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bundeswehr : Dicke Ordner, viele Fragen

Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre tagt erstmals öffentlich und hört Zeugen. Rechnungshof rügt Fehler beim Abschluss von Verträgen

25.03.2019
2023-08-30T12:36:18.7200Z
3 Min

Bis zu 200 Millionen Euro zahlte die Bundeswehr zwischen 2015 und 2018 für Verträge mit externen Firmen zwecks Beratung und Unterstützung. Ob der Bedarf in allen Fällen bestand, ob die Bundeswehr manche Aufgaben nicht mit eigenen Kräften hätte erledigen können, ob teils der Wettbewerb zwischen konkurrierenden Firmen umgangen wurde: Der Bundesrechnungshof hat massive Verstöße gegen Vorgaben der Bundeshaushaltsordnung und des Vergaberechts ausgemacht. Damit befasst sich seit Ende Januar 2019 der Verteidigungsausschuss, der sich dazu selbst als Untersuchungsausschuss eingesetzt hat - ein Recht, das das Grundgesetz nur ihm zugesteht. Er soll klären, ob es womöglich Fälle von Vetternwirtschaft gegeben hat.

Nach vorbereitenden Sitzungen tagte der Ausschuss vergangene Woche erstmals öffentlich und begann damit die inhaltliche Arbeit. Der Vorsitzende Wolfgang Hellmich (SPD) belehrte die Zeugen, dass bei Falschaussagen Geldstrafen oder gar Haft drohten. Damit war denn auch angesprochen, warum es überhaupt zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses kam. Der Verteidigungsausschuss kann nämlich niemanden zwingend als Zeugen vorladen. Und so blieb am 12. Dezember vergangenen Jahres jener Stuhl leer, auf dem eigentlich die frühere Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Katrin Suder, hätte Platz nehmen sollen. Die hatte den Abgeordneten einen Korb gegeben. Allenfalls schriftlich wollte sie sich äußern.

Penibel formuliert Da platzte den Parlamentariern der Kragen, was einige von ihnen auch offen bekundeten. Der Weg zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erwies sich anfangs als holprig, FDP, Linke und Grüne sahen sich zunächst ausgebremst. Schließlich gab es eine Einigung auf den Untersuchungsauftrag. Er ist penibel formuliert, und Hellmich achtet auch pedantisch auf seine Einhaltung: Die Vergabe solle unter vertraglichen, rechtlichen, haushalterischen, geheimschutzrelevanten, militärischen, technologischen und politischen Gesichtspunkten geprüft werden. Ferner sollen die persönlichen und politischen Verantwortlichkeiten der Leitungsebene sowie die Aufklärungs- und Informationspraxis des Verteidigungsministeriums untersucht werden.

Damit bescherte Suder ihrer früheren Chefin, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), einen ungemütlichen Sommer. Ende August solle der Abschlussbericht vorliegen, wurde zunächst angepeilt. Schließlich erschien es nicht sonderlich knifflig, den vom Bundesrechnungshof in Prüfberichten festgehaltenen Sachverhalt nachzuvollziehen. Doch zwischenzeitlich weitete sich die Materie aus. 150 Ordner, gefüllt mit jeweils 500 Seiten, hat das Ministerium dem Ausschuss bereits zur Verfügung gestellt, 1.500 weitere könnten es noch werden. 36 Personen stehen schon jetzt auf der Liste der zu befragenden Zeugen, darunter die Ministerin, die wohl aber nicht mehr vor der Sommerpause geladen wird. Somit ist Ende August wohl noch lange nicht Schluss.

Der Auftakt geriet zur schallenden Ohrfeige für die Vergabe-Verantwortlichen bei der Bundeswehr. Von einer "viel zu hohen Fehlerquote" beim Abschluss von Berater- und Unterstützungsverträgen sprach Thea Dilger vom Bundesrechnungshof.

Viele Mängel Sie legte dar, dass in 55 Prozent der geprüften Fälle die Begründung für einen Vertrag mit Externen gefehlt habe, in 75 Prozent sei die wirtschaftliche Notwendigkeit nicht beschrieben worden. Bei 30 Prozent der Abschlüsse habe der Rechnungshof Mängel beim Prüfpunkt Vergaberecht ausgemacht. Über diese Quoten herrsche Einigkeit mit dem Ministerium. Es sei "davon auszugehen, dass vermeidbare Mehrausgaben entstanden sind", sagte Dilger. Über den tatsächlichen Schaden für den Steuerzahler könne sie jedoch "keine Aussage treffen". Das sei im Nachhinein kaum feststellbar.

Ihr Kollege Helmut Peters, der speziell Verträge im IT-Bereich unter die Lupe genommen hat, nannte für einen Fall eine Schadensumme von einer Million Euro. Es ging um einen Rahmenvertrag mit einer Firma im Volumen von knapp 20 Millionen Euro. Das Unternehmen selbst habe keinerlei Leistung erbracht, sondern nur Unterauftragnehmer eingesetzt. Auf deren Forderung sattelte es dann einen Aufschlag drauf, bevor es die Rechnung an die Bundeswehr schickte. Die hätte nach Peters Darstellung freilich gleich mit den Subunternehmen Verträge schließen können.

Der IT-Bereich bildet einen Schwerpunkt in dem Komplex. Als ersten befragten die Ausschussmitglieder Generalleutnant Ludwig Leinhos, der als Sachverständiger und nicht als Zeuge geladen war. Er fungiert als Inspekteur Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr (CIR). In diesem Bereich seien die deutschen Streitkräfte bis 2014 nicht führend gewesen. Das habe sich grundlegend geändert. Die Bundeswehr habe viel Boden gutgemacht. Der "riesige Handlungsbedarf", der sich in der Aufbauphase ergeben habe, wäre ohne Einbeziehung von externen Firmen nicht zu leisten gewesen, auch weil das nötige eigene Personal zunächst gefehlt habe. Leinhos sagte, es gebe viele Firmen, die Berater- und Unterstützungsleistungen für die Bundeswehr anböten. Er versicherte: "Uns ist egal, wer es macht."