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Verkehr : Scheuer rechtfertigt Mautverträge

Minister zeigt sich in der Sondersitzung des Ausschusses vom EuGH-Urteil überrascht

29.07.2019
2023-08-30T12:36:25.7200Z
3 Min

Wurden bei der Mautplanung Fehler gemacht? Dieser Frage ging der Verkehrsausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung nach. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) übergab den Abgeordneten einen Rollwagen mit 21 Aktenordnern. Im Zentrum steht die Frage, ob er Verträge mit Mautbetreibern voreilig abgeschlossen hat und damit Verantwortung trägt für Schadenersatzansprüche, welche die Betreiber nun geltend machen könnten - der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte das Projekt am 18. Juni gekippt; unter anderem, weil es Autobesitzer aus dem Ausland benachteilige. Geplant war gewesen, Inländer gleichzeitig bei der Kfz-Steuer zu entlasten, so dass sie insgesamt nicht hätten draufzahlen müssen.

Die 21 übergebenen Aktenordner waren ungeschwärzt. Scheuer sagte er, er habe diese auch der Öffentlichkeit so zugänglich machen wollen, es seien indes im Schriftwechsel mit den Anwälten der Betreiberfirmen Einschränkungen konkretisiert worden; die Vertragspartner hätten eine Beschränkung auf das Mindestmaß gewollt, während von ihnen nach außen kommuniziert worden sei, alles solle offengelegt werden.

Scheuer sagte, alle Experten seien nicht davon ausgegangen, dass das gesamte Infrastruktur-System vom EuGH gekippt werde. Es habe keinen Anlass gegeben mit dem Zuschlag zu warten, der Zeitpunkt des Urteils sei auch unbekannt gewesen. Ziel sei gewesen, Kosten allein im Jahr 2020 in Höhe von 850 Millionen Euro zu vermeiden; eine Neuausschreibung hätte erhebliche zeitliche Aufschläge erbracht.

Der Generalanwalt des EuGH hatte sich im Februar 2019 für ein Abnicken der Mautpläne ausgesprochen. "In 80 bis 90 Prozent der Fälle folgt der EuGH den Argumenten des Generalanwalts", sagte Scheuer, das Urteil sei in der kompletten Ablehnung überraschend gekommen.

Scheuer hatte kurz nach dem EuGH-Urteil diese gekündigt. Nun stehen Streitschlichtungsverfahren und Schiedsgerichte an. "Innerhalb von vier Monaten soll die Adjudikation abgeschlossen sein"; falls nicht, übernehme ein Schiedsgericht. "Ob Schadensersatzansprüche bestehen, muss das Schiedsgericht klären." Scheuer berichtete, angesichts der 30 vorgesehenen möglichen Kündigungsgründe in den Verträgen habe sein Haus aus zwei Gründen gekündigt. Zum einen wegen Nichterfüllung diverser Punkte, "der Betreiber deutete einen Tag vor dem Urteil eine zeitliche Verzögerung an", und zum anderen wegen des EuGH-Urteils selbst. Da der EuGH das komplette Modell insgesamt verworfen habe, sei eine Kündigung unvermeidlich gewesen, um weitere Kosten zu vermeiden.

Zu Beginn der Befragung durch die Abgeordneten bezeichnete Unions-Obfrau Daniela Ludwig (CSU) die Ausführungen Scheuers als "sehr umfassend". Wolfgang Wiehle von der AfD dagegen sagte, zum Vertragsabschluss am 31. Dezember 2018 habe es keinen Zwang gegeben, eben trotz des Risikos eines Negativurteils. Scheuers Einwand mit dem Generalanwalt zähle nicht, da der erst nach Vertragsabschluss im Februar 2019 entschieden habe.

SPD-Obfrau Kirsten Lühmann umriss das weitere Vorgehen des Ausschusses. Bedarf an Debatte sei, führte sie aus, "wenn wir wissen, wie viel Schadenersatz erstattet wird. Wann?" Oliver Luksic von der FDP kritisierte wie der AfD-Vertreter, dass das EuGH-Urteil nicht abgewartet worden sei und fragte nach der Chronologie der vergebenen Verträge. Jörg Cezanne von Die Linke wollte wissen, ob es eine alternative Planung der Vertragsabgabe gegeben habe, wenn man also das Urteil abgewartet hätte. Und Stephan Kühn von den Grünen schloss sich mit der Frage an, warum nicht das Votum des Generalanwalts abgewartet worden sei.

Scheuer antwortete, nach dem Urteil am Morgen des 18. Juni habe man den Tag über geprüft und sei in der Task Force "schnell zu dem Ergebnis gekommen, mit diesem System kann man nicht mehr weiterarbeiten". Auf die Fragen nach dem Generalanwalt entgegnete Scheuer: "Was hätte es gebracht, wenn wir die Stellungnahme des Generalanwalts abgewartet hätten?" Ein Datum für eine Schadensersatzeinigung, sagte der Bundesminister, sei ihm nicht bekannt.