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Entschädigung : AfD nennt Gesetzentwurf »Blutgeldgesetz«

Bundesregierung plant umfangreiche Hilfen für Terror-Opfer. Die Debatte darüber eskaliert

21.10.2019
2023-08-30T12:36:29.7200Z
3 Min

Einen heftigen Schlagabtausch lieferten sich die Abgeordneten vergangenen Freitag während der ersten Beratung des Gesetzentwurfes (19/13824) der Bundesregierung für ein Soziales Entschädigungsrecht. Grund dafür war die Rede des AfD-Abgeordneten Martin Sichert, der das Gesetz als "Blutgeldgesetz" bezeichnete und dafür nicht nur empörte Zwischenrufe aus dem Plenum, sondern auch eine Rüge von Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) kassierte. Die Rede Sicherts habe in hohem Maße die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten, erklärte Roth.

Ziel der Bundesregierung ist es, Opfern von Gewalttaten schneller und zielgerichteter zu helfen. Mit dem Gesetz reagiert die Bundesregierung laut eigener Aussage auf die Folgen des Berliner Terroranschlages im Dezember 2016. Das Soziale Entschädigungsrecht, das auf dem 1950 für die Kriegsopfer geschaffenen Bundesversorgungsgesetz basiert, wird damit an aktuelle Entwicklungen angepasst und soll sich insbesondere an den Belangen der Opfer von Gewalt- und Terrortaten ausrichten.

Unter anderem sollen Entschädigungszahlungen deutlich erhöht und der Zugang zu Hilfen erleichtert werden. So sollen Einkommensverluste von Geschädigten ausgeglichen und Einmalzahlungen für durch Gewalttaten im Ausland Geschädigte deutlich erhöht werden. Alle Opfer von Gewalttaten in Deutschland sollen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit gleichbehandelt werden. Neu eingeführt werden die Schnellen Hilfen, also flächendeckende Trauma-Ambulanzen und ein individuelles Fallmanagement. Der Gesetzentwurf definiert ferner den Gewaltbegriff neu. Erstmals sollen auch Opfer von psychischer Gewalt (Stalking und Menschenhandel) eine Entschädigung erhalten können.

Auf den Gesetzentwurf ging Martin Sichert (AfD) in seiner umstrittenen Rede gar nicht groß ein. Stattdessen warf er der Bundesregierung vor allem vor, nichts gegen Terrorismus zu unternehmen: "Im Nachhinein die Opfer zu entschädigen, mag manche kurzfristig besänftigen, macht die Taten aber nicht ungeschehen. Wir brauchen kein Blutgeldgesetz, sondern eine Bekämpfung von Ursachen", sagte er und erklärte das Gesetz zu einer "Bankrotterklärung der Inneren Sicherheit".

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, erwiderte darauf: "Sie sollten sich schämen für diese Rede. Sie missbrauchen diese Debatte für Ihre Agitation." Natürlich müssten nach Terroranschlägen die Opfer im Mittelpunkt stehen. Ihren schwierigen Weg zurück ins Leben unterstütze der Gesetzentwurf, so Heil.

Peter Aumer (CSU) warf der AfD vor, das Entschädigungsgesetz und das Grundgesetz nicht verstanden zu haben. Natürlich müsse man versuchen, Anschläge verhindern, aber wenn das nicht ginge, dann müsse den Opfern bestmöglich geholfen werden.

Jens Beeck (FDP) kritisierte die Sichert-Rede ebenfalls deutlich: "Sie begreifen gar nicht, dass das, was Sie hier machen, auch schon Gewalt ist." Es sei "erbärmlich", von "Blutgeld" und anschließend von der Würde des Menschen zu reden.

"Ich hoffe, dass viele Ihre Rede gesehen haben, damit sie sehen, wie Sie die Opfer verhöhnen", erklärte Sven Lehmann (Grüne) an Sichert gerichtet. Tatsächlich enthalte der Gesetzentwurf sehr viele Verbesserungen für die Opfer, betonte er.

Matthias Bartke (SPD) betonte: "Das ist die schlimmste Rede, die je ein Mitglied des Sozialausschusses im Bundestag gehalten hat." Zwar könne niemand den Opfern ihr altes Leben zurückgeben, aber bei der Bewältigung der Folgen unterstütze sie dieses Gesetz, verteidigte Bartke den Entwurf.

Gesine Lötzsch (Die Linke) sagte, nach dem Anschlag von Halle sei es höchste Zeit, ein Entschädigungsrecht zu beschließen. Wenn es aber erst 2024 in Kraft trete, müsse es zumindest rückwirkende Zahlungen ermöglichen, forderte sie.