bekommt". In der Aufgabenplanung des Senders für die nächsten vier Jahre (19/372), mit der sich der Kultur- und Medienausschuss in dieser Woche erstmals befassen will, ist ein Satellitenfernseh-Programm "DW Turk" enthalten - vorausgesetzt, der Gesetzgeber bewilligt die nötigen Mittel.

I nternationale Medien wie die Deutsche Welle müssen ständig auf neue Entwicklungen reagieren - sei es die Annexion der Krim durch Russland, die Vertreibung der Rohigya aus Myanmar oder die anhaltenden Migrationsbewegungen. "Für die DW heißt das", sagt Intendant Limbourg, "auch kurzfristig die Berichterstattung aus und über bestimmte Regionen zu verstärken."

Allerdings wehren sich betroffene Regime dagegen. So sind nach DW-Angaben in Ägypten in den vergangenen zwei Jahren neben über vierhundert lokalen auch einige ausländische Webseiten blockiert worden. Die meist jungen Online-Nutzer finden aber oft Wege, solche Blockaden zu umgehen, etwa durch Zwischenschaltung von Proxy-Servern. "Während der jüngsten Proteste in Iran konnten wir trotz der Blockierung eine deutliche Steigerung der Nutzung unseres Angebots auf Farsi registrieren", berichtet Limbourg. Doch die Regierungen, vor allem die chinesische und iranische, betrieben "einen enormen Aufwand", um auch solche Umwege zu versperren und "ihre Bevölkerung von der globalen Diskussion auszuschließen". Die DW müsse viel Geld in Maßnahmen zur Umgehung solcher Blockaden investieren. Dabei arbeite sie mit anderen westlichen Auslandssendern zusammen. "Es ist meiner Meinung nach ein echtes Zeichen von Schwäche der Regierungen in Peking und Teheran, dass sie versuchen, ihre Bevölkerung derart zu bevormunden", meint Limbourg.

Die Deutsche Welle war im Mai 1953 mit einem deutschsprachigen Radioprogramm gestartet, gedacht als Brücke zu den Millionen Landsleuten, die in den vorangegangenen Jahrzehnten ausgewandert waren. Nach und nach kamen immer mehr Programme in anderen Sprachen hinzu. Zahllose Journalisten, die in ihren Heimatländern nicht frei arbeiten konnten, fanden und finden so eine Möglichkeit - früher von Köln und heute von Bonn und Berlin -, die Menschen zuhause unabhängig zu informieren. Technisch baute die Deutsche Welle eines der leistungsfähigsten globalen Kurzwellen-Netze auf. Später kamen Fernsehformate dazu, nach der Deutschen Einheit mit der Übernahme des deutsch-amerikanischen RIAS-TV als aktuelles Satellitenprogramm, und erste Online-Angebote.

Der Bedeutungsverlust der Kurzwelle gegenüber den neuen Medien, mehr aber noch drastische Haushaltskürzungen ab Ende der Neunziger Jahre veranlassten die Deutsche Welle, ihr Radio-Angebot stark herunterzufahren. Intern war dies heftig umstritten, ist doch die Kurzwelle ein besonders schwer zu blockierender Verbreitungsweg. Aber irgendwoher musste das Geld für den unumgänglichen Ausbau der Fernseh- und Online-Angebote kommen. Heute erreicht die DW ihrem Evaluationsbericht (19/373) zufolge mit Abstand die meisten Menschen mit ihrem Fernsehangebot. Radio und Online liegen gleichauf, wobei die mobile Online-Nutzung besonders hohe Zuwachsraten aufweist.

In der vergangenen Legislaturperiode hat der Sender erstmals nach einer langen Durststrecke wieder deutlich mehr Geld erhalten. Sie nutzte es, um ihre Reichweite auf 157 Millionen wöchentliche Nutzerkontakte zu steigern. Bis 2021 strebt der Sender gar 210 Millionen an. Neben dem regulären Fernsehkanal DW Arabia legte der Sender auch ein zusätzliches TV-Angebot für arabischsprachige Flüchtlinge in Europa auf. "Mit diesem Kanal konnten wir viele Inhalte über die deutsche Kultur und unsere Wertewelt an die Menschen vermitteln, die hier Schutz vor Krieg und Verfolgung gesucht haben, und besonders für die Kinder einen Einstieg in die deutsche Sprache bieten", freut sich Limbourg. Weitere, zum Teil gemeinsam mit dem französischen Auslandsrundfunk aufgelegte Angebote vermitteln den Menschen in den Herkunftsländern ein realistisches Bild der Situation von Flüchtlingen in Europa.

Neue Sprachen Zukünftig möchte der Sender seine Angebote stärker regionalisieren, um besser an die Lebenswirklichkeit der Menschen anzuknüpfen. Sofern das Geld reicht, will sie zudem neue Sprachangebote starten. "Beispielsweise wären weitere afrikanische Regionalsprachen in den Gebieten, in denen Klimawandel und Bedrohung durch Terror wichtige Themen sind, ein Gewinn für unsere Nutzer", stellt der Intendant fest. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn im ausgehandelten Koalitionsvertrag heißt es: "Wir wollen das Budget der Deutschen Welle auf das vergleichbarer europäischer Auslandssender anheben." Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. 2017 lagen die Zuweisungen des Bundes an die DW bei rund 326 Millionen Euro. Dem gegenüber verfügte der französische Auslandssender über etwa 389 Millionen und die BBC gar über 523 Millionen Euro.