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FALL AMRI : Schmerzhafter Rückblick

Ausschuss hört Berliner Polizistin

11.11.2019
2023-08-30T12:36:30.7200Z
2 Min

"Schmerzhaft" findet sie die Sache noch immer: "Ich war der Meinung, dass alles seinen korrekten Gang geht. Ich bin aus allen Wolken gefallen, als sich herausstellte, dass das nicht so war." Auf den Teil ihrer Ausbildung, den sie im Staatsschutzkommissariat 541 des Berliner Landeskriminalamts verbrachte, blickt Oberkommissarin A. B. mit gemischten Gefühlen zurück.

Das Kommissariat 541 ist zuständig für die Abwehr radikalislamischer Bestrebungen. Als sie dort im April 2016 als Probezeit-Beamtin anfing, erzählte die heute 38-Jährige in der vorigen Woche dem Amri-Untersuchungsausschuss, habe sie zu hören bekommen, sie werde wohl den Großteil ihrer Arbeitszeit einem einzigen Fall zu widmen haben. Einem Typen, der die Berliner Polizei seit Wochen beschäftigte, einem gewissen Anis Amri.

Das Büro, berichtete die Zeugin weiter, habe sie mit dem damaligen Kriminaloberkommissar L. geteilt, der ihr als "Bärenführer" zugeordnet gewesen sei, als Mentor, dessen Aufgabe es war, die Berufsanfängerin in den Polizeialltag zu begleiten. Gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen habe L. die Ermittlungen gegen Amri federführend betreut. Sie habe ihm zuarbeiten sollen.

Hauptsächlich sei sie damit beschäftigt gewesen, Übersetzungen abgehörter Telefonate Amris auszuwerten. Der spätere Breitscheidplatz-Attentäter wurde überwacht, weil den Behörden in Nordrhein-Westfalen seit Ende 2015 Hinweise vorlagen, er plane einen Anschlag. In Berlin allerdings bekamen die Lauscher zwar jede Menge Details über Amris florierende Drogengeschäfte mit, aber nicht mehr die leiseste Andeutung terroristischer Absichten.

Dabei habe an Amris islamistischer Gesinnung, so A.B., kein Zweifel bestanden. Nur sei nicht mehr erkennbar gewesen, dass von ihm eine unmittelbare Gefahr ausging. In einem Krisengespräch mit dem zuständigen Oberstaatsanwalt Dirk Feuerberg habe dieser angeregt, man möge doch einmal die Erkenntnisse über Amris Drogenaktivitäten möglichst eindrucksvoll zusammenfassen. Vielleicht ließ sich mit einer neuen Begründung die richterliche Genehmigung erwirken, den Mann weiter abzuhören: "Es wäre uns immer lieb gewesen, ihn von der Straße zu bekommen."

Also verfasste die Zeugin einen zehnseitigen Bericht, in dem von "banden- und gewerbsmäßigem" Drogenhandel die Rede war. Kollege L. habe daraus eine Strafanzeige destillieren und weiterleiten wollen. Erst viele Monate später habe sie erfahren, dass dies nicht geschehen war. Stattdessen war ihr Bericht vier Wochen nach dem Attentat in einer Fassung, in der Amri nur noch als Kleindealer erschien, zum Staatsanwalt gekommen. Der Fall geriet zum Polizeiskandal, weil der Eindruck entstand, es habe nachträglich vertuscht werden sollen, dass man den späteren Attentäter rechtzeitig aus dem Verkehr hätte ziehen können. Für A.B. ein persönlicher Kummer: "Es ist schmerzhaft, dass mein Bericht so, wie ich ihn geschrieben habe, nicht zur Staatsanwaltschaft gelangt ist."