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petitionen : Heftige Ausschläge

Der »Seismograf des Parlaments« zeigt auf, welche Themen die Bürger wichtig finden. Die Tonlage im Ausschuss hat sich deutlich verschärft

20.05.2019
2023-08-30T12:36:22.7200Z
4 Min

Die Zeiten, in denen die Abgeordneten des Petitionsausschusses bei ihrem alljährlichen Plenumsauftritt überparteiliche Einigkeit demonstriert haben, scheinen vorbei zu sein. Die Debatte am vergangenen Mittwoch zum Tätigkeitsbericht für 2018 (19/9900) war von gegenseitigen Vorwürfen geprägt. Union, SPD und Grüne beschuldigten die AfD, das Petitionsrecht für parteipolitische Zwecke instrumentalisiert zu haben. Die AfD wiederum zog das Demokratieverständnis der Grünen in Zweifel. Zudem kritisierte die langjährige Ausschussvorsitzende Kersten Steinke (Die Linke) ihren Amtsnachfolger Marian Wendt (CDU).

Deutlicher Anstieg Dabei hätten die Zahlen im Petitionsbericht aus Sicht des Ausschusses durchaus Anlass zur Zufriedenheit geben können. Schließlich ist die Zahl der Petitionen an den Petitionsausschuss des Bundestages im Jahr 2018 auf 13.189 und damit um fast 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, wie der Ausschussvorsitzende Wendt während der Debatte sagte. Die Zahl der Mitzeichner von Petitionen habe sich vervierfacht. Mehr als eine halbe Million Menschen hätten sich im Berichtsjahr neu auf dem Internetportal des Petitionsausschusses angemeldet, um Petitionen mitzuzeichnen oder mitzudiskutieren. "Diese Anstiege zeigen, dass sich die Bürger wieder engagieren und von den demokratischen Möglichkeiten der Mitbestimmung Gebrauch machen", sagte Wendt.

Udo Schiefner (SPD) sagte, es sei wichtig, seine Eingabe wirklich beim Bundestag einzureichen. Auf privaten Petitionsplattformen im Internet könne man sich allenfalls aufregen. "Ändern kann man nur etwas, wenn man sich an den Petitionsausschuss des Bundestages wendet", sagte Schiefner. Auch nach mehr als fünf Jahren Mitgliedschaft habe er es "noch keine Minute bereut, Mitglied dieses Ausschusses zu sein, obwohl sich auch im Petitionsausschuss der Ton verändert hat".

Migrationspakt Eine Feststellung, die auf die AfD abzielt. Deren Obmann im Ausschuss, Johannes Huber, sieht in dem Anstieg der Petitionen einen Erfolg seiner Partei. "Es ist uns gelungen, Menschen zurück in den politischen Diskurs zu bringen, die sich nicht mehr von der Politik vertreten gefühlt haben", sagte er. Huber kritisierte die anderen Fraktionen für ihren Umgang mit Petitionen gegen den UN-Migrationspakt, die sie "als Akt politischer Willkür" hätten nicht veröffentlichen wollen. Der Beharrlichkeit der AfD sei es zu verdanken, dass es dennoch eine öffentliche Debatte zum Migrationspakt gegeben habe.

Josef Oster (CDU) entgegnete, es sei nicht im Sinne der Mütter und Väter des Grundgesetzes, wenn aus Abgeordnetenbüros heraus Petitionen geschrieben würden und sich daran parteipolitische Kampagnen anschlössen, wie es bei der AfD geschehen sei. "Das gefährdet das Instrument des Ausschusses", warnte der CDU-Politiker. Was die Veröffentlichung von Petitionen angeht, so wies er daraufhin, dass es klare Regeln gebe, wann Petitionen zugelassen und freigeschaltet würden. "Und an diese Regeln halten wir uns."

SPD-Obmann Stefan Schwartze pflichtete ihm bei und forderte in Richtung AfD: "Machen Sie das Petitionsrecht nicht zum Instrument von Parteitaktik und Kampagnen."

Corinna Rüffer, Obfrau der Grünen im Ausschuss, betonte, es dürfe nicht zugelassen werden, "dass Spalter und Populisten das Petitionsrecht für sich instrumentalisieren und letztendlich das Vertrauen in die Demokratie aufs Spiel setzen". Rüffer sagte weiter, es sei der AfD-Abgeordnete Martin Hebner gewesen, aus dessen Büro die Kampagne der AfD zum Migrationspakt lanciert worden sei. Die Partei habe " Zweifel gesät und Falschnachrichten gesendet. Sie hat den gesamten Diskurs vergiftet", rügte die Grünen-Abgeordnete.

Hebner warf im Gegenzug Rüffer vor, "eine eigenartige Art und Weise von Demokratieverständnis" zu haben. Sie habe Petitionen zum Migrationspakt, "die nicht in Ihr Weltbild passen", pauschal als Dreck bezeichnet.

Abseits dessen bewegte sich Manfred Todtenhausen (FDP) bei seiner Rede. Er erinnerte an die Petition für eine Reform des wettbewerblichen Abmahnwesens, über die aufgrund der mehr als 50.000 Mitzeichnungen öffentlich beraten worden sei. Hintergrund sei die Zunahme missbräuchlicher Abmahnungen gewesen. Die FDP-Fraktion habe das Thema aufgegriffen und einen Antrag in den Bundestag eingebracht, sagte Todtenhausen. Seit September 2018 gebe es einen Gesetzentwurf der Regierung, der nun vom Bundeskabinett beschlossen worden sei, was ihn sehr freue, sagte der FDP-Abgeordnete. Allerdings gelinge es nur selten, in vergleichsweise kurzer Zeit von der erfolgreichen Petition zu einer Gesetzesänderung zu gelangen, fügte er hinzu.

Petentenschelte Der Petitionsausschuss sei der "Seismograf des Parlaments", befand die Linken-Abgeordnete Steinke und zeigte sich enttäuscht darüber, dass es 2018 nur einen einstimmigen Beschluss gegeben habe, eine Petition mit dem hohen Votum "zur Erwägung" an die Bundesregierung zu überweisen. "Das ist ein absoluter Tiefpunkt und für uns inakzeptabel", sagte sie. Die langjährige Ausschussvorsitzende kritisierte außerdem ihren Nachfolger Wendt für dessen öffentlich vorgebrachte Kritik daran, dass die Evangelische Kirche eine Petition zum Tempolimit auf Autobahnen auf den Weg gebracht hat. Das sei kein gutes Aushängeschild für den Ausschuss gewesen. "Petentenschelte geht einfach gar nicht", sagte Steinke.