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Aufgekehrt : Vom Elfmeter zum Eigentor

01.07.2019
2023-08-30T12:36:24.7200Z
2 Min

Der Videobeweis im Fußball gehört nicht zu den beliebtesten Neuerungen. Der Spielfluss leidet und die Freude über Tore ist inzwischen prekär, schwebt doch ein Generalverdacht über fast jeder brenzligen Situation im Strafraum. War es Abseits? Wurde am Trikot gezogen? War der Ball hinter der Linie? Das, was man einst vom Stadion bis zur dritten Halbzeit in der Kneipe und im Zweifel - Wembley lässt grüßen - bis in alles Ewigkeit ausdiskutierte, ist inzwischen schnell geklärt, weil in irgendeinem Kellerloch ein Unparteiischer Wiederholung um Wiederholung guckt. Der Video-Positivismus zerstört auch noch die letzte metaphysische Bastion des Fußballs: die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters als quasi göttliches, weil unanfechtbares Urteil. Gott ist tot, nun auch König Fußball?

Nun ist der Videobeweis auch in der Politik angekommen und sorgt ähnlich wie beim Fußball für bange Minuten, bis endlich Entscheidungen getroffen werden. Jüngstes und vermutlich erstes und vielleicht auch einziges Beispiel: die Wahl zum Hauptausschuss des Ludwigshafeners Stadtrats. Dort verschoss - um im sportlichen Bild zu bleiben - die örtliche AfD-Fraktion quasi einen Elfmeter ohne Torwart. Die Freunde alternativer Wahlmodalitäten stimmten überraschend für den Wahlvorschlag der SPD und vergaßen dabei, dass sie nur eine Stimme hatten. Für den eigenen Vorschlag konnten sie danach nicht mehr stimmen. Foulspiel witterte die AfD und forderte erfolglos eine Wiederholung der Wahl. Schließlich wurde gar - Videobeweis - die Aufzeichnung der Wahl konsultiert. Das Ergebnis blieb bestehen. Die AfD hatte sich schlicht verwählt. Eigentor. Sören Christian Reimer