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Energiepolitik I : Das Kreuz mit der Kohle

Der Bundestag diskutiert über das Wie und Wann eines Ausstiegs

13.05.2019
2023-08-30T12:36:22.7200Z
3 Min

Sie drängeln, sie quengeln und sie wollen es den verantwortlichen in ihren Amtsstuben nicht zu leicht machen: Mit einem eigenen Gesetzentwurf zum Kohleausstieg (19/9920) hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine erneute Debatte im Bundestag über das Wie und Wann eines Endes entfacht. Einzig das Ob stand in der Aussprache am Donnerstag nicht mehr zur Diskussion, mit Ausnahme der AfD-Fraktion, die für einen Ausstieg vom Ausstieg steht. Die Fraktion hatte einen eigenen Antrag (19/9963) eingebracht. Darin fordern die Abgeordneten, den Ausstieg zu verschieben, bis mit alternativen Energien betriebene Kraftwerke grundlastfähigen Strom in genügender Kapazität mit mindestens 40 Gigawatt Leistung liefern können.

Die katastrophalen Folgen des Nichtstuns wären schlimmer, als jetzt zu handeln, selbst wenn es Geld kostet, begründete Grünen-Chefin Annalena Baerbock den Vorstoß. "Wir als Opposition bringen daher heute einen Gesetzentwurf ein, den eigentlich Sie hätten einbringen müssen", sagte die Abgeordnete an die Bundesregierung gerichtet. Schließlich habe diese erklärt, bis 2022 Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 7 Gigawatt vom Netz nehmen zu wollen. Die Kraftwerke schalteten sich aber nicht von allein ab. Es sei eine Schande, dass die Bundesregierung nicht handele. Baerbock forderte, die vorgesehenen Milliarden im Strukturfördergesetz gezielt an Unternehmen zu geben, die in der Region bleiben wollten.

Karsten Hilse (AfD) sprach die seiner Ansicht nach unzuverlässige Stromproduktion regenerativer Energien an. Der mit dem Kohleausstieg verbundene Arbeitsplatzabbau sei "Verrat" an den Kohlekumpeln. Wenn seine Fraktion an der Regierung beteiligt sein werde, werde sie diesen Ausstieg rückgängig machen. Das Mindeste sei in Anbetracht der derzeitigen Beschlüsse, den Ausstieg zu verschieben, wie im Antrag der Fraktion gefordert.

Die Regierungsfraktionen lehnten die Oppositionsvorschläge ab, indes mit unterschiedlicher Tonart. Andreas G. Lämmel (CDU) sagte, der Gesetzentwurf der Grünen sei zwar schnell gekommen, aber ziemlich dünn. Die Oppositionsfraktion wende immer wieder den Trick an, dass Dinge versprochen würden, die dann nicht gehalten werden. Seine Fraktion hingegen betrachte den Strukturwandel ganzheitlich: "Unser Blickwinkel ist viel weiter gefasst." Es gehe darum, erst neue Arbeitsplätze zu schaffen, dann abzuschalten. Sein Fraktionskollege Andreas Lenz (CSU) bekräftigte, man müsse die Grundlagen für Zukunftschancen legen. Bezüglich des Abschaltens müssten die Gespräche mit den Kraftwerksbetreibern abgewartet sowie Strombedarfe und Versorgungssicherheit miteinander abgeglichen werden.

Für die SPD-Fraktion erklärte Johann Saathoff hingegen zunächst, er könne die Ungeduld absolut verstehen. Außerdem dürfe der Kohlekonsens nicht in Frage gestellt werden. "Das sind wir der Kommission schuldig, die diese Ergebnisse erzielt hat", sagte Saathoff. In diesem Sinne verhandele die Bundesregierung derzeit mit den Kraftwerksbetreibern. Das sei keine leichte Aufgabe. Parallel feile die Bundesregierung an einem Strukturwandelgesetz: Man könne ja nicht einfach Kraftwerke abschalten und damit in doppeltem Sinn die Lichter ausgehen lassen in den betroffenen Regionen. "Die Menschen brauchen eine nachhaltige Perspektive und nicht nur ein paar Projekte, die irgendwann beendet sind", sagte Saathoff.

Für die FDP-Fraktion mahnte Martin Neumann, nicht einfach nur Kraftwerke abzuschalten, sondern an die Versorgungssicherheit zu denken. Vieles im Gesetz habe den Anschein von Aktionismus. Wer abschalte, müsse aber eine Antwort liefern, wo der Strom dann herkommen soll, sagte Neumann. Die FDP wolle regelmäßigere Berichte zur Versorgungssicherheit und höhere Transparenz. Außerdem plädierte der Abgeordnete erneut für das Einsparen von CO2, und zwar zunächst da, wo es am günstigsten sei. Die FDP wolle einen Kohlendioxid-Zertifikatehandel über die Sektoren hinweg und zwar europaweit.

Lorenz Gösta Beutin (Die Linke) wies darauf hin, dass Deutschland mit seinem Verhalten sehr wohl gewichtig zum Klimawandel beitrage. Die Bundesregierung handele nicht entsprechend und verhalte sich verantwortungslos, so Beutin etwa mit Blick auf die Arbeitssituation in der Windenergiebranche. Die Linke will einen Ausstieg bis zum Jahr 2030, die dreckigsten Kraftwerke müssten bis 2020 vom Netz. Gleichzeitig müsse man den Menschen in den Braunkohleregionen reinen Wein einschenken. Ihre Leistung sei anzuerkennen, zugleich müssten diese Menschen wissen, dass es so wie bisher nicht weitergeht.

Im Anschluss an die Debatte wurden der Gesetzentwurf sowie der AfD-Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen. Ein Antrag der Grünen (19/9953) soll federführend im Umweltausschuss beraten werden.