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amri-ausschuss : Attentäter war offenbar auf sich allein gestellt

Suche nach möglichen Hintermännern

13.05.2019
2023-08-30T12:36:21.7200Z
3 Min

Der Zeuge bedauerte. "Ich würde", meinte der Kriminalhauptkommissar A. S., "Ihnen auch gerne andere Ergebnisse präsentieren." Alle Zuständigen hätten sich durchaus bemüht. Aber vieles im Leben sei natürlich eine "Definitionsfrage". Andere Ergebnisse, das hätte bedeutet, Mutmaßungen zu bestätigen, wie sie seit dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 in der Öffentlichkeit kursieren, dass nämlich ein solcher Massenmord nicht das Werk eines allein Handelnden gewesen sein kann.

War nicht der Attentäter Anis Amri, wie mittlerweile feststeht, im radikalislamischen Milieu nach allen möglichen Seiten hin vernetzt? Hat er nicht am Abend vor dem Anschlag noch mit seinem engsten Kumpel Bilel ben Ammar in einem Imbiss zusammengesessen? Gab es nicht einen mysteriösen Chatpartner, mit dem Amri vom Führerstand des Lastwagens aus, mit dem er den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche attackierte, Nachrichten tauschte? Ist er nach all dem tatsächlich als "einsamer Wolf" zu beschreiben?

Strom an Informationen Das eben ist für den Zeugen S. die Definitionsfrage. "Unser Ziel war immer, Hintermänner und Mittäter zu finden", sagte er in der vergangenen Woche als Zeuge im Untersuchungsausschuss "Breitscheidplatz". Er selbst hätte viel darum gegeben, Amris Hintermann persönlich dingfest zu machen. Allein, es habe sich keiner gefunden, zumindest keiner, dessen die deutsche Polizei habhaft werden konnte. Auch Ben Ammar habe sich keine direkte Tatbeteiligung nachweisen lassen.

Nach dem Anschlag wurde im Bundeskriminalamt (BKA) die BAO gebildet, die "Besondere Aufbau-Organisation" mit dem Codenamen "City", um die Vorgeschichte aufzuklären. "Wir haben keine Richtung vorgegeben, in die ermittelt werden muss, oder gesagt, an dem Punkt machen wir nicht weiter", betonte ein weiterer Zeuge aus dem BKA, Kriminaldirektor Martin Kurzhals. Ein "niemals enden wollender Strom an Informationen, der über uns hereinbrach", sei zu bewältigen gewesen. Die Beamten in der BAO seien "bis ans Limit" und darüber hinausgegangen, sie verdienten "Hochachtung" für ihre umfassenden, nach allen Seiten ausgreifenden Bemühungen, den Fall "auszuermitteln".

Dabei hatte auch der Zeuge Kurzhals mit Definitionsfragen seine Last. Wenn man einen Islamisten mit anderen plaudern hört, hat man es dann mit einem schlichten Freundeskreis zu tun? Oder schon mit einem "inkriminierten" Netzwerk zur Begehung von Straftaten? Das sei nicht immer einfach zu erkennen, gab der Zeuge zu bedenken: "Es war nicht so, dass wir wirklich ein starkes Netzwerk haben, das Amri unterstützt hat."

Kein linearer Verlauf Dieser habe allein oder gemeinsam mit Komplizen zwar immer wieder Attentatspläne geschmiedet. Doch den Entschluss, einen Lastwagen zu kapern und damit die Budengasse eines Weihnachtsmarkts plattzuwalzen, habe er allen verfügbaren Hinweisen zufolge erst Ende Oktober oder Anfang November 2016, also relativ kurzfristig, gefasst. Da sei "kein linearer Verlauf eines lang angelegten Netzwerkplans" zu erkennen, "daher ist die Durchführung eine Einzeltat". Auch wenn es sicher Unterstützer und Ermutiger gegeben habe. Aus polizeilicher Sicht sei folglich auch nichts einzuwenden gewesen, als Amris Kumpel Ben Ammar kaum sechs Wochen nach dem Anschlag abgeschoben wurde.

Amri, der einsame Wolf? Einsam sicherlich nicht, aber beim Kapern des Lastwagens, der Ermordung des Fahrers, der Todesfahrt über den Weihnachtsmarkt nach allem, was die Ermittler bisher wissen, offenbar doch auf sich gestellt. "Beihilfe, das ist das, wonach wir immer gesucht haben" sagte der Zeuge A. S.