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Europa : Streit um Wege zur Armutsbekämpfung

Grüne ecken mit Vorschlägen für EU-weite soziale Mindeststandards an

08.04.2019
2023-08-30T12:36:19.7200Z
3 Min

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte gemeinsame soziale Mindeststandards in der EU verankern und schlägt in einem Antrag (19/8287) unter anderem eine europäische Arbeitslosenbasisversicherung, die Einführung einer EU-Rahmenrichtlinie für Mindestlöhne und die Entwicklung einer europäischen Strategie zur Armutsbekämpfung vor. Bei den übrigen Fraktionen, mit Ausnahme der Linken, stießen die Abgeordneten damit jedoch in der Debatte am vergangenen Donnerstag auf wenig Gegenliebe.

Nach Ansicht von Katja Leikert (CDU) ebnen die Vorschläge den Weg in eine Transferunion. "Solidarität geht mit Eigenverantwortung einher", stellte sie klar und verwies zudem auf die zahlreichen Maßnahmen der EU zum Ausgleich der sozialen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten (siehe Stichhwort). So sei ein wichtiges Instrument der mit 90 Milliarden Euro ausgestattete Europäische Sozialfonds. In der Strategie 2020 seien außerdem konkrete Maßnahmen zur Armutsbekämpfung verankert. Leikerts Fraktionskollege Philipp Amthor ergänzte, die Grünen- Forderungen verstießen gegen Unionsrecht und das Prinzip von Subsidiarität und Eigenverantwortung. Gute Sozialpolitik verteile keine "Sozialgeschenke", sondern fördere Investitionen und Beschäftigung, zeigte er sich überzeugt.

»Fehlende Legitimation« Carl-Julius Cronenberg (FDP) warnte davor, durch "Besserwisserei" und Bevormundung den Zusammenhalt in Europa zu gefährden. Außerdem erhebe die EU keine Steuern, weshalb ihr die Legitimation fehle, um in die nationalen Arbeits- und Sozialsysteme eingreifen zu können. Besser als die Souveränität der Staaten zu beschneiden sei es, die Stärken des Binnenmarkts zu nutzen, um Armut zu verringern.

Für die AfD nannte Martin Hebner den Inhalt des Antrags "apokalyptisch". Ökonomisch schwächere Staaten sollten danach von stärkeren Mitgliedstaaten unterstützt und deutsche Sozialbeiträge in der EU verteilt werden. "Das ist eine sozialistische Verteilungsidee, mit der wir in keiner Weise übereinstimmen", betonte Hebner. Er warf den Grünen eine "Enteignung" der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland vor.

Alexander Ulrich (Die Linke) erklärte demgegenüber, nicht etwa deutsche Arbeitnehmer, wie von der AfD unterstellt, sollten für die notwendige Umverteilung in der EU aufkommen, sondern diejenigen mit hohem Einkommen und Vermögen. Diese müssten stärker besteuert werden - eine Forderung, die die Grünen in ihrem insgesamt guten Antrag zusätzlich aufnehmen sollten, wünschte sich der Linken-Abgeordnete.

Wolfgang Strengmann-Kuhn (Grüne) sieht die Ursache für das Erstarken nationalistischer Parteien auch in einem fehlenden sozialen Zusammenhalt in der EU. "Wir müssen für ein starkes Europa kämpfen", forderte er. Dafür müsse man die Herzen der Menschen erreichen. Er warf der Großen Koalition vor, entsprechende Vorhaben im Koalitionsvertrag bisher nicht umgesetzt zu haben.

Angelika Glöckner (SPD) hielt dem entgegen, mit der Brückenteilzeit, dem Mindestlohn und verschiedenen Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe die Koalition national viel erreicht. Allerdings geht auch nach Ansicht ihrer Fraktion auf EU-Ebene "vieles zu langsam und vieles nicht weit genug". Sie betonte: "Wir Sozialdemokraten stehen für eine soziale Agenda mit verbindlichen Mindeststandards für alle EU-Mitgliedstaaten, im Bereich der Mindestlöhne und im Bereich der Grundsicherungssysteme".

Soziale Fortschrittsklausel Ziel der Grünen ist es, die EU-Verträge um eine soziale Fortschrittsklausel zu ergänzen, um den sozialen Rechten im EU-Recht den gleichen Stellenwert einzuräumen wie den wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarkts. Außerdem wollen sie EU-weit das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" umsetzen und mehr Partizipation der Beschäftigten in Europa erreichen. Die Abgeordneten überwiesen den Antrag zur weiteren Beratung an den Europaausschuss.