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verteidigung : Der etwas andere Beruf

Der Bundeswehr mangelt es an Personal und Nachwuchs. Der Dienst soll jetzt attraktiver werden

13.05.2019
2023-08-30T12:36:21.7200Z
4 Min

Seit Aussetzung der Wehrpflicht vor acht Jahren kämpft die Bundeswehr zunehmend mit Nachwuchsproblemen. Zuletzt hatte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, in seinem Jahresbericht für 2018 (19/7200) noch einmal eindringlich auf die angespannte Personalsituation in der Truppe hingewiesen. Ende 2018 seien quer durch alle Verwendungsbereiche 21.490 Dienstposten oberhalb der Mannschaftsdienstgrade unbesetzt gewesen. Besonders stark betroffen sind die Bereiche, die mit hohen körperlichen Anforderungen oder speziellen Fachkenntnissen verbunden sind, ist in seinem Bericht zu lesen.

Am vergangenen Donnerstag beriet der Bundestag nun in erster Lesung über einen Gesetzentwurf (19/9491) von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), mit dem der Dienst in den Streitkräften attraktiver gemacht werden soll. Unter dem sperrigen Titel Bundeswehr-Einsatzbereitschaftsstärkungsgesetz verbirgt sich ein Bündel von Maßnahmen, die von der sozialen Absicherung von Soldaten bis hin zum vermehrten Einsatz von Reservisten reicht. Rund 163 Millionen Euro jährlich muss der Bund in den kommenden Jahren aufbringen, um diese zu finanzieren. Ministerin von der Leyen begründete ihre Gesetzesinitiative auch mit den Besonderheiten des Soldatenberufs: "Gerade weil Soldatsein kein Beruf wie jeder andere ist", sollten die Soldaten mindestens so gut geschützt, versorgt und sozial abgesichert werden wie alle anderen Arbeitnehmer auch.

Konkret sieht das Gesetz unter anderem vor, Zeitsoldaten, Reservisten und freiwillig Wehrdienstleistende für die Rente besser abzusichern. Zum einen durch die Zahlung von Rentenbeiträgen auf die sogenannten Übergangsgebührnisse nach Dienstende und durch Anhebung der Bemessungsgrundlage. Der Wehrsold für die freiwillig Wehrdienstleistenden soll auf bis zu 80 Prozent der Bezüge von Zeitsoldaten angehoben werden, und zukünftig sollen sie Trennungsgeld und Erschwerniszulage erhalten. Die Berufsausbildung von Zeitsoldaten und ihre Eingliederung in den zivilen Arbeitsmarkt bei Dienstende soll ebenfalls verbessert werden, etwa durch die Erhöhung der Lohnkostenzuschüsse. Zeitsoldaten im Rang eines Unteroffiziers oder Stabsunteroffiziers soll eine Karriere als Berufssoldat ermöglicht werden.

Verbesserungen sieht die Gesetzesvorlage auch bei der Versorgung von Soldaten, die in Einsätzen verwundet oder traumatisiert wurden, vor. So sollen die Leistungen aus dem Einsatzversorgungsgesetz nicht nur bei Verwundungen oder Unfällen in mandatierten Auslandseinsätzen, sondern auch in einsatzgleichen Verpflichtungen, beispielsweise den Nato-Einsätzen der Bundeswehr im Baltikum, gezahlt werden. Zudem soll bei der Therapie von traumatisierten Soldaten die Einbeziehung von Familienangehörigen durch den Bund finanziert werden.

Reservisten Um den längeren Einsatz von Reservisten zu gewährleisten, die beispielsweise kranke Soldaten ersetzen, sieht das Gesetz vor, dass der Reservedienst künftig auch zehn Monate im Jahr und in Teilzeit absolviert werden kann. Die zivilen Arbeitgeber der Reservisten sollen in dieser Zeit Ausgleichszahlungen erhalten.

Bei den Fraktionen stieß die Vorlage auf ein gemischtes Echo. Die geplanten Verbesserungen bei den sozialen Leistungen werden sowohl von der Koalition als auch von der Opposition weitgehend begrüßt. Nur die Linksfraktion sprach sich aus prinzipiellen Überlegungen gegen den Gesetzentwurf aus. Letztlich gehe es nur darum, die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr in den Auslandseinsätzen zu erhöhen und den Umfang der Streitkräfte von derzeit 180.000 auf 198.000 Soldaten bis zum Jahr 2024 zu vergrößern, kritisierte Tobias Pflüger (Linke). Dieser Aufrüstung könne die Linksfraktion nicht zustimmen.

Arbeitszeiten Für Zündstoff auch in der Koalition sorgt aber vor allem die geplante Änderung der Arbeitszeitverordnung. So sollen mehr Möglichkeiten geschaffen werden, um von der regulären 41-Stunden-Woche bei der Bundeswehr abzuweichen. Bislang ist dies vor allem in Auslandseinsätzen oder bei Einsätzen der Marine auf See möglich. Der SPD-Verteidigungsexperte Fritz Felgentreu verwies darauf, dass dienstliche Notwendigkeiten gerade im Fall von Spezialisten mitunter einen längeren Dienst erfordern können. Zugleich stellte er aber klar, dass die SPD einem "Gummiparagrafen, der bei Bedarf im Grunde jede beliebige Überschreitung möglich macht" nicht zustimmen werde. In jedem Fall müssten längere Arbeitszeiten aber ausgeglichen werden, "und zwar vorzugsweise durch Freizeit und, wenn es nicht anders geht, durch Geld". Die gleichen Einwände erhoben auch die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes-Strack-Zimmermann, und der Grünen-Wehrexperte Tobias Lindner. Übereinstimmend forderten sie Nachbesserungen und Konkretisierungen an der Gesetzesvorlage in der parlamentarischen Beratung.

Regelbetrieb Der AfD-Fraktion hingegen ist die Festlegung auf die 41-Stunden-Woche im Regelbetrieb prinzipiell ein Dorn im Auge. In einem Antrag (19/9962) fordert sie die ersatzlose Streichung des Paragrafen 30c im Soldatengesetz zur Arbeitszeit. Mit der Arbeitszeitverordnung habe man der Truppe "ein ziviles Instrument aufgepfropft, das überhaupt nicht zu ihr passt", kritisierte Jens Kestner (AfD). Unter der Regelung leide der Dienstbetrieb und die Ausbildung. "Das Maß aller Dinge" müsse die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr sein.

Uneingeschränkte Unterstützung bekam die Vorlage aus der Union. Die Bundeswehr habe als Arbeitgeber gegenüber der Wirtschaft zu oft das Nachsehen, sagte die Verteidigungspolitikerin Kerstin Vieregge (CDU). Die Verbesserungen für die Soldaten seien ein weiterer Schritt, um den Dienst attraktiver zu machen. Dazu gehöre auch, dass der Dienst in der Bundeswehr wieder mehr gesellschaftliche Anerkennung finde. Dies lasse sich jedoch nicht per Gesetz regeln.